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Sieg auf lange Sicht

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Lech Walesa ist „SolidarnoSc“. Seine jetzt auf Deutsch vorliegende Autobiographie „Ein Weg der Hoffnung“ macht das deutlicher als jede noch so gute Analyse über die unabhängige polnische Gewerkschaftsbewegung. Der politische Weg von „Solidarnosc“ mündete in eine Sackgasse. Walesa bezeugt aber, sichtlich müde geworden, daß in vielen Polen so etwas wie die Idee von Solidarität weiterlebt.

Der Friedensnobelpreisträger 1983 zieht keine vordergründige Bilanz; er versucht, sich — auch vor seinem Gewissen — zu rechtfertigen. Besonders seine Führungsrolle bereitete und bereitet ihm Schwierigkeiten. „Instinkt und Gottvertrauen“, sagt Walesa, haben sein Handeln bestimmt und gleichzeitig sein Leben von größeren Katastrophen ferngehalten.

Erfolg und Niederlage sind für Walesa auf diesem Hintergrund „eine Art Pacht“, vorübergehend zur Nutzung gegeben. Eine Einstellung, die dem Arbeiterführer nicht nur Sympathien eingetragen hat. Nicht falsche Melancholie, sondern echte Wehmut durchzieht die Überlegungen Walesas. „Das Schicksal“, sagt er, ohne einem Fatalismus das Wort zu reden, „überhäuft mich seit einiger Zeit mit Gutem; aber es gab auch schwere Zeiten. Alles kann sich wieder ändern. Ich weiß nicht, wann sie mir eine Kugel in den Kopf jagen oder mich erwürgen werden. Was mag noch auf mich zukommen? Ich rechne mit allem.“

Wer tiefschürfende Überlegungen und glasklare politische Perspektiven erwartet, wird von dieser Autobiographie sicherlich enttäuscht. Auch der, der sensationelle Einzelheiten über jene dichte Zeit erwartet, in der ein „Sieg“ der „Solidarnosc“ so greifbar nahe schien.

Walesa stellt sich einmal mehr als ein Mann mit gesundem Hausverstand vor, dem es - auf der Basis von unterschiedlichen Strömungen und Meinungen innerhalb der Gewerkschaftsbewegung - darum ging, zu einem Kompromiß mit der kommunistischen Staatsmacht zu gelangen, um „Solidarnosc“ als „eine große, unabhängige und nicht der Partei untergeordnete Kraft in die politische Landschaft Polens einzufügen“.

Walesas Kompromißbereitschaft wurde von der Staatsmacht beinhart ausgenützt. Und die Demonstration der Stärke der Staatsmacht war—so Walesa heute - nicht zu verhindern.

War damit „Solidarnosc“ gescheitert? Walesa betont, daß mit dieser Bewegung Polen aus seiner Lethargie erwacht sei, und daß die berühmten „500 Tage“ weiterhin „Fundament der polnischen Hoffnung“ seien - trotz des 13. Dezember 1981.

Die Autobiographie Walesas endet mit dem Märtyrertod des polnischen Kaplans Jerzy Popie-luszko; und verbindet dieses Ereignis mit der Frage nach einem politischen Mittel, um auf das, was seit dem Dezember 1981 geschehen ist, ,4n der Weise zu antworten, daß man die Fäden einer Geschichte, die fünfhundert Tage zuvor begonnen hatte, wiederaufnimmt“. Den Theoretikern der Ausweglosigkeit hält Walesa die weltweiten Veränderungen entgegen, an denen auch Polen nicht vorübergehen könne.

Polen zwischen Stillstand und Demokratisierung: für Walesa besteht immerhin die Möglichkeit, daß ein von der Staatsmacht eingeleiteter Demokratisierungsprozeß die legitimen Rechte der Arbeiter anerkennt und die Mitwirkung der Kirche unterstützt, was „auf lange Sicht vielleicht unseren Bestrebungen entsprechen und die Danziger Vereinbarungen mit Leben erfüllen“ wird, fmg

EIN WEG DER HOFFNUNG. Von Lech Wa-leia. Verlag Paul Ziolnay, Wien, Hamburg 1M7.442 Seiten. öS 280.-.

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