6891086-1979_46_04.jpg
Digital In Arbeit

Hinein in die Gewerkschaften!

19451960198020002020

Gesprächspartner ist diesmal der Nationalratsabgeordnete und ÖGB- Vizepräsident Johann Gassner, Bundesobmann der Fraktion Christlicher Gewerkschafter (FCG).

19451960198020002020

Gesprächspartner ist diesmal der Nationalratsabgeordnete und ÖGB- Vizepräsident Johann Gassner, Bundesobmann der Fraktion Christlicher Gewerkschafter (FCG).

Werbung
Werbung
Werbung

Ein steirischer OVP-Betriebsrat hat Ihnen vor einer Woche vorgeworfen, Ihre Aufgabe wäre es gewesen, OAAB und FCG einander näherzubringen; für den OGB- Vizepräsidentenposten hätten Sie diesen Auftrag verraten …

GASSNER: Dieser Vorwurf entsteht, weil nach vier verlorenen Nationalratswahlen auch viele Funktionäre und Mitglieder unserer Bewegung glauben, daß man sozialistische Organisationsformen, in diesem Fall also eine Parteigewerkschaft, nachahmen sollte. Nun habe ich immer die Meinung vertreten, daß OAAB und FCG dort, wo es sinnvoll und möglich ist, personalident auftreten sollten - also vor allem im betrieblichen Bereich und im Bereich der Fachgruppen und Sektionen. Aufgabe der FCG aber ist es, weit über die ÖVP-Mitglieder hinaus Arbeitnehmer für eine christlich motivierte Politik zu gewinnen. Deshalb sind wir auch um eine offensive Strategie bemüht, die sich an alle Menschen und Organisationen richtet, welche sich christlich nennen, aber heute nicht oder noch, nicht bereit sind, sich voll mit der ÖVP zu identifizieren.

Es wird immer wieder geklagt, daß so viele OAABler keine Gewerkschaftsmitglieder sind…

GASSNER: Rund 400.000 Arbeitnehmer sind in der ÖVP, 168.000 in der FCG organisiert.

Trotzdem kann man nicht einfach die FCG-Mitglieder abzählen, weil Sie ja doch auch Nicht- Volksparteimitglieder bei der FCG haben. Wieviele sind das eigentlich?

GASSNER: Schätzungsweise an die 20.000

Einem Appell der Siebzehner- Reformkommission an alle OVP- Größen aus Arbeitnehmerkreisen, demonstrativ der FCG beizutreten, wurde entgegengehalten, daß diese ohnehin alle bei der Gewerkschaft wären.

GASSNER: Stimmt nicht. Es wäre schon viel erreicht, wenn es irgend einen Beschluß der ÖVP- Führungsinstanzen gäbe, ÖVP- Ärbeitnehmer zum Gewerkschaftsbeitritt zu bewegen. Aber es geht nicht nur um Mitgliedschaft, sondern um Engagement. Wir machen wiederholt die Feststellung, daß sogar ÖVP-Funk- tionäre, die ihre Laufbahn in der Gewerkschaft begannen, sich später davon immer mehr entfernen, weil man dort selten etwas werden kann. Und ebenso wichtig wie das Gewerkschaftsbekenntnis führender ÖVP-Funktionäre wäre die Aufstellung von Gewerkschaftern als ÖVP-Kandida- ten.

Warum kommt man in der Betriebsarbeit nur so schleppend weiter? Wirtschaftsbundpräsi- ent Sallinger erklärte in dieser Interviewreihe, daß er seinen Mitgliedern immer wieder eine gewerkschaftsfreundliche Haltung empfehle.

GASSNER: Sallinger und anderen Spitzenleuten des Wirtschaftsbundes ist diese Haltung auch zu glauben. Aber viele Un-

temehmer teilen sie trotzdem nicht und bleiben gewerkschaftsfeindlich oder machen sich, wie es etwa bei der Firma Voith in St. Pölten der Fall ist, alle Anstellungen, Beförderungen und Kündigungen mit den sozialistischen Betriebsräten aus, so daß sich unsere Leute als Interessenvertreter nicht profilieren können.

Präsident Sallinger empfiehlt der FCG vor allem das weite Gebiet der Klein- und Mittelbetriebe, wo die gewerkschaftliche Organisation oft völlig fehlt. Besteht das

Problem dort nicht auch in relativer Interessenlosigkeit der Arbeitnehmer, die lieber direkt mit dem Betriebsinhaber als über die Gewerkschaft mit diesem verhandeln?

GASSNER: Das trifft sicher in vielen Fällen zu. Hier gehört Aufklärungsarbeit geleistet. Man muß klarmachen, daß Betriebsratswahlen auch einen bedeutenden überbetrieblichen Effekt haben. Die Fraktion Christlicher Gewerkschafter ist in der Gesamtgewerkschaft nur so stark, wie sie bei Betriebsrats- und Personalvertretungswahlen stark gemacht wird.

Gibt es oder gibt es nicht das oftzitierte Arbeitsteilungsabkommen zwischen OAAB und FCG, das dem OAAB angeblich die Bildung eigener Betriebsgruppen verbietet?

GASSNER: Es gibt ein uraltes mündliches Abkommen Alten- burger/Maleta, von dem keine schriftliche Ausfertigung vorzufinden ist, wonach der ÖAAB sich auf die Arbeiterkammerwahlen und die FCG sich auf die Betriebsratswahlen konzentrieren soll. Nirgendwo ist gesagt worden, daß der ÖAAB keine Betriebsgruppen gründen dürfe.

Geht es aber letztlich nicht weniger um Fragen der Organisationsstruktur, sondern darum, daß die OVP eine glaubwürdigere Politik für die Arbeitnehmei- machen muß?

GASSNER: Natürlich. Den Sozialisten ist es gelungen, traditionelle Begriffe der christlichen Gewerkschaftsbewegung wie Vermögensbildung, Mitbestimmung, Beteiligung usw. mit Inhalten ihrer Ideologie zu besetzen. Ich habe konkret dieser Tage bei der Budgetdebatte im Nationalrat eine Änderung des Lohnsteuer- und des Gewerbesteuerrechtes verlangt, damit endlich eine Un- temehmensbeteiligung von Arbeitnehmern ohne steuerrechtliche Nachteile und ohne Verlust des Arbeitnehmerstatus verwirklicht werden kann.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung