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Die Schlacht um Prader

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Der ÖVP stehen in diesem Frühsommer noch aufregende Tage bevor. Am 4. Juni wählt der außerordentliche Bundesparteitag die neue Parteiführung. Eine wichtige Vorentscheidung ßndet aber jetzt schon am Samstag, dem 22. Mai, in St. Pölten statt, wo der 12. Bundestag des ÖAAB den neuen Obmann dieses Hoffnungsbundes der ÖVP zu wählen haben wird.

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Der ÖVP stehen in diesem Frühsommer noch aufregende Tage bevor. Am 4. Juni wählt der außerordentliche Bundesparteitag die neue Parteiführung. Eine wichtige Vorentscheidung ßndet aber jetzt schon am Samstag, dem 22. Mai, in St. Pölten statt, wo der 12. Bundestag des ÖAAB den neuen Obmann dieses Hoffnungsbundes der ÖVP zu wählen haben wird.

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Dort soll Dr. Georg Prader auf den Schild gehoben werden. Obwohl es sich dabei zur Stunde anscheinend um eine laugst beschlossene Sache handelt — nachdem alle nur erdenklichen Weichen in den verschiedenen Gremien bereits gestellt wurden —, lohnt es sich vielleicht doch, die Frage dieser Wahl und ihrer möglichen Auswirkungen im Lichte der Gesamtsituation der Voikspartei einer kritischen Prüfung zu unterziehen. Post festum — nach dem Fest — wird es auf jeden Fall schon zu spät sein.

Der Personenwechsel hat Signalfunktion. Das bezieht sich aber keineswegs nur auf die Führungsfrage der Gesamtpartei. Der österreichische Arbeiter- und Angestelü- tenlbund ist, wie schon der Name sagt, jener Bund der ÖVP, der die größte Zahl von Wählern anspricht oder ansiprechen kann. Dieser Bund kann sich demnach am wenigsten einen überwiegend nach innen gewandten Blick, eine Vernachlässigung der Wirkung nach außen leisten. Georg Prader ist also zur Stunde bother Favorit. Die Geschichte und die Vorgeschichte seiner Kandidatur sind hinlänglich bekannt. Zuerst hatte sich eine Konferenz der Landesobmänner mit der Frage des Maleta-Nachfolgers beschäftigt. Am 10. Februar hat dieser Rat der Wei-

sen nach sorgfältigem Abwägen des Für und Wider den Salzburger Landesobmann des ÖAAB Karl Glaser für die Wahl des Bundesobman- nes nominiert. Der Wunsch des Präsidenten M alėta nach reibungsloser, der Parteispitze Beispiel gebender Hofülbergabe schien durchgesetzt worden zu sein. Der Termin war aber zu früh. Im ÖAAB auf der mittleren Ebene gärte es weiter.

Sechs Wochen später hielt sich der Bundesvorstand nicht an den Vorschlag der Obmäninerkonferenz, sondern nominierte den niederösterreichischen Landesabmann und früheren Verteidigungsminister Doktor Georg Prader zum Bundes- obmann. Gegen dessen Wunsch, hieß es.

Aber Prader nahm die Nominierung an. Er fügte sich dem Schicksal, das ihm seine Getreuen, die niederösterreichischen Landesfunktionäre des ÖAAB, gegen seinen Willen, wie es hieß, bereiteten. Das „Schicksal” zeigte sich schon am nächsten Tag. Erwartungsgemäß bekam diese Nominierung eine sehr schlechte Presse. Ob ungerecht oder nicht: Prader war schon seit Jahren, was die Wirkung in der Öffentlichkeit anbelangt, das schwächste Glied in der Regierung Klaus. Die oppositionelle Presse hat seinen makellosen Ruf systematisch ruiniert, sagen seine Freunde in Niederösterreich. Er hat sich ziemlich leichtfertig immer wieder in die Schußlinie begeben und damit weder sich noch aber seiner Partei einen “guten Dienst erwiesen, meinen seine Kritiker. Wie dem aber auch sei, Georg Prader und seiner Partei hätte in dieser Situation zumindest eine gewisse Schonzeit gutgetan.

Ob zu Unrecht oder nicht, aber der anständigste, immer gutgewillte, hilfsbereite, Kraft und Zuversicht aussitrahlende Politiker, „auf den Verlaß ist”, mit dem man „Pferde stehlen kann”, für den seine Parteifreunde „ins Feuer gehen” (solche Superlative im Zusammenhang mit Prader hört man oft in Parteiikreisen in Niederösterreich), kann eines Tages zur Belastung für eben diese Partei werden; und besonders tragisch ist eine solche Wende dann, wenn die eigentlichen Ursachen des Popularitätsschwundes außerhalb der Partei weit zurückliegen und kaum noch oder nur in Rudimenten eruierbar sind. Auch wenn „feind liche Propaganda” und böse Verleumdungen, ja Pauschalverdächtd- gungen mit im Spiel sein mochten. Aber der Wähler und mithin die Öffentlichkeit hat gewissermaßen ein Vetorecht. Unlängst meinte im Parlament ÖVP-KlubObmann Koren zu Kreisky gewandt — daß „Sie, Herr Bundeskanzler, die Öffentlichkeit als Koalitionspartner haben”. Keine Partei, kein Bund der ÖVP kann jemals auf diesen Koalitionspartner auch nur für eine Übergangszeit, für eine „Durststrecke” verzichten. Das scheint sich in der ÖVP noch immer nicht herumgesprochen zu haben.

Eine Frage des Stilwechseis

Praders zahlreiche Freunde — solche igibt es auch außerhalb der niederösterreichischen Landesgrenzen, vor altem in Wien — sagen, der ÖAAB braucht jetzt gerade einen starken Mann. M alėta war der Mann des Ausgleichs, der Staatsmann und politische Philosoph, für den der ÖAAB eigentlich ein zu enger Rahmen wurde. Das zeigte sich Sipätestens während der Zeit, als Dr. Alfred Meleta als Erster Präs- 9ident des Natlonalrates der parlamentarischen Demokratie in Österreich mit Wort und Tat Dienste erwies wie nur ganz wenige vor ihm und niemand seither. Das zeigte und zeigt sich an Hand der schriftstellerischen Tätigkeit dieses politischen Denkers. Es ist also eine Frage des politischen Stils und mithin des Stilwechsels, wer Maleta dm ÖAAB folgen scfll. Praders „Stärke” hätte zwei Zielrichtungen, sagt man. Die eine wäre seine Durchschlagskraft den beiden anderen Bünden gegenüber, die andere ist die Kaderpolitik. Während der Ministersehaft Praders lag in letzterer einer der Hauptangriffspunkte seiner politischen Gegner. Jetzt ist Prader kein Minister, und er könnte sich unumstritten mit größter Energie der Personalpolitik in sei-

nem Bund widmen. Nichts hebt angeblich so die Moral der kleinen und mittleren Funktionäre wie der Umstand, daß „oben” jemand unablässig für sie sorgt. Jemand, der hart arbeitet und harte Arbeit verlangt, dafür aber seine Kameraden mitreißt. Ein solcher Chef ist Prader, sagen seine Leute. Auch die jüngeren Funktionäre.

Das Pro und Kontra Prader ist nämlich kein Generationsproblem. Wohl aber ein solches der Mentalität, dem politischen Stand nach. Und so wird sich hier, wie dies heutzutage schon in vielen Fällen unvermeidlich geworden ist, die Frage des „Selbstverständnisses” des ÖAAB und damit der gesamten ÖVP zeigen — übrigens nur sehr kurze Zeit vor dem 4. Juni.

Es gibt wenige Anhaltspunkte für die Annahme, daß Georg Prader am 22. Mai nicht zum Bundesobmann des ÖAAB gewählt werden wird. Ob zufällig oder nicht, aber die personifizierte Alternative und damit die Kristallisatiomsmöglichkeit für das andere, das doch viele meinen oder nur ahnen, wurde nicht rechtzeitig herausigestellt. Als Ob man insgeheim Angst vor dieser Alternative gehabt hätte. Diese würde nämlich bedeuten:

• einen Obmannkandidaten, der jung, aber politisch erfahren und bewährt ist;

• ‘der überall -dort genauestens Bescheid weiß, wo zwar nicht den Funktionär, aber das ÖAAB-Mit- glied und darüber hinaus den Wähler und den Hoffnungswähler der Schuh am meisten drückt (hier müßten die Delegierten zum Bundestag freilich wissen — und es auch zugeben —, wer eigentlich diese Wähler und Hoffnungswähler der ÖVP in ÖAAB-Nähe denn sind oder sein sollten!);

• der einen politischen Typ ver körpert, der in der heutigen. Öffentlichkeit Zustimmung findet, der nicht gegen Tabus verstößt, die nun einmal da sind, der sich (wie dies Prader bei der Maifeier in Tulln getan hat) nicht to Vokabular der längst verflossenen christllchsozialen

Kampfzeit ausdrückt;

• der also den Typ des fachlich beschlagenen, klug abwägendem und stets mit der .größtmöglichen1 Öffentlichkeit rechnenden Politikers darstellt.

Braucht der ÖAAB heute also vor allem den „starken Mann”, der den anderen „.draußen” und sogar der Öffentlichkeit trotzt, aber den —

vielleicht dann freilich .schon kleinereninneren Kreis noch enger schließt — und vielleicht auf lange Sicht eine gründliche Aufbauarbeit der Fachreferate USw. möglich macht —, dann sollten sie ohne Zögern Prader wählen.

Sollten sie aber der Meinung sein, daß der Wechsel dm der oben angedeuteten Richtung ziu erfolgen hat, dann werden sie nach anderen Kandidaten Ausschau halten müssen. Ein solcher Kandidat wäre der Abgeordnete Dr. Herbert Kohlmaier, vielleicht auch der Abgeordnete Dr. Alois Mock. Der ernstere mehr von .der fachlichem Eignung und Erfahrung her, der zweite mehr von der öffentlichkedtswirkung. Alle anderen Namen, die noch gelegentlich kolportiert werden, wären schon Kompromißlösungen, die nicht immer gut sein müssen.

Der Bundestag des ÖAAB dauert diesmal nur einen Tag, alles spitzt sich also auf die Obmann wähl zu. Der Generalsekretär .steht aller Voraussicht nach nicht zur Debatte. Es wäre zu wünschen, daß der wegen seines schweren Unfalles aktionstbehinderte Georg Prader nicht Opfer seiner Anhänger in dem Sinne wird, daß diese, wie angeblich beabsichtigt, mit Vier Pro-Prader- Rednem auf jedem Anti-Prader- Redner die der Wahl vorausigehende Diskussion umfuhktionieren. Das könnte nämlich den Sieg des starken Mannes sehr leicht ins Gegenteil verwandeln.

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