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„Die Nase voll“

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Der seltene Fall, daß ein Redner über spontanem Applaus wenig Freude empfand, ereignete sich ziemlich zu Beginn der letzten Semmeringtagung der österreichischen Volkspartei. Verteidigungsminister Dr. Prader kassierte solchen Beifall, als er einen geschickten Schachzug anbringien wollte und in seinem Diskussionsbeitrag zum Referat des Klubobmann-Vizekanzler-Generalsekretärs Dr. Withalm feststellte, er sei „nicht prinzipiell“ gegen eine Verkürzung der Wehrdienstzeit. Im weiteren Verlauf seiner Ausführungen („Ich bin da mißverstanden worden“) lehnte er eine Herabsetzung der Präsenzdienstzeit rtftidweg ab.

Nun hat zwar Dr. Withalm die Wehrpolitik nur gestreift, als er von der Notwendigkeit eines wehrpolitischen Konzepts der ÖVP sprach, der Verteidigungsminister aber hörte — wie Eingeweihte bestätigen — mit Recht eine gewisse Unzufriedenheit weiter ÖVP-Kreise mit manchen Zuständen im Bundesheer heraus. Sicher fanden sich unter jenen, die Dr. Prader zur Unzeit applaudierten, auch Interessienvertreter, die sich von einer Wehrdienstzeitverkürzung budgetmäßige Einsparungen und damit eine Vergrößerung des eigenen Anteils erhoffen, anderseits die Jungmänner, die lieber auf dem Acker oder in der Fabrik stehen wollen. Die Mehrzahl aber, die dem Bundesheer als Einrichtung sehr positiv gegenübersteht, gab einem weitverbreiteten Unbehagen Ausdruck.

Nun hat Minister Prader gute Gründe für seine Haltung. Soll das Heer nicht nur ein Ausbildungsheer, sondern auch ein Einsatzheer sein, danh dürfen die neun Monate Präsenzdienst nicht verringert werden. Im Bedarfsfälle würden nämlich in den Kasernen nur Jungmänner in Ausbildung, nicht aber — soweit der Ausdruck gebraucht werden darf — „alte Hasen“ vorhanden sein. Wie man am Franz-Josefs-Kai versichert, würde da und dort sogar Personal zur Wartung der Waffen und Geräte fehlen.

Gerade das Problem der ausgebildeten und lediglich auf Einsatzfälle wartenden Präsenzdiener aber ist der Grund des Unbehagens der anderen. Ein großer Teil der jungen

Burschen kommt mit einer durchaus positiven Einstellung zum Bundesheer. Diese ändert sich jedoch rasch, sobald die eigentliche Ausbildung zu Ende ist. Die Soldaten haben das begründete Gefühl, nicht ausgelastet zu sein, nicht gebraucht zu werden. Sie werden Objekt mehr oder minder sinnloser Beschäftigungstherapie. Wenn sie abrüsten, haben sie „die Nase voll“, um im Jargon zu bleiben.

Es wird daher in der Regierungspartei die Frage nach dem Ausbildungsheer nicht durchwegs verneint. Wenn sehen nicht offiziell, so wird doch in den Couloirs eine neue Präsenzdienstzeit von sechs Monaten ins Gespräch gebracht. Man glaubt, im Bedarfsfall die Mobilisierung der Ausgebildeten rasch genug durchführen zu können, da man da« kurzfristige Einrücken in regelmäßigen Waffenübungen ja proben könnte.

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