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Forsdiungs vorrang ?

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Wie es falsch ist, aus einer Maus einen Elefanten zu machen, ebenso sollte man nicht Schwerpunkte schaffen, die keine Schwerpunkte sind. Nun scheint dieser bedauerliche Fall eingetreten zu sein: Die Frage der Errichtung eines Bundesministeriums für Wissenschaft und Kultur ist — auch wenn es so scheinen möchte — noch lange nicht zu Ende diskutiert.

Vielleicht ist es ein österreichisches Schicksal, daß man zu sehr an Namen und Bezeichnungen hängt. Und deshalb soll die organische Einheit „Unterricht“ gespalten werden (siehe „Furche“ Nr. 20 vom 16. Mai 1970), um einem fragwürdigen Fortschritt Tribut zu zollen, dem Glauben nämlich, daß man mit einem Wissenschaftsministerium bereits etwas für die Wissenschaft getan habe. Zweifelsohne stellt das bisherige Unterrichtsministerium vor allem hinsichtlich des Schul- und Bildungswesens eine historisch gewachsene und sachlich-organische Einheit dar. Wie es überhaupt unmöglich sein dürfte, Lehre, Forschung und Kultur getrennt sehen zu wollen. Ist es also nicht nur fragwürdig, daß diese integrierte Einheit getrennt wird, so scheint die hier vorliegende Trennung gerade die allerungünstigste zu sein. Wenn schon Trennung, dann wäre zweifellos vorzuziehen gewesen, die Einheit der Bildungswege zu wahren und ein Ministerium für Pflichtschulen, höhere Schulen, Hochschulen, Berufsschulen und Erwachsenenbildung zu schaffen, alle anderen kulturellen Angelegenheiten aber in einem zweiten Ministerium zusammenzufassen. Bislang fand sich niemand, der eine plausible Erklärung für die Schaffung des „Firnberg-Ministeriums“ geben konnte.

Auch dem Verfassungsdienst ist es nicht gelungen. In seinen erläuternden Bemerkungen zum Entwurf dieses Bundesgesetzes wird festgestellt, „wir leben nicht im Atomzeitalter, sondern im Zeitalter der Kybernetik“, an anderer Stelle wird erklärt, dies sei „gerade im Atomzeitalter unverkennbar“. Widersprüche sind nicht dazu angetan, die Notwendigkeit eines Wissenschaftsministeriums zu beweisen. Sehr treffend urteilt der Kulturpolitische Ausschuß des „österreichischen Kulturgespräches 1970“ darüber „Vieles... ist reine Rhetorik, manches ist falsch, einiges ist laienhaft“. Doch nicht nur die inhaltliche Bestimmung des zur Debatte stehenden Ministeriums für Wissenschaft und Kultur ist Ansatzpunkt der Kritik, sondern berechtigerweise auch der Vorgang der Meinungsbildung. Die viel zu kurz bemessene Begutachtungsfrist löste bei den meisten Begutachtungsstellen heftige Kritik aus. Sehr deutlich wird in den diversen Stellungsnahmen erklärt, daß „eine Meinungsabstimmung innerhalb des gesetzten Termins nicht möglich“ war.

Kreisky als gewiegter Taktiker sollte nicht in den Fehler verfallen, ein Wissenschaftsministerium um jeden Preis zu schaffen. Der Breis besteht nämlich nicht nur in einer möglichen Abstimmungsniederlage im Parlament, sondern auch im harten Schilling. Aus der Vergangenheit ist bekannt, daß solche Kompetenzänderungen — wie es in der Stellungnahme des Verkehrsministers heißt — „einen nicht ganz geringfügigen Kostenaufwand“ erfordern. Ein neuer Beamtenapparat muß aufgebaut werden: Wenn nicht, dann müssen das Präsidium des Unterrichtsministeriums, sein Presse- und Informationsbüro, die Amtsbibliothek und die Dokumentationsstelle, die Ministerialkanzleidirektion und die Amtswirtschaftsstelle, die Budgetabteilung, der medizinische Dienst und noch etliche andere Abteilungen für beide Ministerien tätig sein. Damit hätte sich aber das Firnberg-Ministerium von selbst ad absurdum geführt. Ein zusätzlicher Beamtenapparat — ist das der Vorrang für Forschung und Wissenschaft? Nun hat Finanzminister Androsch angekündigt, daß die Forschung Budgetpriorität genießen wird. Da er diese Ankündigung auch durchhält, wird nicht nur die Parlamentsdebatte über das Kompetenzgesetz, sondern vor allem die Verhandlung mit den anderen Ministerien in den nächsten Wochen zeigen.

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