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Alternative zu Sozialismus

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Von 1945 bis 1975 war er Bundesobmann der Fraktion christlicher Gewerkschafter, ebenso lange Abgeordneter zum Nationalrat, in der Regierung Figl zwischen 1947 und 1949 auch Minister ohne Portefeuille: Erwin Altenburger. Wie sieht der große alte Mann der christlichen Gewerkschaftsbewegung die heutige Situation? Er schildert die christlichen Gewerkschaften als Alternative zum Sozialismus. Es gibt aber auch, ob es einem paßt oder nicht, Arbeiter, die Sozialisten und Christen sein möchten. Ihrer wird in dem Beitrag „Schwarz auf Rot” auf dieser Seite gedacht.

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Von 1945 bis 1975 war er Bundesobmann der Fraktion christlicher Gewerkschafter, ebenso lange Abgeordneter zum Nationalrat, in der Regierung Figl zwischen 1947 und 1949 auch Minister ohne Portefeuille: Erwin Altenburger. Wie sieht der große alte Mann der christlichen Gewerkschaftsbewegung die heutige Situation? Er schildert die christlichen Gewerkschaften als Alternative zum Sozialismus. Es gibt aber auch, ob es einem paßt oder nicht, Arbeiter, die Sozialisten und Christen sein möchten. Ihrer wird in dem Beitrag „Schwarz auf Rot” auf dieser Seite gedacht.

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An der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert wies Papst Leo XIII. nicht nur darauf hin, daß die bestehende Gesellschaftsordnung der Auflösung zustrebe, sondern vor allem auch darauf, daß dem sich ausbreitenden Marxismus eine Alternative entgegengestellt werden müsse.

Die Enzyklika „Rerum novarum” wurde Grundlage zur Bildung der christlichen Gewerkschaften. Die Erfolge in Deutschland waren auch Anlaß zur Gründung der christlichen Gewerkschaften in Österreich. Parteiunabhängig und interkonfessionell, stellten sie sich das Ziel, nicht nur wirtschaftliche Interessen zu vertreten, sondern auch die Verwirklichung der Grundsätze des Christentums zu erstreben.

Ohne dieser Voraussetzung wäre 1945 eine gemeinsame Gewerkschaftsbewegung nicht zustandegekommen. Für eine Mitarbeit im österreichischen Gewerkschaftsbund (ÖGB) war für die christlichen Gewerkschafter Uberparteilichkeit und Ausklammerung des Kultur- wie Klassenkampfes eine unabdingbare Voraussetzung. Nur die Erfüllung dieser Forderung konnte den Verzicht auf eine Reaktivierung der ehemaligen christlichen Gewerkschaften rechtfertigen und die Grundlage für eine gemeinsame wirtschaftliche Interessenvertretung für alle Arbeiter, Angestellten und Beamten gefunden werden. Nur auf dieser Basis konnte der ÖGB sich zu einem ruhigen Pol im öffentlichen Leben entfalten, als erfolgreicher Sozialpartner wirken und eine verantwortliche Politik der Gewerkschaften für den gesamten Staat sicherstellen.

Der ÖGB ist ein Verein, dessen Mitglieder auch Träger einer Weltanschauung sind, die der ÖGB nicht beeinflussen darf. Die Mehrheit der Mitglieder erstrebt eine sozialistische Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung. In dieser ist Religion bestenfalls Privatsache, der Materialismus Richtschnur des Lebens.

Ich habe daher die Fraktion christlicher Gewerkschafter aus der Überzeugung heraus gegründet, daß eine Notwendigkeit besteht, das geistige Gut der ehemaligen christlichen Gewerkschaften zu aktivieren und für jene Mitglieder des ÖGB, die sich aktiv für eine menschengerechte Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung einsetzen, Wirkungsmöglichkeiten im ÖGB und in der Öffentlichkeit ab- zusichem.

Sicher war die Gründung der Fraktion christlicher Gewerkschafter (FCG) nicht umbestritten. Vor allem die Ablehnung einer parteipolitischen Bindung und ihr Bekenntnis zur Eigenständigkeit erweckte manchen Widerspruch und man prophezeite ihr baldiges Ende. Doch am 2. Bundeskongreß des ÖGB trat die Gruppierung bereits als Fraktion christlicher Gewerkschafter auf und wurde bald eine Realität, ohne die es keine gemeinsame Gewerkschaftsbewegung mehr geben konnte.

Heute ist die FCG je nach ihrer aus den Betriebsratswahlen sich ergebenden Stärke in den Fachgewerkschaften verankert, im Präsidium des ÖGB vertreten und hat im öffentlichen Leben wie auf internationaler Ebene volle Anerkennung gefunden.

Doch die FCG kann als Alternative nicht im Getto leben. Sie muß Bewegung sein, sie muß Überzeugungskraft haben und sich ausbreiten können, muß inner- und außerhalb des ÖGB initiativ sein und darf sich nicht mit einer falschen Optik begnügen!

Dazu ist notwendig, daß alle zuständigen Stellen die Eigenständigkeit der Fraktion im ÖGB anerkennen. Der ÖAAB muß sich bemühen, den Zustand zu ändern, daß fast die Hälfte seiner Mitglieder außerhalb der Gewerkschaften steht und damit ein Hindernis ist, daß die FCG einen stärkeren Einfluß ausüben kann.

Dazu ist notwendig, der zentral aufgebauten sozialistischen Fraktion auch eine zentrale Organisationsform der FCG gegenüberzustellen. Eine christlich konzipierte Gesellschaftsund Wirtschaftsordnung kann sich nicht nach Bundesländern staffeln und nach Ansichten einzelner Personen aufgebaut werden.

Dazu ist notwendig, daß man der FCG ohne Bindung an eine politische Partei angehören kann und daiß die christlichen Gewerkschafter auch ohne ÖAAB- und öVP-Punze wissen, was sie zu tun haben.

Dazu ist notwendig, daß Initiativen und Standpunkte der FCG in Hörfunk und Fernsehen sowie in der Presse entsprechende Berücksichtigung finden, die Öffentlichkeit mit den Aufgaben der FCG vertraut gemacht wird und in den Kurs- und Bildungseinrichtungen die FCG nicht Fremdwort ist.

Die FCG muß als eigenständige Institution glaubhaft sein und das Entstehen des Eindrucks verhindern, daß in ihr persönliches Machtstreben einen Unterschlupf findet.

Die FCG muß in ihrer Struktur sichtbar eine Repräsentanz der Arbeiter, Angestellten und Beamten und ihre Funktionäre sollen womöglich auch in der praktischen Gewerkschaftsarbeit bewandert sein.

Wir stehen nicht vor der Wende eines Jahrhunderts, sondern am Beginn eines neuen Jahrtausends. Die FCG muß sich bewußt sein, daß wir unser Augenmerk nicht nur der Frage der Arbeitsplatzsicherung, der sozialen Sicherheit und dem Tagesablauf der wirtschaftlichen Interessenvertretung zuwenden dürfen, daß vor uns nicht nur die Frage des Er-, sondern auch des Überlebens steht und daß wir auch die Aufgabe haben, das Gewissen der Menschheit wachzurufen, daß Friede, Freiheit und Gerechtigkeit nur dann eine Chance haben, wenn der Mensch eine Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung aufbaut, die dem Willen des Schöpfers entspricht.

Gründung und Bestand der FCG haben nur dann eine Berechtigung, wenn die Fraktion souverän als Alternative der sozialistischen Fraktion im ÖGB gegenübersteht und als weltanschauliche Gemeinschaft den Weg auch zu jenen Gütern ebnen hilft, die als bleibende Werte jenseits des Materialismus Bestand haben.

Bereits Weinberger und Böhm haben darüber Gespräche geführt, daß nach Bewährung des ÖGB politische Betriebsorganisationen überflüssig sind. In späterer Folge war es auch Raab, der dafür eintrat, die Betriebe von der Parteipolitik freizuhalten.

Während Johann Böhm die sozialistischen Betriebsorganisationen zurückdrängte und nach Möghchkeit ihre Funktionäre für eine Mitarbeit im ÖGB gewann, konnte sich Lois Weinberger im ÖAAB nur teilweise durchsetzen. In späterer Folge waren die Betriebsorganisationen des ÖAAB vor allem eine Sammlung von außerhalb der Gewerkschaft stehenden Mitgliedern, oder es waren persönliche Motive von ÖAAB-Funktio- nären maßgebend, die einen Einbau in den ÖGB bzw. die FCG ablehnten.

Auch Alfred Maleta als Bundesobmann des ÖAAB trat für eine klare Trennung der Aufgabengebiete ein, und der Bundesvorstand des ÖAAB beschloß, daß die Arbeiterkammern als politische Einrichtungen in das Aufgabengebiet des ÖAAB fallen, die Betätigung in den Betrieben der FCG zustehen sollten.

Es ist zwiespältig, auf der einen Seite gegen eine parteipolitische Tätigkeit der Sozialisten im Betrieb aufzutreten und anderseits eine parteipolitische Arbeit als ÖAAB-Betriebs- organisation zu betreiben. Das Bestreben der FCG muß es sein, die Möglichkeit zu haben, einheitlich und zentral in allen Betrieben als Liste christlicher Gewerkschafter zu werben und zu verhindern, daß die Betriebe zum Exerzierfeld der politischen Parteien werden.

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