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Sparetod Androsch

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Zum dritten Mal innerhalb der letzten sieben Jahre hat Finanzminister Androsch die Grundlagen der staatlichen Sparförderung entscheidend geändert. Der Autor des folgenden Beitrages ist sehr kritisch. Man kann auch eine differenzierte Auffassung zu diesem Thema beziehen (vgl. „Standpunkt” auf Seite 15). Die FURCHE wird die Diskussion darüber fortsetzen.

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Zum dritten Mal innerhalb der letzten sieben Jahre hat Finanzminister Androsch die Grundlagen der staatlichen Sparförderung entscheidend geändert. Der Autor des folgenden Beitrages ist sehr kritisch. Man kann auch eine differenzierte Auffassung zu diesem Thema beziehen (vgl. „Standpunkt” auf Seite 15). Die FURCHE wird die Diskussion darüber fortsetzen.

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Trotz einer Halbierung der Schillingkaufkraft in den 70er Jahren ist die Qualität der staatlichen Sparförderung nun tief unter das Niveau der 60er Jahre gerutscht. Die Regierungspartei und ihr im privaten Geschäftsleben doch so tüchtiger Finanzminister werden sich etwas einfallen lassen müssen, um auch dieses Faktum als Beweis für die Entwicklung zu einem „modernen Österreich” werblich verhökern zu können.

Zu einem der ganz großen Themen im Wahlkampf 1970, der dann zu einem Sieg der SPÖ führte und in ein sozialistisches Dezennium mündete, zählte das Bekenntnis der Parteien zur bestehenden Sparförderung, insbesondere zum staatlich geförderten Bausparen.

So verpflichtete sich damals der spätere Bundeskanzler Bruno Kreisky, daß unter seiner Regierung die Bausparförderung bestimmt nicht geändert, aber schon gar nicht verschlechtert werde. Er hat dieses Versprechen nipht gehalten. Die staatliche Bausparförderung wurde 1976 das erste Mal verschlechtert, seit 7. September 1979 ist sie kaum noch die Hälfte dessen wert, was sie kaum zehn Jahre zuvor tatsächlich wert war.

Damals konnten 7000 Schilling jährlich steuermindernd abgesetzt werden, was etwa im Fall eines Einkommenbeziehers von 10.000 Schilling monatlich zu einer jährlichen Ersparnis von rund 4000 Schilling führte. Seit dem f. September 1979 beträgt der staatliche Zuschuß zum Bausparen pro Person jährlich 700 Schilling. Die geförderte Ansparsumme von 7000 Schilling wurde beibehalten, obwohl sich die Schillingkaufkraft in den letzten zehn Jahren wesentlich verschlechtert hat.

In der SPÖ glaubt man, damit nun endlich die „Reichen” getroffen zu haben. Das stimmt nicht: In der Vergangenheit war das Bausparen die bevorzugte Sparform der Arbeitnehmer, unter den Bausparen! Sind heute noch 75 Prozent Arbeiter und Angestellte.

In der SPÖ hat man immer wieder ein Argument gegen alle Arten der staatlichen Sparförderung vorgebracht.’Es hieß, daß das Ragout aus Prämien, Zuschußprämien, Steuervergünstigungen und Sparzulagen für den kleinen Mann unverdaulich ist.

Die Folge ist, daß die Förderungsmaßnahmen vor allem den listenreichen Staatsbürgern zugute kommen, die diese eigentlich gar nicht nötig haben und auch ohne staatliche Förderung sparen und Vermögen bilden können. Dieses Argument hat einiges für sich. Es dürfte für das Wertpapier- und Versicherungssparen zutreffen, beim Prämien- und Bausparen ist es ganz bestimmt unzutreffend.

Beide Sparformen werden ganz eindeutig von Arbeitnehmern und von älteren Menschen bevorzugt:

Großeltern schließen für ihre Enkel ‘ Prämiensparverträge ab, was noch immer besser ist, als das Ersparte in den Sparstrumpf zu stopfen; für einen wesentlichen Teil der Bausparer ist die Bausparförderung eine Brücke zur Finanzierung des Eigenheims. So wird die überwiegende Mehrheit der Reihen- und Einfamilienhäuser in den Bundesländern bausparfinanziert. Diese Finanzierungsform wird nun um etliches kostspieliger,

Da der Finanzminister wirklich nichts außer acht läßt, wenn es darum geht, die private Vermögensbildung in Österreich zu zertrümmern, hat er die Einheitswerte als Grundlage der Berechnung der Vermögenssteuer für Einfamilien- und Reihenhäuser in den letzten Jahren stark erhöht. Und weitere Erhöhungen, die dann bald auch die Eigentü mer von Schrebergartenhäusem zu Angehörigen der vermögenden Klasse machen, sind geplant.

Zynisch betrachtet, läuft diese Politik darauf hinaus, bald alle Österreicher zur Klientel von Steuerberatungsbüros zu machen. Wer Pech hat, landet als Empfänger eines unterdurchschnittlichen Monatseinkommens in der Gruppe der Vermögensmillionäre, wer Glück hat und die richtige Beratungskanzle) konsultiert, schafft auch als Multimillionär den Absturz in die vermögenslose Klasse.

Für den Bankensektor meinte C A-Generaldirektor Heinrich Treichl nach der Beschlußfassung über And- roschs Neuordnung der Sparförderung, er hoffe, daß nun endlich Rechtssicherheit in die Sparförderung einkehren werde. Dem „Macher” Androsch, der sich von Freunden gerne als politisches Genie mit der Fähigkeit, auf lange Sicht zu planen, feiern läßt, war diese Rechtssicherheit jedenfalls bisher kein sonderliches Anliegen.

In den letzten sieben Jahren änderte er die staatliche Sparförderungspolitik gleich zweimal, wiewohl die auf Grund der ersten Änderung errichteten Prämien- und Bausparverträge nicht einmal ausgelaufen waren.

Man wird für diese unkontrollierte Vorgangsweise in der westlichen Welt kaum ein Vorbild finden. Im Gegenteil: In der Bundesrepublik Deutschland versteht die sozial-liberale Koalition die Sparförderung als ein Instrument dazu, Interesse an Sparformen zu wecken, die längerfri- tige Verpflichtungen beinhalten, um dadurch zu sozial- und wirtschaftspolitisch vertretbaren Formen der Vermögensbildung auf breiter Basis zu finden.

In Österreich bekriegt man dieses Interesse. Ein Finanzminister, der in Deutschland die DM-624-Förderung streichen oder verschlechtern wollte, wäre zum Abschuß reif. In der SPÖ wird diese Vorgangsweise als Leistungsnachweis für die Position eines Parteivorsitzenden und eines Bundeskanzlers gehandelt.

Wie inkonsequent die arge Verschlechterung der staatlichen Sparförderung tatsächlich ist, mag man an den Worten messen, die seinerzeit - bei der Novellierung des Prämiensparförderungsgesetzes 1962 die Abgeordneten Lanc (SPÖ) und Broe- sigke (FPÖ) am 2ff. November 1972 - vorbrachten. Im einschlägigen Initiativantrag hieß es unter anderem: „Das bisherige Prämiensparen hat in breiten Bevölkerungskreisen kein besonderes Interesse gefunden. Durch eine Erhöhung der Verzinsung … wird ‘diese Sparform wesentlich attraktiver.” Davor war das Prämiensparen noch allemal rentabler, als es nach dem 7. September 1979 sein wird. Im übrigen lag die Inflationsrate in den 60er Jahren weit unter der 4-Prozent-Marke. Sparetod Androsch macht’s nun möglich.

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