6572452-1950_26_13.jpg
Digital In Arbeit

Randhernerkungen zur woche

Werbung
Werbung
Werbung

Der Finanzminister hat seine Bereitwilligkeit erklärt, ab 1. Juli dieses Jahres jedem Hochschullehrer eine „Aulwandsentschädigung“ von 350 Schilling monatlich, und vom nächsten Wintersemester an jedem Leiter eines Hochschulinstituts eine „Mehrleistungs-Sonderzulage“ von 1000 Schilling je Semester zu gewähren. — Die Öffentlichkeit, welche die sehr gemäßigten Forderungen der Hochschullehrer nach Verbesserung ihrer materiellen Lage von Anfang mit Wärme unterstützt hat, wird in diesen Maßnahmen gerne einen Anfang sehen; sie wurden übrigens erst getroffen, nachdem sich die Gewerkschaft der öffentlichen Angestellten mit den Forderungen der Hochschulprofessoren solidarisch erklärt und bekanntgegeben hatte, daß sie ähnliche Forderungen für andere Berufszweige nicht erheben werde. — Leider ist festzustellen, daß die Hochschul dozenten, also die jüngere Gelehrtenklasse, welche die nachrückende Kraft österreichischer wissenschaftlicher Leistung darstellt, in den bescheidenen Vorkehrungen des Finanzministeriums völlig leer ausgehen. Der Laie macht sich von dem Grade der Härte, mit dem im Budget das Hochschulwesen behandelt wird, kaum, eine Vorstellung. Um nur bei den staatsfinanziellen Maßnahmen zur Sicherung des . wissenschaftlichen Nachwuchses zu bleiben: Im gegenwärtigen Staatsbudget ist zur „Heranbildung von Lehrkräften von Hochschulbildung“ ein Betrag von zweitausend Schilling eingesetzt; um ein Mißverständiiis zu vermeiden: zweitausend Schilling nicht etwa für jede Hochschule unseres Landes, sondern für sämtliche Hochschulen Österreichs. Zur Beihilfe für sämtliche Hochschuldozenten, — also für schon lehrend tälige, aber noch nicht als Professoren angestellte fix-besoldete Gelehrte — sieht das Budget einen Betrag von siebentausend Schilling vor. Ein Aufsatz in Heft 7 der Blätter der katholischen Hochschuljugend rechnet aus, daß demzufolge für einen Dozenten . 4 Schilling 65 Groschen zu seiner Förderung aufgewendet werden können. Die Hoch schulassistenten sind . ebenso wie die Dozenten in dem Fürsorgeakt des Finanzministeriums übergangen; sie sollen sich damit trösten, daß sie nach den letzten für sie geltenden Bezugsbestimmungen den Mittelschullehrern gleichgestellt sind, also etwas zu hoffen haben werden, wenn etwa den Mittelschullehrern in Zukunft eine Änderung ihres Gehaltsschemas gelingen sollte. — Das ist nur ein kleiner Ausschnitt aus dem Bilde der Kulturpflege, die der Fiskus, leider unter Genehmigung des parlamentarischen Budgetausschusses, den geistigen Gütern unseres Volkes entgegenbringt. Nach einer standfesten Berechnung der Wiener Universitätszeitung steht die staatliche Kulturpflege Österreichs in der ganzen Welt an letzter Stelle. Einzige Konkurrenz ist dabei Griechenland. Von ihrem Budget verwenden die USA für Kultur-.wecke 17 Prozent, die UdSSR 14,5 Prozent, die Türkei — um nur einige zu nennen — 14 Prozent, Brasilien 12 Prozent, Polen 10 Prozent. Griechenland und unser Staatshaushalt dotieren die Knl-Uirpflejge mit 0,6 Prozent. Es ist zum Schamrotwerden. — Verpteic/it man dieses finanzpolitische Verfahren geistiger Aus-hungerung mit der Raschheit, mit der selbst dann zu sehr großen Mehrbelastungen des Staatshaushaltes geschritten wurde, auch wenn für diese im Budget keine Deckung zu finden war und für diese Mehrausgaben sogar noch die parlamentarische Genehmigung ausstand, so fragt man besorgt, wohin wir treiben.

Auf der internationalen Sozialistenkonferenz in Kopenhagen überraschte Morgan Phillips, der Sekretär der englischen Labour Party, viele Delegierte mit einer emphatischen Auseinandersetzung über den christlichen Ursprung des britischen Sozialismus, der seine Anfänge unter den Wesleyaner Methodisten und Baptisten und anderen Gruppen der „Freien Kirchen“ genommen habe. Phillips ging noch weiter: die Gesellschaft der Fa-bier, die vornehme wissenschaftliche Vereinigung des britischen Sozialismus vom Ende des vorigen Jahrhunderts, habe schon frühzeitig mit Marx und seinen Theorien von Kapital und Arbeit gebrochen. Zu dieser beachtlichen Erinnerung sagt das katholische Londoner „Tablet“ vom 10. d.: „Es gibt keine Lektion, von der . man mehr wünschen würde, daß sie von den sozialistischen Parteien des Kontinent s besser gelernt würde als jene, daß viel mehr Schwäche als Stärke in der materialistischen Philosophie und ihren marxistisch en U r s p r üng en liegt. Ihr marxistischer

Ursprung ist die Hauptursache, warum in so vielen Ländern des Festlandes die Sozialisten in eine zunehmend ungünstige Position zwischen den großen christlichen und den kommunistischen Parteien geraten sind. Die christlichen Parteien erhalten ihre große Mehrheit durch Menschen, die in allen Lebenslagen den dogmatischen Materialismus verwerfen, toährend die Kommunisten nur zu verständlich Oberhand gewinnen, weil ihre Vorgänger, die marxistischen Sozialisten von gestern, ihnen schon den Weg bereitet haben. Wenn die Kommunisten sich als die einzigen richtigen Sozialisten bezeichnen, als die Menschen, die wirklich die Courage haben, den Verpflichtungen des marxistischen Bekenntnisses zu folgen und die bourgeoisen Schranken christlicher Moral abzulehnen, so finden sie ihre Schüler unter jenen, welche schon unter sozialistisclier Führung belehrt worden sind, daß die christliche Religion keine Existenzberechtigung besitze und nur durch die Feinde der Arbeiterklasse genährt werde.“

Einen nicht eben freundlichen Ausblick auf die Begebenheiten in der Ostsee ver-“öffentlichte kürzlich das dänische „Krisie-lige Dageblad“. Im „Ostseegebiet“ sei ein Küstengebiet in einer Breite von 50 Kilometern von jeder „unnützen“ Arbeitskraft gesäubert, • es würden dort Raketen- und U-Bootbasen für die größte U-Boptflotte .der Welt gebaut, welch letztere „keinen anderen Ausfahrtsweg habe, als den dänischen Belt und den dänisch-schwedischen Oere-sund“. „Von Petsamo im Nordosten“, so fährt das dänische Blatt fort, „bis nach Lübeck im Südwesten ist die Ostseeküste ein einziges gewaltiges Militärgebiet, dem sich zu nähern lebens-gef ährlich ist. Nirgendswo fallen die Schatten des dritten Weltkrieges so dunkel über die Landschaft wie südlich und östlich von .Bornholm, Oeland und Gotland. Die Aufbringungen von dänischen -und schwedischen Fischerfahrzeugen sei ein höchst unangenehmes Zeugnis für die russische Forderung auf uie Hegemonie in der Ostsee, die eine direkte Bedrohung der schwedischen, dänischen und internationalen Rechte darstellt. Was ist. dagegen Sem-mering und Ennsbrücke!

Das bibliographische Monatsheft über die Verlagstätigkeit in Jugoslawien hat einen erweiterten, straffer gegliederten Nachfolger erhalten. Vor uns liegt die amtliche Bibliographie Jugoslawiens, herausgegeben vom Bibliographischen Institut der Föderativen Volksrepublik Jugoslawien, Heft 1 bis 3, und hat die Buchproduktion vom Jänner . bis März 1950 zum Inhalt. In dieser Zusammenstellung der erschienenen Bücher, Broschüren und Musikalien ist der Abschnitt „Religion“, der bis dahin charakteristischerweise hinter den Büchern über Sport und Leibesübung im weiteren und Touristik und Gastgewerbe im engeren Sinne unregelmäßig bescheiden an neunter Stelle stand, diesmal an den zweiten Platz aufgerückt: Religion steht hinter „Philosophie“, die sich in der Untereinleilung als dialektischer und historischer Materialismus, Psychologie und sonst nichts vorstellt und. dessen Bedarf Bücher von Engels, Plecha-now und Treptow zu decken scheinen. Religion hat aber in dem Katalog den Vortritt vor den gesellschaftspolitischen Wissenschaften, die sich von Marx bis zu den jugoslawischen Volkstänzen erstrecken. — Belief sich in den ersten drei Monaten dieses Jahres in Jugoslawien die Produktion auf insgesamt 707 Neuerscheinungen und ist die gesellschaftspolitische Wissenschaft darunter mit 243 Titeln vertreten, so beträgt der Anteil des nunmehr än zweiter Stelle angeführten religiösen Schrifttums eine einzige Neuerscheinung. Es wird vermerkt: „30 Directorium litur-gicum romano-seraphicum ad usum fratrum minorum in FNR Jugoslavia. Pro anno domini 1050...“ Kleingedrückt lesen wir den Nachsatz: Accedunt variationes pro provineiis Bosniae Argentinae et Herzego-vinae. Es ist der von den Ordensoberen alljährlich herausgegebene Wochenkalender für Breviergebet und Messe. — Man pflegt zu sagen, eine Schwalbe macht noch keinen Sommer. In diesem Falle eine ganz kleine, kaum flügge gewordene Schwalbe. Wird sich jedoch der landesübliche Nachsatz: „aber sie kündigt ihn an“, bewahrheiten?

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung