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Zeitgenosse

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Kanzlers Warnung an die Parteifreunde in den Bundesländern, „sich zu profilieren“, indem sie sich „an einer Aktion gegen Wien beteiligen“, wurde mit der solchen Anlässen vorbehaltenen Eindringlichkeit gesprochen, und das größte Massenmedium des Landes verlieh ihr zusätzliches Gewicht. Ihr Haupt-Adressat ist aber ein Mann, der es offenbar kaum notwendig hat, sich „zu profilieren“, weil er nämlich schon ein Profil hat.

Der sozialistische Landesparteiob-mann und Stellvertretende Landeshauptmann von Oberösterreich, Rupert Harti, stellt unmißverständlich klar, daß er gegen Wien nichts hat. Aber er scheint zu jenen Sturen zu gehören, die, gleich in welcher Partei sie sind, im Zweifelsfall für das Grundsätzliche eintreten und auf die Opportunität pfeifen. Kreiskys Schelte müsse, so Hartl in einem Gespräch mit der FURCHE, auf einem Mißverständnis, auf unvollständiger Information beruhen, und das gilt für die ganze Aufregung, „die nicht sachlich und die mir unverständlich ist“.

Der Anlaß dafür entstand wenige Tage nach einem Besuch Hartls am Kanzler-Urlaubsort in Reichenhall, der dreieinhalb Stunden dauerte und „sehr freundlich verlief“. Der Anlaß des Konfliktes ist nicht nur aussagekräftig, was die Person des oberösterreichischen SPÖ-Chefs betrifft,

sondern er zeigt auch, bis zu welchem Grad von Uneinsichtigkeit und nervöser Überempfindlichkeit die Dinge in der Wiener SPÖ in der Zwischenzeit gediehen sind.

Hartl wurde nämlich von einem unabhängigen Journalisten gefragt, ob er es für zulässig halte, wenn Parteizeitungen das Verhalten von Parteifreunden der eigenen Couleur kritisieren — und sagte rundweg ja. Was eigentlich selbstverständlich wäre — es aber leider längst nicht mehr ist. Was aber von Hartls eigenem oberösterreichischen SPÖ-Blatt geübt worden war. Dieses hatte nämlich einen in der ganzen Reichsbrücken-Diskussion in den Hintergrund geratenen Aspekt der Affäre, die Verwendung eines stadträtlichen Dienstwagens für einen Auslandsurlaub, kritisiert. Hartl wurde gefragt, ob er diese Kritik für angemessen halte — und sagte: ja.

Dieses Ja läßt hoffen, daß in der Sozialistischen Partei Österreichs doch etwas andere Verhaltensnormen gelten als in der Sozialistischen Partei Wiens. Daß sich gerade Wiens Sozialisten durch ein West-Ost-Gefälle solcher Art bedroht fühlen, ist verständlich. (Fragt sich nur, ob die große Wien-Vergatterung zur Besserung der Situation in Wien beiträgt!)

V/er aber ist der Mann, der sich zumindest in Wien unbeliebt machte, indem er die Pressefreiheit nicht dort enden lassen will, wo die Interessen der eigenen Parteifreunde be-v ginnen? Rupert Hartl fällt nicht zum ersten Male auf. Schon sein Eintreten gegen die Ämterkumulierung

und für den Privilegienabbau war ein Signal, das zweifellos nicht in allen Ohren lieblich klang. „Ich vertrete“, sagt er selbst, „in diesen Dingen einen strengeren Standpunkt, weil ich glaube, daß Sozialismus auch im persönlichen Verhalten von Funktionären zum Ausdruck kommen muß. Ohne mich mit Wien zu beschäftigen, glaube ich nicht, daß Politiker für Auslandsurlaube Dienstwagen benützen sollen. Es handelt sich hier um nichts Weltbewegendes, aber um ein kleines Beispiel dafür,

was ich unter Privilegienabbau verstehe.“

Dabei ist er alles andere als ein innerparteilicher Revoluzzer. Er bejaht die Politikergehälter, wie sie heute sind — findet aber, daß eben deshalb, weil sie „gut sind“, weitere „zusätzliche Gehälter nicht angebracht erscheinen“. Er sieht, zumindest im Gespräch mit Außenstehenden, auch gar keinen Grund, am Fortgang des Privilegienabbaues zu zweifeln: „Durch die strengen Beschlüsse des Parteitages ist ein neuer Boden gelegt worden, daß die Dinge nicht von heute auf morgen gehen, ist doch klar.“ Aber in seinen Augen gehört nun einmal „zum Urgestein der sozialistischen Vorstellungen eine Gesellschaft ohne Ausbeutung und Privilegien, gleiche Chancen, Mitbestimmung“, und daher „bekenne ich mich zur vollen innerparteilichen Demokratie“.

Der Mann, der die innerparteiliche Demokratie so ernst nimmt, daß er damit innerparteilich aneckt und innerparteilich-demokratische Schelte auf sich zog, wurde 1921 in Reichenau im Mühl viertel geboren und war im Linzer Collegium Petrinum Klassenkollege von Landeshauptmann Wenzl. Er bekennt sich, ohne Zusätze irgendwelcher Art, als Katholik. Das Elternhaus war „katholischkonservativ“, ein Onkel war 1934 bis 1938 christlichsozialer Bürgermeister von Wels, zwei andere Onkel waren Sozialdemokraten. Vater wie Onkel wurden 1938 teils eingesperrt, teils zwangspensioniert; ein Background, der Rupert Hartl dazu qualifizierte, sich später für eine Partei, aber dies

nicht in fanatischer Frontstellung gegen Andersdenkende (oder gegen Kritiker) zu entscheiden.

Aus dem Krieg heimgekehrt (aus Stalingrad kam er gerade noch rechtzeitig davon), studierte er Jus. Er ist ein überzeugter Zivilrichter, er hat „zum Strafrecht keine sehr freundliche Beziehung“, weil er es „äußerst schwierig“ findet, „Menschen, die mit dem Gesetz in Konflikt geraten sind, angemessen zu beurteilen“.

Rupert Hartl wurde auf Grund seiner „Beziehung zur Gerechtigkeit“ und in der „Hoffnung 'auf eine weitere Stufe sozialer Gerechtigkeit“ 1948 Gewerkschafter (und erster Vorsitzender der Gewerkschaft für Richter und Staatsanwälte) und 1949 Sozialist. Als Gewerkschafter war er aktiv, in der SPÖ blieb er einfaches Nur-Mitglied, bis 1967 ein Jurist als Landtagskandidat (und Nachfolger des verstorbenen Fraktionsjuristen Dr. Zamponi) benötigt wurde. Parteiobmann und Grand Old Man Bernaschek besetzte nach der Wahl die Position des Landtagspräsidenten mit seinem einzigen Juristen.

Der Oberlandesgerichtsrat wurde beurlaubt, der Politiker leitete Reformen der Landesverfassung (Wahl der stellvertretenden Landeshauptleute) und als Landesrat für Sozial-und Gesundheitswesen unter anderem eine Erhöhung der Blindenbei-hilfen ein.

Er wirkt wie ein Mann von Prinzipien, integer selbst auf Kosten der eigenen Partei. j Man sollte ihn emst nehmen. Und dies nicht nur auf der „anderen Seite“.

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