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Ein Gerücht, eine 5-Millionen-Jacht und ein Finanzminister

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Seit einem guten halben Jahr grassiert in Wien und in Tirol ein Gerücht, das den Vizekanzler und stellvertretenden SPÖ-Obmann Dr. Hannes Androsch als Mit-Eigentümer einer im oberitalienischen Städtchen Sarnico am Lago d’Iseo produzierten Luxus- Motorjacht nennt. Einige wollen Doktor Androsch an Bord dieser Luxusjacht gesehen haben, andere wiederum wollen vom Verkaufsdirektor der Riva-Werft in Sarnico, dem quik- ken Herrn Pollini, derlei gehört haben.

Es sei vorausgeschickt, daß es kein Verbrechen ist und auch nie eines sein darf, eine Luxus-Motoijacht zu besitzen. Selbstverständlich gilt das auch für einen Vizekanzler, der ohnedies eine Schwäche für die kostbaren Güter des Lebens hat; vor allem dann, wenn sie „nur” das Geld der Steuerzahler kosten, wie etwa eine Mercedes-Sonderanfertigung für den beruflichen Bedarf.

Da gerade in diesen Tagen und Wochen von Luxus, seiner begrifflichen Bestimmung (Geschirrspüler?) und seiner exzessiven Besteuerung die Rede ist, kann es nur im Interesse des Finanzministers liegen, einem solchen Gerücht nachzugehen. Es könnte ja sein, daß es irgendein böswilliger Oppositionspolitiker oder gar ein mißgünstiger Partei-„Freund” in die Welt gesetzt hat. Beides ist nicht von der Hand zu weisen, denn das Gerücht geistert da wie dort.

Und Herr Pollini, Verkaufsdirektor der Riva-Werft in Sarnico, sagt im Gespräch, daß das gar kein Gerücht sei, sondern pure Wahrheit Ein bißchen Stolz ist mit im Spiel, wenn Herr Pollini erzählt wie ihn Mitte Juli 1976 „Herr Finanzminister Dr. Androsch und Herr Dr. Marsoner aus Innsbruck” in Sarnico besucht haben. Die beiden Herren, so Pollini, wollten ein Boot kaufen. Nicht irgendeines, sondern das beste, schönste, luxuriöseste und - natürlich - teuerste aus dem Angebot der Riva-Werft: Die „Superame- ricana 45”, knapp fünfzehn Meter lang, innen mahagoni-vertäfelt, mit sieben Kąjūten-Schlafplatzen. Allein das eigens für die „Superamericana 45” fabrizierte Tafelbesteck wird mit rund 7000 Schilling angeboten. Sechs Kristallgläser sind dagegen vergleichsweise billig: Mit dem Aufdruck „Riva” kosten sie den Erwerber einer „Superamericana 45” rund 2000 Schilling. Ohne diese Accessoirs kostet die „Superamericana 45”, so steht das in der „Riva”-Preisliste, 690.000 Deutsche Mark, rund 5 Millionen Schilling.

Der staunende Zuhörer fragt Herrn Pollini eindringlich: Diese Luxusjacht soll Vizekanzler Dr. Androsch wirklich gekauft haben? Kommt da tatsächlich ein Finanzminister aus Österreich, läßt sich die Schiffskollektion vorführen, sagt dann nach einer Weile: Diese Jacht oder keine, kauft und zahlt, läßt sich die Jacht an die Adria bringen?

Herr Pollini kann über solche naiven Vorstellungen nur lachen. „Nein”, sagt er, „das ist anders gegangen.” In passablem Deutsch erzählt er die Geschichte des Verkaufs einer „Superamericana 45” im Juli 1976: Erschienen sind zwei Herren, der ihm gut bekannte Dr. Marsoner aus„ Innsbruck und ein Herr, von dem er erst später erfahren habe, daß es sich um den Finanzminister der Republik Österreich, Dr. Androsch, handle. Der Minister habe Kaufinteresse bekundet, habe auch die „Superamericana 45” ausgesucht, Dr. Marsoner habe dagegen die technische Durchführung der Transaktion übernommen. Zu diesem Zweck sei eine in Innsbruck domizilierte Firma „Nauarchie GesmbH & Co KG” gegründet worden, an die die Riva-Werft auch fakturiert habe: den Betrag von 230.000 US-Dollar, rund 4 Millionen Schilling.

Auf die erhebliche Differenz zwischen dem in der Preisliste und dem in der Faktura ausgewiesenen Betrag - immerhin rund 1,3 Millionen, wenn man die im Rechnungspreis mit enthaltene komplette Radarausrüstung, einige Extras und die Transportkosten berücksichtigt - angesprochen, meint Pollini sinngemäß, daß es die vorzüglichste und vornehmste Aufgabe der Riva-Werft sei, die Kunden, nicht aber die Finanzämter zu beglücken. Er lacht dabei über’s ganze Gesicht und meint, daß die Finanzämter an derlei Praktiken selbst schuld seien: Immerhin betrage der Mehrwertsteuersatz in Italien für Luxusgüter schon 35 Prozent.

Tatsächlich ist im Innsbrucker Handelsregister eine Firma „Nauarchie - GesmbH & Co KG” registriert. Geschäftsführer dieser Firma ist Frau Dkfm. Marsoner, deren Gatte, Doktor, Helmut Marsoner eine Generalvollmacht besitzt. Diese Firma betreibt den Erwerb urtd Verleih von Hochseeschiffen, darunter die „Boreas”, jenes Schiff, das Herr Pollini Dr. Androsch verkauft zu haben glaubt.

Dr. Helmut Marsoner ist Studienkollege von Vizekanzler Dr. Androsch. In Tirol sagt man ihm nach, daß er für seinen Wiener Freund auch schon Grundstücksskäufe in Tirol vorge nommen habe. Marsoner gibt zu, daß Vizekanzler Dr. Androsch beim Kauf der „Superamericana 45” mit dem Namen „Boreas” in Sarnico dabeigewesen ist. Das habe sich halt so ergeben, anläßlich eines Krankenbesuchs sei Dr. Androsch (im Sommer 1976 lag Bundeskanzler Dr. Kreisky in der Innsbrucker Universitätsklinik) mit ihm gleich nach Sarnico am oberitalienischen Lago d’Iseo weitergefahren. Es stimme auch, daß Dr. Androsch schon einige Urlaubstage an der Adria und in Korfu auf der „Superamericana 45” verbracht habe. Doch alles andere sei total erfunden, stimme auch dann nicht, wenn Herr Pollini es behauptet. Tatsächlich ist Dr. Marsoner bereit, alle Eide zu schwören, daß sein Studienfreund Dr. Androsch nicht Mit-Eigentümer der teuren „Boreas” sei.

Man ist bereit, dem renommierten Steuerberater Dr. Marsoner zu glauben. Einiges stimmt aber doch nachdenklich:

• Warum sollte Herr Pollini, der im übrigen inzwischen auf Veranlassung Dr. Marsoners alle Behauptungen dementiert hat, lügen? Was immer Herr Pollini in Sarnico angab (den Namen der Firma, die Anwesenheit Dr. And- roschs usw.), es stimmte mit den überprüfbaren Tatsachen überein.

• Dr. Marsoner versichert, daß Doktor Androsch nicht an der Firma „Nauarchie” beteiligt ist, sagt aber nicht, wer die. Eigentümer dieser Firma sind.

• In den Beilagen zum Handelsregister werden die Namen der an die „Nauarchie” geldgebenden Kommanditisten nicht angeführt, obwohl das den Usancen entsprechen würde.

• Praktiker des Gesellschaftsrechtes nennen die „Nauarchie” eine typische „Verschleierungsgesellschaft”. Kommanditisten, die im Gesellschaftsvertrag nicht erwähnt werden, entsprechen etwa dem außerbücherlichen Eigner eines Grundstückes.

Niemand (außer Herrn Pollini, der es eigentlich sehr genau wissen müßte) behauptet, daß Dr. Androsch eine Luxusjacht besitzt. Es gibt da nur ein Gerücht; verfolgt man dessen Spur, so zeigt sich, daß es da und dort Hinweise auf seine Richtigkeit gibt, daß es - solange sich die Kommanditisten der „Nauarchie GesmbH & Co KG” im Verborgenen halten - aber letzten Endes nicht beweisbar ist.

Es ist höchste Zeit, daß sich der Finanzminister dieser Gerüchte annimmt!

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