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Aus Gründen der Billigkeit

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Inmitten des allgemeinen Zuges zum perfekten Wohlfahrtsstaat in Österreich, der dahin zielt, für jeden ein Maximum sozialer Sicherheit zu schaffen, wurde vergessen, einen zwar sehr kleinen, aber um so wichtigeren Personenkreis in diese Sicherung einzubeziehen. Österreich, das bestrebt ist, fast jedem seiner Staatsbürger eine Rente oder Pension zu geben, vergißt diesen Grundsatz gegenüber seinen Ministern. Dabei gebührt diesen höchsten Staatsdienern nach Ausscheiden aus ihrem Amt zweifellos ebenso eine Pension wie allen anderen. Sie gebührt ihnen aus „Billigkeits“gründen in jeder Beziehung. Die Nichtexistenz einer Ministerpension kommt Österreich viel höher zu stehen, als wenn sie gewährt würde. Denn im heutigen Österreich muß es sich ein Minister überlegen, seine Demission zu geben und aus dem Amte zu scheiden. In den meisten Fällen würde er sich dem materiellen Nichts gegenübersehen. Während der jetzt fast schon zur Gewohnheit gewordenen langen Dienstzeit eines Ministers muß praktisch jeder Privatberuf zugrunde gehen. Ein Anwalt, ein Arzt, ein Wirtschaftsprüfer, der Minister wird, zerstört damit unweigerlich seine zivile Existenz. Eine solche zerstörte Kanzlei, eine solche Praxis wieder neu aufzubauen, ist nur innerhalb von Jahren möglich. Jeder, der in Österreich Minister ist, muß deshalb trachten, so lange wie möglich Minister zu bleiben. Und er kann sich erst entschließen, zu gehen, bis durch irgendeine Kettenreaktion zufällig ein entsprechender Posten in der Politik oder in der Wirtschaft freigeworden ist, der dem Minister, zumindest für einige Zeit, wieder eine materielle Versorgung sichert. Die derzeitigen Regierungsparteien können heute oft erst einen Wechsel in einem Ministerium herbeiführen, wenn sie ihrem Kandidaten irgendeine andere, gut dotierte Position verschafft haben, eine Position, für die aber der Demissionierende nicht immer die nötigen Voraussetzung ggri'ih’itfegf!=!? r wne’lila

Kefti Pfründenschacher • püiownccsp

Dieser Zustand ist in erster Linie aus moralischen Gründen unhaltbar. Denn ein Minister muß jederzeit in der Lage sein, seine Demission geben zu können, eine Partei muß ohne persönliche Rücksichten ihren Mann aus einer Regierung abberufen können, ein Land muß aber auch durch die zuständigen Faktoren zu jeder Minute die Möglichkeit haben, seine Minister zur Demission aufzufordern. Durch die Einführung einer Mmisterpension wäre diesem Übelstand sofort abgeholfen. Das alte Österreich kannte sie, obwohl sie damals viel weniger notwendig war als heutzutage, da doch vielfach Personen zu Ministern berufen wurden, die ein sehr großes Privatvermögen oder ein ständiges Einkommen besaßen, so daß sie auf einen Ministergehalt gar nicht angewiesen waren. Dennoch gewährte die Habsburgermonarchie ihren scheidenden Ministern einen Ruhegenuß, auch wenn sie nur eine lächerlich kurze Amtszeit hinter sich hatten, um nur ja zu verhindern, daß aus materiellen Gründen die Demission eines Ministers nicht rasch genug erfolgen könnte. (Diese Praxis dürfte bei Wiedereinführung der Ministerpension allerdings nicht Platz greifen. Sie wäre eine zu große Versuchung für die Parteien, ihnen unliebsame Politiker für kurze Zeit Minister werden zu lassen, um sie dann mit einer entsprechenden Pension für immer in die Versenkung verschwinden zu lassen. Eine Ministerpension dürfte nur gewährt werden, wenn eine Amtszeit von mindestens drei oder vier Jahren V°Daneben hat aber auch der Minister, der durch Jahre seinem Staat gedient hat, der ihm seinen Privatberuf geopfert hat, ein Anrecht darauf. daß der Staat ihm eine entsprechende materielle Sicherstellung gewährleistet und ihn nicht zwingt, eine menschlich entwürdigende Jagd nach einem Posten aufzunehmen, der ihn noch dazu der Lächerlichkeit aussetzt. Denn die Urteile der Öffentlichkeit über jene ehemaligen Minister, die nun ein Amt innehaben, zu dem sie kaum irgendwelche fachliche Voraussetzungen mitbringen, möge»

den Betroffenen nie zu Ohren kommen…

Keine Geheimräte mehr

Die Minister, die aus dem Dienst scheiden, haben ein Anrecht auf eine Pension, nicht nur aus moralischen Gründen, sondern auch aus sozialen. Ein Minister im heutigen Österreich, der zu demissionieren wünscht, sieht sich vielfach nicht nur dem materiellen Nichts, sondern auch dem sozialen gegenüber. Hat ihn während seiner Amtszeit alle Welt umschwärmt und seine Gunst zu erwerben getrachtet, so versinkt er nach seiner Demission meist in völlige gesellschaft liehe Vergessenheit. Das alte Österreich hatte es auch hier viel besser. Vielfach entstammten ja die Minister einer sozialen Schicht, die ihnen eine entsprechende gesellschaftliche Stellung bereits verliehen hatte, bevor sie noch Minister waren, und die sie ihnen gewährte, auch wenn sie schon wieder demissioniert hatten. Auf jeden Fall wurde jeder Minister Geheimrat und führt als solcher lebenslänglich den Titel „Exzellenz“. Vielfach wurden ehemalige Minister Mitglieder des Herrenhauses, einer sehr noblen Institution. Das heutige Österreich kennt weder eine Berufung in ein Herrenhaus noch den Titel Exzellenz. Außer einem entsprechenden Orden erweist es ihm keine wie immer geartete soziale Dankbarkeit.

So gibt es viele Gründe, „Billig- keits“gründe jeder Art, die für die endliche Einführung einer Ministerpension auch in Österreich plädieren. Ein Novum würde dadurch nicht geschaffen,' denn auf Landesebene gibt es diese bereits: einige österreichische Bundesländer (Oberösterreich und Vorarlberg zum Beispiel bilden Ausnahmen) gewähren ihren Landeshauptleuten, sobald sie aus der Aktivität ausscheiden, einen Ruhegenuß. Wieder einmal zeigen die österreichischen Länder dem Bund den Weg. Was auf der einen Ebene bereits Wirklichkeit ist, sollte auf der anderen Ebene nicht hinausgeschoben werden: damit sich nicht zuviel auf gänzlich anderen Ebenen ereignet, was für Bund und Länder ungut ist.

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