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Prolog zum Nachfolge-Spiel

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Am Donnerstag, den 22. Jänner, wird der SPÖ-Vorsitzende und Bundeskanzler der Republik Österreich, Bruno Kreisky, 65 Jahre alt. Am Vormittag wird im Wiener Rathaus die feierliche Überreichung der Ehrenbürgerurkunde durch Bürgermeister Leopold Gratz zelebriert, am Nachmittag wird er im feinsten Kreis seiner Partei gefeiert. Aus dem Ausland sind unter anderem Willy Brandt und Olof Palme angekündigt, der bundesdeutsche Nobelpreisträger wird die Laudatio halten.

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Am Donnerstag, den 22. Jänner, wird der SPÖ-Vorsitzende und Bundeskanzler der Republik Österreich, Bruno Kreisky, 65 Jahre alt. Am Vormittag wird im Wiener Rathaus die feierliche Überreichung der Ehrenbürgerurkunde durch Bürgermeister Leopold Gratz zelebriert, am Nachmittag wird er im feinsten Kreis seiner Partei gefeiert. Aus dem Ausland sind unter anderem Willy Brandt und Olof Palme angekündigt, der bundesdeutsche Nobelpreisträger wird die Laudatio halten.

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Wahrscheinlich ist das die letzte Gelegenheit, einen Ehrentag von Bruno Kreisky in Amt und Würden zu feiern. 1981 wird er 70 Jahre alt; da will er schon aus allen öffentlichen Ämtern ausgeschieden sein. „Mit 68 Jahren, da soll man abtreten“, sagte er mehr als einmal: „An physiologische Wunder soll man nicht glauben, am allerwenigsten in der Politik.“ Erst vor wenigen Tagen erklärte er gegenüber der „Augsburger Allgemeinen Zeitung“ auf die Frage,ob er nochmals kandidieren werde: „Es ist meine feste Absicht, daß es mit diesen vier Jahren genug sein wird.“

Die „Arbeiter-Zeitung“ registrierte diese Äußerungen des Bundeskanzlers genau; viel ausführlicher und sorgsamer als die unabhängige Presse, geradeso, als sammle sie Material für den Zeitpunkt, da es sich Bruno Kreisky noch einmal überlegen möchte.

Derzeit macht Kreisky, was er will:Mitte 1976 eine Regierungsumbildung, die zumindest drei Ressortchefs das Amt kosten dürfte. Für die Pensionäre Bielka-Karltreu und Oskar Weihs ist die Regierungsuhr ohnedies schon abgelaufen. Sie wurde nur ein wenig zurückgestellt, um den letzten Wahlkampf mit der alten Garde führen zu können. Ihre prä-sumptiven Nachfolger stehen bereits fest: Peter Jankowitsch und Günter Haiden; zwei politische Wiener mit unterschiedlich festen Standbeinen in der Parteiorganisation. Die Bestellung von Peter Jankowitsch dürfte ein Muß seitens der Wiener Organisation für Bruno Kreisky sein; die mutmaßliche Betrauung Günter Haidens mit dem Agrarressort zeigt gewerkschaftliche Eigenständigkeit. Bruno Kreisky hätte es viel lieber mit einem Mann der Blutgruppe Null versucht; der ÖGB und die Wiener Partei beharren offensichtlich auf Günter Haiden, der bis zu seinem Einzug in das Agrarressort — als Staatssekretär — Bezirksvorsteher-Stellvertreter in Wien-Währing war und seinerzeit aus der „Sternwarte-Affäre“ um Bäume und Felix Slavik nicht sehr ruhmreich ausgestiegen ist (siehe auch Seite 5).

Spannender wird die Nachfolge von Karl Lütgendorf, wenn sie überhaupt zustandekommt. Denn scheidet auch er aus der Bundesregierung, dann besteht das Kabinett nur noch - aus gestandenen Sozialisten. Bruno Kreisky hat sich das ganz bestimmt nicht so vorgestellt.

Er hätte sich als Nachfolger von Vizekanzler und Sozialminister Häuser „seinen“ Finanzminister Hannes Androsch vorgestellt. Dieser aber liegt auf allen Ebenen der Partei denkbar schlecht. Die „Kronen-Zeitung“, ein Blatt, das die parteipolitischen Vorstellungen des ÖGB wie eine Kamera wiedergibt, karikiert ihn einmal als „Dracula 1976“, das anderemal als Mann, den es ohnedies an die Spitze einer Großbank drängt.

Seine Chancen, Vizekanzler zu werden, sind — allen Gerüchten zum Trotz — denkbar gering. Noch geringer, als die von Christian Broda, der in diesem Jahr 60 wird und der logische Vizekanzler wäre, wenn er nicht gar so arg im Schatten von Bruno Kreisky zu stehen hätte. Soll die Nominierung des Vizekanzlers nach Häuser keine deutlich sichtbare Schlappe für Bruno Kreisky werden, wäre Herta Firnberg der ideale Kompromiß.

Um die Nachfolge von Sozialminister Häuser kämpfen mit sehr unterschiedlichem Engagement Karl Se-kanina, Alfred Daliinger und Gerhard Weissenberger. Dieser Nachfolgekampf ist nicht minder interessant, weil es letztlich darum geht, ob ein „blue“- oder „white-collar“-Mann die Gewerkschaftsbewegung in die achtziger Jahre führen wird. Das ist weit mehr als eine personelle, das ist eine grundsätzliche Frage nach der Zukunft der Gewerkschaftsbewegung in Österreich. Gerät Karl Sekanina in die Bundesregierung, so scheidet er als möglicher Benya-Nachf olger aus; das gleiche gilt für Alfred Daliinger. Dahinter steht aber noch Josef Stari-bacher, mit dessen Wahl zum ÖGB-Präsidenten der Gewerkschaftsbund diese Entscheidung auf lange Jahre hinausschieben könnte.

Nach dem Willen von Bruno Kreiskys sollen Mitte 1976 die Würfel für die personelle Ausrichtung der SPÖ fallen. Es bleibt abzuwarten, ob es ihm und — vielleicht gegen seinen Willen — der Partei gelingen wird, zwischen starren Positionen zu vermitteln oder ob in jedem Fall der Kompromiß Entscheidungen vertagen soll.

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