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Sonnenkönigs Marionette

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Unser aller Bundeskanzler Bruno Kreisky, ein Sonnenkönig, in dessen Reich die Überraschungen nie untergehen, ist auf einen neuen Außenminister verfallen: auf Willibald Pahr, Leiter des Verfassungsdienstes im Bundeskanzleramt, seinem Herrn bislang als nimmermüde Rechtferri-gungseinrichtung eigener Verfassungsinterpretationen angenehm aufgefallen.

Aus der Sicht der SPÖ wie der ÖVP hat Pahr einen Makel: Er wurde knapp nach der Installierung einer unikoloren ÖVP^Regierung Mitglied des ÖAAB, zahlte brav seine Mitgliedsbeiträge, setzte zwei Jahre damit aus, ehe er knapp vor den letzten Nationalratswahlen seine Schulden an den ÖAAB wieder abtrug. Wer kann schon wissen, wie die Wahlen und die Regierungsbildung auggehen werden, mag sich damals Willibald Pahr gedacht haben. Nun, da er ias weiß und da er obendrein mit dem Ministersessel am Bailhaus-platz rechnen kann, will er sich daran erinnern, schon vor zwei Jahren dem ÖAAB-Obmann Mock seinen Unmut über die Oppositionspolitik der ÖVP auf einem „Schmierzettel“ mitgeteilt zu haben. Doch Konsequenzen hat Pahr daraus nie gezogen; so ließ er sich weiterhin als Mitglied des ,.außenpolitischen Ausschusses“ des ÖAAB führen.

Ein perfekter Karrierebeamter demnach; einer, dem das Amt mehr als die Gesinnung zählt; ein Mann so ganz nach dem Geschmack des Bundeskanzlers, der übrigens parteiintern wegen seiner PersonäipOli-tik mit heftigen Vorwürfen überschüttet wurde. Denn so manchem

Sozialisten mag nun scheinen, daß es recht günstig ist, für eine Karriere in der Bundesregierung erst einmal die Mitgliedschaft beim ÖAAB au wählen. Doch weil Kreisky nicht nur in Österreich, sondern auch in seiner Partei als Sonnenkönig gilt, will man kein offenes Wort riskieren. Was Kreisky tut, ist wohlgetan, heißt es, auch wenn die Einsicht in die Richtigkeit seiner Maßnahmen immer stärker schwindet.

Vom Innsbrucker Krankenbett aus verteidigte der Bundeskanzler den Mann seiner Wahl. Erstens sei er tüchtig und zweitens versiert. Warum sollte eine Persönlichkeit vom Rang Pahrs nicht von der Politik der Sozialistischen Partei und der von ihr gestellten Bundesregierung bekehrt worden sein? Warum dürfe ein hoher Beamter nicht das Parteilager wechseln, wo doch alle für Offene Parteien in einer offenen Gesellschaft eintreten? Zuletzt noch: Dies eben sei der Beweis für die Offenheit der SPÖ, daß sie ihr iGlück auch mit Männern des anderen Lagers versuche.

Den Einwand von ÖVP-Obmann Taus, daß es doch wohl bemerkenswert sei, wenn Kreisky in seiner eigenen Partei keinen geeigneten Außenminister finde, ignorierte der Bundeskanzler. Wahrscheinlich

Wiegt er schwerer als die von hohen ÖVP-Funktionären zur Schau gestellte Verbitterung über die politische Fahnenflucht des nach eigenem Urteil bürgerlich-konservativen und katholischen Verfassungsrechtlers im Bundeskanzleramt. Denn daran muß Kreisky sich ergötzen, wirft sie doch ein Schlaglicht auf die Bedeutungs-

losigkeit einer Partei in Opposition. Da sie nicht viel zu bieten hat, büßt sie die Fähigkeit ein, Mitglieder und Wähler bei der Stange zu halten.

Wahrscheinlich glaubt Kreisky, mit der Wahl von Willibald Pahr zum Außenminister dem Ziel oiner Qua-si-Ailparteienregierung mit unikalerem sozialistischem Anstrich nähergekommen zu sein. Vor allem aber liefert ihm diese Art von politischer Personalpolitik jede Menge von Marionetten ohne politischen Hintergrund, ohne politische Hausmacht, einzig und allein dem Bundeskanzler, der formal sie aus ihrem Beamtendasein erlöst hat, verantwortlich.

Wer hohe politische Funktionäre von Regierungsämtern ausschließt, dafür Beamte kraft Allmacht zu politischen Ressortführern macht, zeigt wenig Stärke. Eher schon Angst vor Widerspruch, vor Eigeninitiative, vor Selbständigkeit. Peter Jankowitsch, einst Kreiskys Sekretär, heute Vertreter Österreichs bei der UNO, galt lange Zeit als „sicherer“ Nachfolger für den seinerzeitigen Außenminister Kirchschläger. Ihm wurde der bereits pensionierte Bielka vorgezogen, nun muß er hinter Pahr zurückstehen. Angeblich hat sich Kreisky mit ihm überworfen, weil ihm die eigenständigen Ansichten seines ehemaligen Sekretära über außenpolitische Linien nicht passen. Offensichtlich fühlt sich Österreichs Sonnenkönig von eigenen Gnaden der gemeinen Politik schon so weit entrückt, daß er Kritik als Majestätsbeleidigung auffaßt, in jeder Art von Eigenständigkeit Loyalitätsbruch wittert

In Pahr dürfte er einen Mann gefunden haben, der die Kreise seiner Außenpolitik nicht stört, Gefügigkeit an die erste Stelle der Pflichten eines Außenministers unter Kreisky stellt.

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