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Die falsche Teilung

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Als 1962 die ÖVP um fünf Mandate mehr errang als die SPÖ, forderte sie bei den Verhandlungen zur Bildung einer großen Koalition das Außenministerium zurück, das sie der SPÖ 1959 abzutreten gezwungen war. Die Verhandlungen zogen sich damals monatelang hin, weil Bundespräsident Dr. Schärf unter allen Umständen die große Koalition wünschte. Die Verteilung lautete damals: ÖVP: 81, SPÖ: 76, und FPÖ 8 Mandate. Da sich auf Grund der Haltung des Bundespräsidenten die SPÖ auch damals schon stark machte, begnügte sich die ÖVP mit einigen Kompetenzabtretungen und einem zusätzlichen Staatssekretär.

Durch die Kompetenzabtretungen wurde das Ministerium für Handel und Wiederaufbau übergroß, und beide Regierungsparteien waren sich einig, daß dieses Ministerium aus verwaltungstechnischen Gründen geteilt werden sollte. Obwohl die Teilung des Mammutministeriums berechtigt gewesen wäre und in der Zeit der ÖVP-Alleinregierung auch durchgeführt wurde, sprach sich damals Altbundeskanzler Raab als Obmann des Wirtschaftsbundes dagegen aus. Das Volk, so meinte er. würde das nicht verstehen. Es will nicht mehr Ministerien, sondern weniger Bürokratie.

Raab ist tot. Und seine Ansichten, von denen einige zu beherzigen gar nicht so übel wäre, sind längst vergessen. Er würde auch vieles, was sich seit seinem Tode ereignet hat, nicht mehr begreifen. Darüber aber, wie man es heute macht, würde er nicht einmal einen seiner Brummer von sich geben, sondern nur noch den Kopf schütteln.

Bisher war es üblich, daß zuerst ein Ministerium geschaffen und dann der Minister ernannt wurde. Die Minderheitsregierung aber ging umgekehrt vor. Sie setzte zuerst einen Minister ein (Frau Dr. Firnberg) und schuf dann das Ministerium für sie. Die Vorgangsweise ist einfach. Sie macht ein Kompetenzgesetz, gewährt dafür die kürzeste Begutachtungsfrist und erklärt bereits von vornherein alle, die dagegen sind, zu Feinden der Förderung von Wissenschaft und Forschung. So einfach aber ist dies in einer Demokratie nun auch wieder nicht.

Das neue Ministerium verursacht keine Mehrkosten, heißt es des weiteren, sogar das Gehalt der Frau Minister ist dadurch eingebracht, daß der Vizekanzler keine Bezüge als Sozialminister erhält. Schön und gut. Doch bei einer anderen Regierungskonstellation kann wieder ein Vizekanzler amtieren, der kein Ressort verwaltet, und dann ist keine Dek-kung für den neuen Ministerposten vorhanden.

Die Argumentation mit der Deckung des Gehaltes beruhigt den Staatsbürger nicht, sondern stimmt ihn eher noch nachdenklicher. Besteht die Notwendigkeit für ein neues Ministerium, dann müssen auch die mehr als 400.000 Schilling (steuerfrei) vorhanden sein, die nun einmal ein Minister den Staat kostet, wobei Sekretariat, Chauffeur, Auto und alles Drum und Dran nicht eingerechnet sind. Es geht deshalb nicht um die Randfrage, ob das Gehalt eines neuen Ministers für den Augenblick eingespart werden kann, sondern um die Sache selbst.

Wir haben in der ganzen Welt eine Bildungsexplosion zu verzeichnen, und die Bewältigung der durch sie aufgeworfenen Probleme erfordert die höchste Kraftanstrengung nicht nur der Regierung, sondern der ganzen Nation. Das Bildungsproblem muß aber als eine Einheit gesehen werden. Das heißt, der Unterrichtsminister sollte das gesamte Schulwesen einschließlich der Hochschulen leiten. Da aber Wissenschaft und Forschung auf das engste mit den Hochschulen verbunden sind, gehört auch diese Sparte ins Unterrichtsministerium.

Das Unterrichsministerlum gliedert sich derzeit in zwei Gebiete: Das Schulwesen und die Kultur. Sinnvoll wäre deshalb die Teilung dieser beiden Gebiete gewesen. Der Unterrichtsminister war bisher auf Grund der Überlastung durch das Schulwesen nicht imstande, der Kultur jene Aufmerksamkeit zuzuwenden, die notwendig wäre, um endlich die Reformen, insbesondere in den Bundestheatern, aber auch in den Museen, Bibliotheken, beim Denkmalschutz und in der Volkserziehung, durchzuführen. Nun beträgt der Budgetanteil des Unterrichts 69 Prozent, der Anteil der Kultur einschließlich des Kultus aber nur 19,3 Prozent, wozu noch fast eine halbe Milliarde für die Bundestheater hinzukommt. Dem Budgetanteil nach erfordert die Kultur deshalb keinen Minister, sondern nur einen Staatssekretär, der allerdings den Unterrichtsminister in diesem Bereich völlig entlasten könnte.

Ein Staatssekretär war offensichtlich zuwenig. Deshalb wurde die organische Einheit Unterricht gespalten. An die Stelle eines Ministers und eines zweifellos notwendigen Staatssekretärs für das gesamte Kulturwesen sollen nun zwei Ministerien geschaffen werden. Beide Minister beteuern, daß es keine Kompetenzstreitigkeiten geben wird. Wer aber ein wenig Einblick in die Materie besitzt, kann nur sagen: Beide Minister werden sich wundern, welche Schwierigkeiten im Kompetenzbereich noch auftauchen werden. Die Gefahr der derzeitigen Aufteilung besteht darin, daß auf keinem Gebiet, weder im Schulwesen noch im Kunstbereich, eine grundsätzliche Reform durchgesetzt werden kann. Wer mit den Hochschulen, mit Wissenschaft und Forschung zu tun hat, dem bleibt keine Zeit, sich mit der notwendigen Energie und Ambition dem Kulturbereich zu widmen. Die Trennung des Unterrichtsressorts aber stört den organischen Zusammenhang des Bildungsweges. Es ist deshalb die Pflicht der Oppositionsparteien, gerade das Problem des Kompetenzbereichs genau zu prüfen, weil auch sie, wenn sie der Schaffung eines neuen Ministeriums zustimmen, später die Verantwortung dafür zu tragen haben.

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