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RANDBEMERKUNGEN ZUR WOCHE

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ABGEORDNETE IN PENSION! Wenn die Zeichen nicht trügen, wird in diesen Tagen im Parlament ein Antrag eingebrachf, der die Schaffung einer Pension für Mitglieder des Nationalrates und des Bundesrates bezweckt. Zwar haben schon bisher ehemalige Abgeordnete, die mehr als 50 Prozent erwerbsunfähig waren, eine sogenannte „laufende monatliche Zuwendung" erhalten. Nunmehr aber wollen sich die Mitglieder des Hohen Hauses außer der recht ansehnlichen Aufwandsentschädigung, die sie vierzehnmal im Jahr erhalten, aufjer der Abfertigung, die jedem ausscheidenden Parlamentsmitglied bezahlt wird und im Einzelfall bis zirka 120.000 Schilling ausmachen kann, auch noch ein unseres Wissens in der modernen Demokratie einmaliges Pensionsrecht zuerkennen. Daß die Abgeordneten eine Debatte möglichst ausschalten wollen und deshalb den Antrag sozusagen im letzten Augenblick überraschend ein- brachfen, um das Gesetz binnen kürzester Frist noch vor Weihnachten unter Dach und Fach zu bringen, macht die ganze Angelegenheit nur noch peinlicher. Zweifellos ist die Form der Ausübung eines demokratischen Mandats seit den Tagen Cincinnafus einem geschichtlichen Wand- lungsprozefj untetworfen. Politik als Beruf ist also wohl eine Konsequenz, die sich in der modernen Demokratie nicht mehr ganz vermeiden läfjt. Deswegen muß sie aber noch lange nicht zum Geschäft werden. Dies ist sie aber in den Augen der Bevölkerung, wenn sich die Inhaber politischer Aemter ungerechtfertigte Vorteile einräumen, und zwar aus eigener Machtvollkommenheit. Wenn die öffentliche Meinung den Mitgliedern unseres Hohen Hauses vierzehn Monatsgehälter, eine Abfertigung und eine Pension zuerkennt, können aie Mandatare dies ruhigen Gewissens entgegennehmen. Wie aber fühlen sich Volksvertreter, die hinter dem Rük- ken des Volkes ihre Bezüge und ihre Ruhegenußansprüche zu regeln trachten? Und was wunder, wenn das Volk dann entsprechend reagiert? Sind unsere Politiker doch heute schon die Zielscheibe karikaturistischer, kabarettistischer und ähnlicher Witze sowie herabsetzender Kritik — mehr als es unserer Demokratie gut tut.

STURM IM WASSERGLAS. „Krise um Finanz- minister..." — „Dr. Karnitz droht mit Rücktritt." So und ähnlich lauteten noch vor einigen Tagen die Schlagzeilen. Heute spricht kein Mensch mehr davon. Der Sturm im Wasserglas ist rasch abgeebbt. Er war ausgebrochen, weil die Sozialisten eine Anfragebeantwortung Dr. Karnitz' als ungenügend empfanden und die „Freiheitlichen" sich dieser Meinung anschlossen. Der Koalitionsmechanismus war — natürlich — der Stärkere. Bemerkenswert an diesem Intermezzo war nur, dafj Dr. Karnitz, in dessen engerer politischer und publizistischer Umgebung von Zeit zu Zeit unter der Devise „Sammlung aller bürgerlichen Kräfte Spekulationen über ein zumindest temporäres Zusammengehen OeVP-FPOe angestellt werden, beinahe als erstes Opfer in den ebenfalls oft besungenen „koalitionsfreien Raum" gestürzt wäre. Wird diese Lehre beherzigt werden? Die „bürgerliche Einheit" ist eben ein Traum. Und nicht immer ein schöner.

DEUTSCHER UNTERGRUND. Kurz vor Weihnachten lief in den sieben Ländern der Bundesrepublik Deutschland die Aktion „Sendepause" an. Druckereianlagen, Kraftfahrzeuge, Schrift- material wurden beschlagnahmt, rund 50 Personen verhaftet. Dieser Schlag gegen die Propagandastellen der illegalen KPD zentrierte sich in Nordrhein-Westfalen, wo sich der Schwerpunkt der illegalen kommunistischen Propaganda befindet. Ein Sprecher des Innenministeriums wies darauf hin, dafj sich die kommunistische Propagandatätigkeit in der Bundesrepublik immer jnehr verstärkt habe und monatlich etwa fünf Millionen Exemplare illegaler Druckschriften verteilt worden seien. Wenige Wochen vor dieser Aktion gegen den roten Untergrund wurde in Schleswig-Holstein die Affäre eines Arztes aufgedeckt, der führend an der Beseitigung „unnützen Lebens" im Dritten Reich engagiert war. „Nur" einige hohe und höchste Regierungsbeamte wufjten seit Jahren seinen wahren Namen. In diesem Zusammenhang schreibt der Weihbischof von Limburg, Walter Kampe: das deutsche Volk habe den Nationalsozialismus geistig noch nicht überwunden. Darin liege die gröfjte Schwierigkeit für den Widerstand gegen den nazistischen Einflufj. Es genüge bereits, dafj Restbestände der nationalsozialistischen Aera den Volkskörper vergiften. Schon wenige Bazillen könnten zu gefährlichen Krank- heifsträgern werden. Dazu komme, dafj es allem Anschein nach eine oder auch mehrere unterirdische Organisationen gäbe, die Kontakts unter den alten Nationalsozialisten pflegten. Zumindest gäbe es genug Freundschaften und Bekannschaften früherer Parteigenossen, um ein Netz von Informationen und gegenseitigen Hilfeleistungen über ganz Deutschland auszubreiten. So weit der deutsche Bischof. — Die Auseinandersetzung mit ihrem roten und braunen Untergrund ist vor allem eine Sache der Deutschen; niemand kann sie ihnen abnehmen. Auch wohlgemeinte Ratschläge von außen her können da wenig erreichen. Langsam, sehr langsam heilt der Volkskörper seine großen und schweren Wunden aus. Was er vor allem braucht, ist Friede: innerer und äufjerer Friede.

„SOLDAT DES FRIEDENS". Der Präsident der Vereinigten Staaten, Eisenhower, hat mehrmals während der „kleinen Weltreise", die er In diesem Advent unternahm, sich selbst so genannt und damit den Sinn seiner Reise angezeigt. „Friede und Freundschaft in Freiheit", das ist sein Motto. Die letzten beiden Worte hatten bekanntlich die Sowjets in ihrer Propaganda stark herausgestellt, nicht zuletzt bei den VII. Welfjugendfestspielen in Wien. „Friede und Freundschaft”; die vielen Hunderttausende von Menschen, die Eisenhower in Pakistan, in Indien, in Persien, in Griechenland begrüßten, glauben diesem Manne diese Worte. Eisenhower fand in Asien zumal ein Vertrauen vor, das ihn selbst überraschte. Denken wir wenige Jahre zurück: wie gespannt waren da die Beziehungen zwischen Indien und Amerika, wie sehr hatte die östliche Propaganda durch ihr Schlagwort vom „kriegstreiberischen, kapitalistischen Westen" gewirkt. Wie sehr haben sich die Verhältnisse geändert: der überwiegende Teil der Menschen in den freien Ländern Asiens und Afrikas glaubt heute daran, dafj Amerika den Frieden will und dafj es seine grofjen Kräffe einsetzen wird, zum Kampf gegen Hunger, Not, Furcht. Es bedurfte aber der Anwesenheit des Präsidenten der LISA, um dieses Kapital an Glauben und Vertrauen einmal sichtbar zu machen, ja zu sammeln: wenn es einer Rechtfertigung dieser „kleinen Weltreise" Eisenhowers bedurft häfte, hier ist sie gegeben. Bekanntlich haben einflußreiche Kreise in Amerika in beiden Großparteien diese Reise scheel angesehen. In Wirklichkeit war sie sehr notwendig. Das ganze so schwierige Gespräch mit den westlichen Verbündeten in Paris erhält neue Perspektiven durch diesen Hintergrund: Amerika blickt heute nicht nur auf seine sich streitenden europäischen Verbündeten, sondern in steigendem Maße auf die Erwartung und Hoffnung der Völker Asiens und Afrikas. Das allein sollte als eine ernste Mahnung in Westeuropa verstanden werden. Die USA können nicht untätig Zusehen, wie ein schnell satt, reich und überaus anspruchsvoll gewordenes Westeuropa darangeht, sich in einer Art Wirtschaftsbürgerkrieg zu zerfleischen. Paris, Bonn und London werden dies rur Kennfnis nehmen müssen: Washington hat in Hinkunft neben ihnen jetzt ständig auch Indien und Pakistan im Blick.

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