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Die Chance des Josef H.

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Der eben neu gewählte ÖAAB-Obmann Josef Höchtl hat den ÖVP-Öbmann-Kandidaten Erhard Busek dringend aufgefordert, auch einen ÖAAB-Vertreter in die vorgeschlagene Führungstroika aufzunehmen. Begründung: 85 Prozent der Wähler seien Arbeitnehmer, die künftigen Chancen der Volkspartei hingen also ganz entscheidend vom Votum der Arbeiter und Angestellten ab.

Was nicht zu leugnen ist. Jenseits der Frage, ob die Parteireform, die ausdrücklich die politischen Inhalte und die politische Persönlichkeit über bündische Machtinteressen stellt, spurlos an dem umtriebigen Klosterneuburger vorbeigegangen ist, bewegt vor allem die Frage, ob der derzeitige ÖAAB der Volkspartei eine Hilfe bei der Wahrnehmung dieser Chancen ist.

Was nicht bloß eine Anspielung auf die letzten Wahlergebnisse des ÖAAB ist, die (bei der Arbeiterkammerwahl 1989) bekanntlich durchaus mit dem Abwärtstrend der Gesamtpartei mithalten können. In Frage gestellt werden muß insbesondere, ob die politischen Positionen des ÖAAB für die Volkspartei hilfreich oder nicht längst eine Bürde sind. Mir will jedenfalls scheinen, daß das sture Verhalten des ÖAAB, wann immer es um seine Erbpachten ging, mit schuld an der verwaschenen Linie der ÖVP der letzten Jahre war. Weil der ÖAAB nicht mit sich über das Beamtendienstrecht reden ließ, konnte man auch nicht emsthaft über das ÖBB-Dienstrecht reden - und damit ist vorerst auch jegliche erfolgversprechende OBB-Reform gestorben. Nicht zuletzt wegen des ÖAAB-Dranges, die bessere Gewerkschaft zu sein, hat die ÖVP ihre Wirtschaftskompetenz eingebüßt.

Der jüngste ÖAAB-Streich, die Solidarisierung mit den Handelsangestellten bei der Ablehnung der Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten, wird wohl auch kaum dazu angetan sein, jene Arbeitnehmer anzusprechen, die allein eine erfolgversprechende Zielgruppe der Volkspartei der Zukunft sind: die gut ausgebildeten, leistungswilligen und aufstiegsorientierten, in Europa-Dimensionen denkenden Arbeitnehmer. Wenn diese derzeit die ÖVP wählen, dann sicher nicht wegen des ÖAAB, eher trotz ÖAAB.

Der Wirtschaftsbund der Volkspartei, der dieses Zukunftsdefizit des ÖAAB offensichtlich erkannt hat, versucht das durch seine Öffnung für diese Zielgruppe wettzumachen. Das ist verständlich, löst das Problem aber nicht wirklich: Solange die ÖVP in irgendeiner Form bündisch organisiert bleibt, muß die angestrebte neue, klare und moderne Politik von allen Teilorganisationen glaubwürdig vertreten werden.

Josef Höchtl hätte da, schon vom Lebensalter her, eine historische Chance. Wollen wir annehmen, daß der Rückfall ins bündische Mittelalter der Volkspartei nur im Überschwang des eindrucksvollen Ergebnisses seiner Wahl zum ÖAAB-Chef erfolgte, und Josef Höchtl künftig seine allseits bekannte Dynamik nicht zur Verteidigung überkommener Positionen einsetzen wird.

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