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Zielgruppe: NichtSozialisten

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Kein Zweifel — Bundespräsidentenwahlen sollen offenbar bevorstehen. Die, wie offiziell verlautet, unerfreuliche gesundheitliche Verfassung von Präsident Jonas ist bedauerlich; und der gesundheitliche Zustand des Staatsoberhauptes sollte nicht Spielball politischer Spekulationen werden. Doch ist die Frage des Rücktritts mittlerweile zu einem politischen Spiel geworden.

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Kein Zweifel — Bundespräsidentenwahlen sollen offenbar bevorstehen. Die, wie offiziell verlautet, unerfreuliche gesundheitliche Verfassung von Präsident Jonas ist bedauerlich; und der gesundheitliche Zustand des Staatsoberhauptes sollte nicht Spielball politischer Spekulationen werden. Doch ist die Frage des Rücktritts mittlerweile zu einem politischen Spiel geworden.

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• Die Vorverlegung der Landtagswahlen in Niederösterreich war hauptsächlich durch die Tatsache begründet, daß Landtagswahlen nach einem sehr wahrscheinlichen Sieg eines SPÖ-Präsidentschaftskandida-ten für die ÖVP wesentlich ungünstiger ausgehen dürften als vor den Präsidentschaftswahlen.

• Die SPÖ hat sich ab April 1974 in großem Umfang Flafca'tflächen reservieren lassen; ein untrügliches Wahlbarometer, denn es ist kaum anzunehmen, daß die SPÖ diese Plakatflächen für eine Imagewerbekampagne vor den Sommerferien zu verwanden gedenkt.

• Bundeskanzler Kreisky hat im vertraulichen Gespräch die Frage ventiliert, inwieweit es möglich sei, kurzfristig die Bundesverfassung derart zu ändern, daß an Stelle des Bundeskanzlers bei einer Verhinderung des Bundespräsidenten die drei Präsidenten des Naitionalrates gemeinsam die Am'tsgeschäfte des Bundespräsidenten erledigen können. Eine Geste, die sich Kreisky Dank seiner Popularität ohne weiteres leisten kann.

Es ist mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit anzunehmen, daß die SPÖ den derzeitigen Außenminister Rudolf Kirchschläger als Kandidaten aufstellen wird. Jedoch gilt es in erster Linie, diesen Kandidaten den politischen Gegnern schmackhaft und damit wählbar zu machen. Bezüglich der eigenen Partei besteht Dank einer ausgezeichneten Parteidisziplin keine Gefahr einer Anti-KirchschlägerStimmung, jedoch dürfte versucht werden, durch permanente (scheinbare) innerparteiliche Kirchschläger-Kritik dem Nicht-SPÖ-Wähler klarzumachen, daß ja auch dieser Mann in der eigenen Partei nicht unumstritten ist, daß er praktizierender Katholik ist, der SPÖ nicht als Mitglied angehört und letztlich sogar Mitglied des in der SPÖ wenig beliebten MKV (Mittelschüler-Kartellverband) ist.

Auch Frau Minister Hertha Firnberg wurde bereits als immerhin beachtenswerte Kandidatin in diesem Zusammenhang genannt. Meldungen wie diese sind aber offenbar wenig ernst gameint. (Die Lancierung des Gerüchtes „Firnberg“ hat jedoch noch einen zweiten handfesten innerparteilichen Grund: würde Frau Minister Firnberg — aus welchem Grund immer — ihren Ministersessel verlassen müssen, dann wäre für eifrige Nachfolger Platz. Es ist kein Geheimnis, daß sich die Nationalrats-abgeordneten Blecha und Fischer bereits sehr interessiert gezeigt haben; auch die Wiener Partei würde eine Ablösung der „Grand Old Lady“, die sich nicht in der erhofften Weise durchsetzen konnte, nicht ungern sehen.)

Ein Rudolf Kirschläger als Bundespräsident würde . hingegen dem Kanzler auch die Möglichkeit geben, den von ihm stark geförderten Botschafter Jankowitsch (er war früher Kreiskys Sekretär) von New York zurück nach Wien zu rufen und ihn als Minister ins Außenamt einziehen zu lassen.

Und die ÖVP? Was wird sie unternehmen? Sie befindet sich in der nicht beneidenswerten Situation, gegen einen „rosa“ Kandidaten einen präsentablen Politiker zu finden, der vielleicht mehr als nur einen Achtungserfolg erringen kann. Josef Klaus, Bürgermeister Lugger und Hermann Withalm wurden als Kandidaten bereits genannt, wobei Meinungsunifragen in der Bevölkerung einen gewissen Beliebtheitsvorsprung von Josef Klaus erbrachten; dieser hat jedoch bereits abgewunken. Er will Privatmann bleiben (und das ist nicht unverständlich). Den größten Anhang im (niederen und höheren) Partei-Establishment genießt jedoch der „eiserne Hermann“. Sollte Withalm zustimmen, so ist mit großer Sicherheit mit seiner Kandidatur zu rechnen, denn Lugger dürfte in Ostösterreich nicht den erforderlichen Apeal haben.

In diesem Zusammenhang taucht auch immer wieder die Forderung auf, die ÖVP möge doch das sozialistische Spiel dadurch unterlaufen, indem sie gar keinen Kandidaten präsentiert. Eine durchaus vernünftige Ansicht, solcherart eine politische Aktion ins Leere laufen zu lassen, wäre nicht ein Haken bei der Sache. Die ÖVP müßte in einem solchen Fall damit rechnen, daß sich ein „unabhängiges Komitee“ zwecks Präsentation eines unabhängigen Kandidaten formiert. Eine Tatsache, die die ÖVP als politischen Faktor Österreichs weiter in den Hintergrund verdrängen würde, denn ein solches Komitee würde sicherlich mit dem Slogan von der „Mobilisierung des bürgerlichen Lagers“ initiiert werden.

Die Kandidatur eines ÖVP-Man-nes würde der ÖVP aber noch einen weiteren Vorteil bringen: sie zwingt nämlich die FPÖ, Farbe zu bekennen.

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