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Nicht herausreißen, sondern mitreißen!

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Die Schlagzeilen, die der Skandal rund um den Neubau des Wiener Allgemeinen Krankenhauses auch der internationalen Presse lieferte, haben uns einen eher unrühmlichen Ruf im heurigen Sommer eingetragen. In einem anderen Fall aber gelten wir im positiven Sinn als internationales Vorbild: in unserem Verhalten gegenüber den streikenden A rbeitern in Polen. A uch davon nimmt man im A usland Notiz, mehr jedenfalls als in Österreich selbst.

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Die Schlagzeilen, die der Skandal rund um den Neubau des Wiener Allgemeinen Krankenhauses auch der internationalen Presse lieferte, haben uns einen eher unrühmlichen Ruf im heurigen Sommer eingetragen. In einem anderen Fall aber gelten wir im positiven Sinn als internationales Vorbild: in unserem Verhalten gegenüber den streikenden A rbeitern in Polen. A uch davon nimmt man im A usland Notiz, mehr jedenfalls als in Österreich selbst.

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Der Aufruf des amerikanischen Präsidenten Jimmy Carter, nun den wirtschaftlich bedrängten Polen koordinierte Wirtschaftshilfe ängedeihen zu lassen, mag als Bestätigung dafür gelten, daß die langjährigen österreichischen Bemühungen um intensive Wirtschaftsbeziehung mit Warschau zum gegenseitigen Nutzen vorausschauend und notwendig waren.

In diesem Sinn könnte auch unser jüngstes Abkommen mit Polen als Vorbild gelten: Wir gewähren Polen einen ungebundenen Kredit in der Höhe von 300 Millionen Dollar und erhalten dafür polnische Kohlelieferungen zugesichert.

Vorbildlich waren auch für viele die besonnenen Stellungnahmen von Bundeskanzler Bruno Kreisky zu den Ereignissen in Polen, der nicht in Euphorie verfiel, sondern sein „banges Gefühl" offen aussprach. Vor allem die Bonner Opposition hielt dem deutschen Bundeskanzler Helmut Schmidt das Kreisky-Beispiel vor.

Noch mehr Echo in der internationalen Presse fand freilich eine Solidaritätsaktion österreichischer Christgewerkschafter: Am 28. August überreichten sie in der Danziger Lenin-Werft dem polnischen Streikführer Lech Walesa eine 150.000-Schilling-Spende.

Diese Nachricht und das Foto, auf dem Walesa mit dem Banknotenbündel seinen Arbeitern zuwinkte, ging um die Welt. Hierzulande ging das Ereignis im Trubel der AKH-Ereignisse fast unter.

Diese 150.000 Schilling haben auch einen symbolischen Wert. „Unser Geld, unsere Aktion", ist sich der Bundessekretär der Fraktion Christlicher Gewerkschafter (FCG), Günther Engelmayer, durchaus bewußt, „reißt die polnischen Arbeiter nicht heraus, aber sie hat andere mitgerissen."

Dem Beispiel dieser österreichischen Solidaritätsaktion folgend, haben jetzt auch andere Gewerkschaften namhafte Geldbeträge überwiesen, etwa die US-Metallarbeitergewerkschaft (umgerechnet) 1,5 Millionen Schilling.

Jetzt liegt allerdings bereits die Erklärung Walesas vor, daß „jede Hilfe willkommen ist". Bei den Christgewerkschaftern rund um FCG-Obmann Hans Gassner bedurfte es dieses Anstoßes nicht.

Sie gingen schon in die ÖGB-Präsi-diumssitzung vom 26. August mit dem Vorsatz, daß es einfach nicht genügen kann, auf den „weichen Sesseln hier in Wien" (Gassner) verbale Solidarität zu bekunden.

Doch über mehr als eine gemeinsame Resolution konnte man sich mit den SPÖ-Vertretern im ÖGB-Präsidium nicht einigen. ÖGB-Vizepräsident Alfred Daliinger erklärt die ablehnende Haltung der Mehrheitsfraktion gegenüber einer Geldspende zu diesem Zeitpunkt damit, daß „wir den ideellen Charakter der Solidaritätserklärung nicht durch Geld beeinträchtigen wollten".

Als ÖGB wollte man nicht in Erscheinung treten. Dallinger: „Wenn eine Fraktion so etwas macht, ist das eine andere Sache."

Und so entschlossen sich die Christgewerkschafter am 27. August um 9 Uhr zum Alleingang: die polnischen Arbeiter sollten mit einer Geldspende unterstützt werden.^

FCG-Zentralsekretär Hans Klinger schlug 100.000 Schilling vor, die niederösterreichischen FCGIer legten weitere 50.000 Schilling dazu.

Dann ging es Schlag auf Schlag: ein Aviso an die Bank, Flugtickets und hektische Telefonate. Eine Rückfrage beim Außenministerium ergab keine Bedenken, so die Devisenbestimmungen eingehalten würden und es die Christgewerkschafter unterließen, in offiziellen Kontakt mit der österreichischen Botschaft in Warschau zu treten.

Man wußte aber um die Probleme, die sich ergeben könnten. „Es sollte nicht der Eindruck entstehen", faßt Engelmayer die Bemühungen zusammen, „daß offizielle Stellen Österreichs mit dieser Aktion etwas zu tun haben. Wir haben immer Wert auf die Feststellung gelegt, daß es sich um einen Akt internationaler gewerkschaftlicher Solidarität handelt und um keine politische Aktion. Wir wollten und wollen uns nicht in die inneren Angelegenheiten Polens einmischen."

Noch am Abend des 27. August traf die aus Bundessekretär Engelmayer, dem niederösterreichischen Arbeiterkammer-Vizepräsidenten Hubert Auer und dem Postgewerkschafter Franz Hnatusko bestehende FCG-Delegation in Danzig ein.

Zum Zusammentreffen mit Lech Walesa und zur Ubergabe der Spende kam es dann am nächsten Morgen. Die große Werfthalle, in der sich die streikenden Arbeiter versammelt hatten, war zum Bersten voll. „Man konnte die Hand kaum vor den Augen sehen, die Luft war zum Schneiden", berichten die Teilnehmer.

Engelmayers Solidaritätsadresse wurde von den Arbeitern mit rhythmischem Beifall begleitet, die Spendenüberreichung mit freudigem Jubel begrüßt.

„Lech Walesa hat mich umarmt, er hat sich ehrlich gefreut und bedankt", erinnert sich Engelmayer an diese Szene. Den nachhaltigsten Eindruck hinterließ aber ein Wort, das Walesa in Deutsch mehrmals wiederholte: „Zusammenarbeit".

Mit diesem Wunsch kehrten die Christgewerkschafter nach Österreich zurück und gründeten nun gemeinsam mit der Katholischen Arbeitnehmerbewegung und der Arbeitsgemeinschaft Katholischer Verbände ein „Solidaritätskomitee für politische Arbeiter" mit dem Ziel, Sympathie und Spenden zu sammeln. Beides braucht die junge unabhängige Gewerkschaftsbewegung in Polen.

In den nächsten vierzehn Tagen sollen konkret weitere Schritte für eine Zusammenarbeit überlegt werden. Immerhin wurden bereits innerhalb kurzer Zeit weitere 60.000 Spendenschillinge gesammelt.

Und auch die sozialistischen Gewerkschafter wollen künftig eine Aktion starten. „Wie und in welcher Form, das möcht' ich noch offenlassen", weicht aber Dallinger konkreten Fragen noch aus.

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