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Wer hat Angst vor Urwahlen?

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Im Schatten des in seinen letzten Zügen liegenden Wahlkampfs hat die Länderkonferenz der „Gewerkschaft öffentlicher Dienst“ letzte Woche an einem heißen Gewerkschafts-Eisen gerührt: an der Urwahl. Erhoben wurde die Forderung nach Urwahl (Wahl auch der obersten Gewerkschafts-Gremien durch alle Mitglieder und nicht durch Wahlmänner) von der „Fraktion Sozialistischer Gewerkschafter“ (FSG), die nur in dieser einen Fachgewerkschaft in der Minderheitsposition ist.

Die im öffentlichen Dienst dominierende „Fraktion Christlicher Gewerkschafter“ (FCG) unter Bundesrat Rudolf Sommer reagierte prompt: Ja zur Urwahl, aber im gesamten Gewerkschaftsbund! Also auch in den 15 anderen Fachgewerkschaften, in denen die Sozialisten längst über die Mehrheit verfügen und Urwahlen hätten beschließen können. Lediglich in den Fachgewerkschaften der Gemeindebediensteten, der Eisenbahner und der Postbediensteten gehören Urwahlen zur bereits geübten Praxis.

Rudolf Sommer steht dem Instrument der Urwahl erwartungsvoll gegenüber: „Es wäre dies die einzige Möglichkeit die Stärke der Minderheitsfraktion zu dokumentieren ... im ÖGB im positiven Sinn, in unserer Gewerkschaft im negativen Sinn.“ Daß die FSG auf gesamtgewerkschaftlicher Ebene überrepräsentiert ist, dürfte nicht unbekannt sein. Von 62 Mitgliedern des ÖGB-Bundesvor-standes gehören nur acht (bzw. 13 Prozent) der FCG an, 49 Mitglieder aber sind Sozialisten.

Bedenkt man, daß bei den letzten Arbeiterkammerwahlen auf die ÖAAB-FCG-Fraktion immerhin 29,1 Prozent der Stimmen entfielen, so ist es wohl nur schwer vorstellbar, daß nur 13 Prozent der Gewerkschaftsmitglieder sich zur FCG bekennen.

Aber auch in der „Gewerkschaft öffentlicher Dienst“ würde eine Urwahl nur der FCG-Fraktion nützen, meint Rudolf Sommer. Sein Argument: Erst seit 1967 gibt es im öffentlichen Dienst Bundes-Personalver-tretungswahlen. Für die Bediensteten der Landesverwaltungen wurden ungefähr zur selben Zeit die gesetzlichen Voraussetzungen für Personalvertretungswahlen geschaffen. Bis zu diesen ersten Wahlen im öffentlichen Dienst waren aber, so Sommer, sämtliche Gewerkschafts-Gremien paritätisch besetzt.

Erst nach und nach habe man eine Gewichtsverschiebung zugunsten der FCG vorgenommen*. Aber selbst heute seien die Sozialisten immer noch stärker vertreten, als es den Personalvertretungswahlen entspräche, meint Sommer. Aus diesem Grund beschloß die Länderkonferenz letzte Woche gegen den Widerstand der Sozialisten, daß alle Landespräsidien in Hinkunft einen zusätzlichen stellvertretenden Vorsitzenden bekommen sollen: eine Bestimmung, die in allen Ländern, mit Ausnahme von Kärnten, den

Christlichen Gewerkschaftern nützt. Sollte es wirklich zu Urwahlen kommen, wäre es denkbar, daß die Gewerkschafts-Urwahl für den öffentlichen Dienst mit den Personalvertretungswahlen zusammengelegt würde: Auf gesamtgewerkschaftlicher Ebene müßte es ähnlich wie bei der Arbeiterkammer-Wahl einen bundeseinheitlichen Wahltermin geben: „Wir möchten's nur in der technischen Abwicklung etwas demokratischer haben als die Arbeiterkammerwahl“, meint Sommer.

Nicht nur die Urwahl-Forderung wird in nächster Zeit die „Gewerkschaft öffentlicher Dienst“ etwas stärker ins Blickfeld der Öffentlichkeit rücken. Mit der Nationalrats-Wahl ist nämlich für die Gewerkschafter aus Rudolf Sommers Reihen das Wahljahr noch lange nicht vorbei. Am 28. und 29. November gibt es Bundes-Personalvertretungswahlen.

Von den rund 450.000 im öffentlichen Dienst Beschäftigten, zählen fast 290.000 zum Bund, jeweils rund 70.000 sind Landesbedienstete Und Lehrer, der Rest entfällt auf öffentliche Körperschaften.

In den Wahlkampf will Rudolf Sommer mit einem auf die Erhaltung und Stärkung des Berufsbeamtentums und auf einzelne benachteiligte Gruppen (Frauen, Pensionisten) zugeschnittenen Programm eintreten. Für die Pensionisten möchten die Gewerkschafter eine gerechtere Beteiligung an neu hinzukommenden Zulagen und sonstigen Begünstigungen erreichen. Frauen sollen in Hinkunft nicht nur als Vertragsbedienstete, sondern auch als pragmatisierte Beamte einer Teilzeitbeschäftigung nachgehen können.

Insbesondere geht es den Gewerkschaftern um das Zurechtrücken des Beamtenbildes in der Öffentlichkeit - immer wieder sei eine falsche Optik entstanden. Es gebe zwar kaum einen Lebensbereich, in dem nicht der öffentliche Dienst gegenwärtig wäre: „Wir sind aber anderseits sicher nicht diejenigen, die für die absolute Verwaltung des Menschen eintreten“, formuliert Pressesprecher Günther Engelmayer.

Ständiges Anliegen der „Gewerkschaft öffentlicher Dienst“, die mit 185.000 Mitgliedern die viertstärkste Fachgewerkschaft ist, sei auch die Verwaltungsreform. Konkret: Dezentralisierung, mehr Eigenverantwortung, Vereinfachung der Verwaltung, Verkürzung des Instanzenweges.

Den Taus-Vorschlag, jährlich ein Prozent des natürlichen Abganges im öffentlichen Dienst nicht nachzube-setzen, hält Sommer in vielen Teilbereichen für durchaus realisierbar: „Ich würde das nur begrüßen.“

Vor vier Jahren brachte es die FCG bei den Bundes-Personalvertre-turfgswahlen auf 62,5, die FSG auf 32,8 Prozent. Diesmal, meint Sommer, sei es das Ziel, diese „Mehrheit voll zu halten. Das wäre unser größter Erfolg nach neun Jahren SPÖ-Regie-rung“.

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