6841714-1975_48_04.jpg
Digital In Arbeit

Formtief kontra Image-Defekt

Werbung
Werbung
Werbung

Weltanschauungen spielen im Wahlkampf um die Stimmen von rund 180.000 Beamten nur eine geringe Rolle. Aus der Sicht der beamteten Wähler geht es bei den Personalvertretungswahlen am 30. November und 1. Dezember vorrangig um die Vertretung ihrer materiellen Interessen gegenüber dem öffentlichen Dienstgeber; weniger um einen Leistungslohn, von dem im Wahl-„Kampf“ sehr viel die Rede ist, als um die Zuwachsrate der Beamtengehälter ab 1. Juli 1976. Zehn Prozent fordert die Wahlgemeinschaft ÖAAB-FCG, angesichts der allgemeinen Wirtschaftslage ijund def spezifischen Budgetlage einjjsehr stolzer Satz, den zu akzeptieren weder Bundeskanzler Kreisky noch Finanzminister Androsch bereit sind. Die ÖVP-Wahlgemeinschaft kontert darauf, daß im Bundesbudget keine finanzielle Vorsorge für eine Erhöhung der Beamtengehälter getroffen wurde; daß demnach den Versprechungen des öffentlichen Dienstgebers unter keinen Umständen zu trauen ist.

Bei den letzten Personalvertretungswahlen im Jahre 1971 erreichten ÖAAB-FCG unter ihrem Obmann Gasperschitz fast zwei Drittel der Beamtenstimmen; die Fraktion Sozialistischer Gewerkschafter knapp 30 Prozent; gegenüber der FPÖ verhielten sich die Beamten äußerst zurückhaltend, sie verbuchte nicht einmal ein Dreißigstel der abgegebenen Stimmen. Damals stand die Wahl unter dem Eindruck des Wechsejs von einer absoluten ÖVP-zu einer absoluten SPÖ-Mehrheit im Parlament und in der Regierung. Mit Beispielen für eine „sozialistische Beamtenpolitik“ wurde Stimmung gegen die Sozialistische Gewerkschaftsfraktion gemacht. Diesem sehr defensiven Wahlkampf von ÖAAB-FCG war schließlich ein großer Erfolg beschieden.

Dazwischen liegt eine „Gewöhnungsphase“ von vier Jahren. Sozialistische Ressortverantwortliche haben erkannt, daß in der Beamtenrepublik Österreich Loyalität mehr zählt als das Bekenntnis zu einer politischen Partei. Die Zusammenarbeit zwischen den sozialistischen Ministern und den überwiegend ÖVP-nahen Beamten funktionierte auf der fachlichen Ebene reibungslos. Stimmte der Mechanismus des Vorrückens, dann machten die „schwarzen“ Beamten ihren „roten“ Ministern keine Schwierigkeiten. Natürlich gab es Bevorzugungen, natürlich sproßen — wie in anderen Zeiten auch — in den Ministersekretariaten „politische Beamte“, also Mitarbeiter, die sich Minister oft auch aus ihren Parteizentralen zu einem meist sehr guten Honorar holten.

Heute spielen SPÖ und die Fraktion Sozialistischer Gewerkschafter die Bedeutung der Personalvertretungswahlen stark hinunter. Finanzielle Zugeständnisse kann sich der Bund nicht leisten, die Frage der Arbeitsplatzsicherung spielt bei deh Beamten eine nur untergeordnete Rolle, womit könnte man die Beamten wirklich veranlassen, das Parteibuch zu wechseln? Da weder Regierung noch SP-Gewerkschaftsfraktion allen Beamten ein rascheres Vorrük-ken versprechen kann, müssen beide

Beamtengewerkschafter Gasperschitz: „Gewöhnungspause“ an SP-Minister?

Photo: Klomfar sich damit bescheiden, auch den Beamten Sicherheit und Kontinuität zu versprechen.

Allen Hypotheken des ÖAAB zum Trotz ist bei den Personalvertretungswahlen am 30. November und 1. Dezember ein Halten der Zweidrittelmehrheit gar nicht ausgeschlossen. Das liegt nicht nur am spezifischen Verhalten der Beamten, ihrer konservativen Grundhaltung, sondern auch daran, daß hierbei gegen einen sozialistischen „Arbeitgeber“ gewählt wird; daß die Fraktion Sozialistischer Gewerkschafter in dieser Situation quasi als „gelbe Gewerkschaft“ agiert, dazu verurteilt, der Regierung die Mauer zu machen. Dafür gibt es ein sehr triftiges Argument: In den letzten fünf Jahren blieben die Gehälter der Beamten hinter denen der Privatangestellten trotz Gehaltsdynamik ein wenig zurück. Es ist anzunehmen, daß dieses Atout bei den Personalvertretungswahlen stechen wird, obwohl auch mit einem Sieg für den ÖAAB noch nicht viel gewonnen ist. Die Möglichkeiten des ÖAAB liegen nämlich bei den Arbeitnehmern in der Privatwirtschaft. Bleibt er dort, so wie bisher, auf der Strecke, dann besteht auch für die ÖVP nicht viel Chance, wieder relative oder gar absolute Mehrheiten auf Bundesebene zu erringen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung