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Digital In Arbeit

Arbeit gegen Kapital

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Der Arbeiter- und Angestelltenbund der ÖVP hat das Kriegsbeil ausgegraben. Sein Obmann, der frühere Unterrichtsminister Dr. Alois Mock, und der Vorsitzende der

ÖAAB-Arbeiterkammerfraktion, Dr. Manfred Drennig, haben die Arbeitnehmerorganisation der Volkspartei ins Zentrum der Diskussion, aber auch der Kritik gerückt.

Mock warnte vor einer Übermacht der Sozialpartner, vor deren möglicher Monopolstellung, und Drennig trat mit einer Reihe äußerst unkonventioneller Thesen zur Wirtschaftspolitik an die Öffentlichkeit. Der ÖAAB-Chef hat es sich mit seiner Kritik weder innerparteilich, noch bei den Sozialpartnern leichter gemacht. Er handelte sich vielmehr sofort eine strenge Rüge vom gewichtigen Wirtschaftsbund- und Bundeswirtschaftskammer-Präsiden-ten Ingenieur Rudolf Sallinger ein. Sallinger wies in einer Rede vor den Wirtschaftsbund -Landesobmännern auf Schloß Hernstein jede Einmischung von außen in die Gestion der Sozialpartner als eine Gefahr für jene Sozialpartnerschaft zurück, um die Österreich international beneidet werde. Die Sozialpartnerschaft dürfe nicht zum Spielball einzelner gesellschaftlicher Gruppen werden.

Daß Mock versucht, seinen ÖAAB in der Öffentlichkeit besonders hervorzukehren, mag an der Struktur der ÖVP und in der Erfolgsbilanz der verschiedenen Sozialpartnerorganisationen begründet sein. Zunächst ist es wohl unbestritten, daß auch innerhalb der ÖVP die Arbeitnehmer das größte Wählerpotential bilden. Trotzdem herrscht in der Partei bei der Verteilung von Positionen und Geldmitteln immer noch der Schlüssel 1:1:1 zwischen den drei Bünden (ÖAAB, Bauern und Wirtschaft). Der frühere Staatssekretär Dr. Heinrich Neisser, seit kurzem Grundlagenforscher der Industriellenvereinigung, seinerzeit aber im ÖAAB tätig, hat sich ja für seine Machtverteüungsformel „ÖAAB : Wirtschaft: Bauern 3:2:1“ außer beim Arbeiter- und Angestelltenbund überall in der Volkspartei nur schroffe Ablehnung und damit vielleicht auch seine politische Kaltstellung geholt.

Weiters ist es doch so, daß — wie Mock in seiner Kritik an der Arbeit der Sozialpartner richtig feststellt — etwa die Arbeitsverfassung voll und ganz in einem Sozialpartnergremium beraten wurde, solange, bis ein Kompromiß da war. Das haben nicht etwa die im Parlament vertretenen Parteien bewerkstelligt. Und hier kommt es in der Öffentlichkeit natürlich zu einer ganz bestimmten Optik: die Wirtschaftsseite, also die Bundeswirtschaftskammer, wird mit den ÖVP-Vertretern bei den Sozialpartnern gleichgesetzt, die Arbeitnehmerorganisationen, also ÖGB und Arbeiterkammer — die freilich beide sozialistisch dominiert sind — werden vereinfachend der SPÖ zugeschlagen.

Ein weiterer Punkt möglicher innerparteilicher Animositäten mag die Finanzierung der Partei sein. Es dürfte wohl als unbestritten gelten, daß die Vertreter der Wirtschaft auch den Löwenanteil der Parted-finanzierung tragen. Und nach dem alten Grundsatz „wer zahlt, schafft an“ sehen sie es dann um so weniger gern, wenn sich der ÖAAB als Linksüberholer gegenüber der SPÖ betätigt. So mußte sich Mock schon wiederholt vom Parteivorstand eine Rüge holen, wenn er oder ein anderer ÖAAB-Spitzenfunktionär — ohne daß die Partei davon vorher wußte — eine Aussage zur Wirtschafts- oder Sozialpolitik machte.

Mock scheint aber auch mit seinem „brain-trust“ kein besonderes Glück zu haben. So trat der junge ÖAAB-Wirtsohaftßpolitiker und Vorsitzende der Arbeiterkammerfraktion, Dr. Manfred Drennig, mit visionären Aussagen zur Wirtschaftspolitik gehörig ins Fettnäpfchen. Drennig, der als ungeheuer ehrgeiziger und eifriger Jungpolitiker gilt, trat für nicht mehr und nicht weniger als für eine Lohnrunden-Automatik alle drei Monate und zusätzlich für eine Lockerung der Kreditbremse ein. Er, im Beruf selbst Angestellter eines großen Bankinstituts, wischte solcherart alle Bestrebungen für eine Stabilisierungspolitik, wie sie von den Sozialpartnern seinerzeit ausgehandelt wurde, vom Tiech. Für Arbeitnehmer, für Betriebsräte, klingt die Idee von Lohnkorrekturen alle drei Monate im ersten Augenblick sicher faszinierend. Aber schon in der nächsten Minute müssen jedem, der weiterdenkt, bestürzende Bedenken kommen: wie sollten auf diese Weise wohl die Preise unter Kontrolle gehalten werden? Wo käme man hin, wenn schon alle drei Monate die Preise klettern?

Der ÖAAB ist schon mehrfach durch Aussagen zu eher trauriger Berühmtheit gelangt, die vorher nicht mit der Gesamtpartei akkor-diert waren. Alois Mock, der jetzt auoh schon an die vier Jahre die Geschicke des AAB leitet, sollte die Zügel fester in die Hand nehmen.

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