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OAAB gegen OVP?

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Was sich dem unbefangenen Beobachter beim 13. Bundestag des Arbeiter- und Angesteliltenbundes in der Vorwoche in Linz darbot, war nicht unbedingt geeignet, positive* Erinnerungen an ' den vorletzten ÖVP-Parteitag in Salzburg hervorzurufen. Dort war nämlich versucht worden, die Einigkeit der Volkspartei unter Berücksichtigung der bündischen Struktur „unter dem Primat der Gesamtpartei“ neu zu definieren.

Was allerdings in Linz in der Bruckner-Halle ablief, war der Parteitag einer völlig autonomen Arbeitnehmerpartei, verbrämt mit einigen Sätzen über den ideologischen Standort und über deren Beziehung zu christlich-sozialem Gedankengut Es gibt jetzt zwei Interpretationsmög-lidikedten: entweder es wurde unter der Regie der ÖVP-Bundesparteilei-tung eine große Show abgezogen, um neue Wählerschichten aus dem Arbeitnehmerbereich an sich zu ziehen, oder — und das ist leider wahrscheinlicher — die Teilorganisationen der ÖVP leben sich weiter auseinander.

Es ist bekannt, daß ÖAAB-Chef Alois Mock innerhalb der Partei schon seit geraumer Zeit nicht überall gleich beliebt ist. Vor allem bei den Spitzenfunktionären des Wirt-schaftsbundes mit Wirtschaftskammerpräsident Saliinger an der Spitze ist Mock schon längst in Ungnade gefallen. Denn die Wirtschaftsbosse sagen sich: Was nützt uns der größte Arbeitnehmerbund innerhalb der ÖVP, wenn er Interessen vertritt, die den Intentionen der Wirtschaftstreibenden diametral entgegenlaufen? Und was nützt uns der schönste ÖAAB, wenn dort sozialpolitische Gewerkschafter bestenfalls im stillen Kämmerlein träumen?

Die Wirtschaftsbündler haben aber in internen Gesprächen noch ein anderes, gewichtiges Argument zur Hand. Sie fragen: wir sollen also die Hauptlast der Finanzierung einer Partei tragen, in deren Schoß eifrig Linksüberholer-Argumente produziert werden? Und aus Kreisen von ÖVP-Funktionären hört man des weiteren, ÖAAB-Obmann Mock und seine Politik werde von der höchsten Parteispitze nur deshalb toleriert, weil es eben jetzt gilt, auf den verschiedensten Ebenen neue Wähler aus der großen Schichte der Arbeitnehmer zu gewinnen. Das reicht von den im Herbst stattfindenden Arbeiterkammerwahlen über Landtagswahlen und Nationalratswahlen bis zu den EundespräsidentenwaMen. Und was nimmt man nicht alles in Kauf, wenn es um die Macht im Staate geht.

Im Räume stehenbleibt aber der Begriff „Lintesüfoerholer“, der dem ÖAAB gilt und durchaus abwertend gemeint ist. Sieht man sich das Wort näher an, kann man damit eigentlich nichts anfangen. Denn es geht im Grunde doch gar nicht darum, ob sozialistische oder christlich-demokratische Arbeitnehmervertreter extremere Forderungen im Namen ihrer Mitglieder aufstellen, sondern vielmehr darum, ob es überhaupt möglich ist, in einer nichtsozialistischen Partei Arbeitgeber- und Arbeitnehmerinteressen in optimaler Weise miteinander zu vereinigen. Die Antwort kann nur sein: es ist solange sicher nicht möglich, als überall mit den üblichen versteinerten Begriffen und Begriffspaaren, wie Arbeit — Kapital, Arbeiter — Bürger, sozialistisch — konservativ, ja sogar schwarz — rot (alles ressentimentbeladen und negativ) gearbeitet wird. Es ist alber auch dann nicht möglich, wenn jede Gruppe, oder besser gesagt: jeder Bund innerhalb der Volkspartei vollkommen autonom arbeitet und regiert.

Schon räumlich gesehen — und das kann man ruhig symbolisch auffassen — sind die Kommandostände der drei Bünde über halb Wien verteilt: der Wirtschaftsbund residiert im ersten Bezirk in der Falkestraße, der Bauernibund zwanzig Gehminuten entfernt in der Nähe des Schwarzenbergplatzes in der Brucknerstraße und der AAB hat seine Zentrale im achten Bezirk in der Laudongasse, also wieder ganz woanders. Und das Parteihauptquartier der ÖVP ist schließlich in der Kärntnerstraße. Da nützt auch die zeitweise vielzitierte Achse der „jungen Löwen“ Mock (AAB) — Busek (Wirtschaftsbund) und Lanner (Bauerobund) wahrscheinlich nicht allzuviel. Denn von einer bündischen Achse Mock—Saliinger—Minkowitsch hat man noch nichts gehört. Eher von einem Bruch zwischen Mock und Saliinger.

Das getrennte Marschieren der drei Bünde ist die größte Gefahr für die Politik der ÖVP in den nächsten eineinhalb Jahren, in einer Zeit, da eine Wahl nach der anderen bevorsteht. Der Parteiführung ist es jedenfalls seit 1970 nicht gelungen, nach außenhin eine einheitliche Politik zu vertreten. Das Organ, von dem sich Optimisten eine kontinuierliche Oppositionspolitik erhofft hatten, der sogenannten 15er-Ausschuß, der als eine Art Schattenkabinett hätte gelten können, ist sanft entschlafen, weil niemand da war, der die 15 Mitglieder mit eiserner Hand zusammengehalten hätte.

Vielfach wurde in der Diskussion um die Politik des ÖAAB schon bezweifelt, ob Alois Mock immer die besten Berater um sich gehabt hat. Jetzt, nach dem Bundestag in Linz, kann man ruhig sagen: er hatte sie nicht. Denn wie sonst hätte in seiner großen Rede dort der ausgefeilte und wohlformulierte — und nicht zufällig hingestreute — Satz enthalten sein können: „In diesem (nach Auffassung Mocks dem ÖAAB vorgeworfenen) Lizitationsgesang trifft sich linke Agitation und großbürgerliche Eigensucht in der Ablehnung des menschenbezogenen sozialen Fortschritts“. Die Bemühungen Mocks und seiner Mitarbeiter, dem ÖAAB ein eigenständiges Image des nichtsozialistischen Arbeitnehmerbundes zu geben, sind gut gemeint. In Linz wurde aber aus Mangel an Fingerspitzengefühl sicher übers Ziel geschossen.

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