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Die FCG ist konsolidiert

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Robert Lichal, einziger Kandidat für die Wahl des Vorsitzenden der christlichen Gewerkschafter am 7. Dezember, gibt sich reserviert gegenüber Privatisierungsplänen der ÖVP.

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Robert Lichal, einziger Kandidat für die Wahl des Vorsitzenden der christlichen Gewerkschafter am 7. Dezember, gibt sich reserviert gegenüber Privatisierungsplänen der ÖVP.

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FURCHE: Vor zehn Jahren stand die Fraktion Christlicher Gewerkschafter (FCG) im österreichischen Gewerkschaftsbund (ÖGB) vor einer Zerreißprobe. Zwei Kandidaten kämpften um die Nachfolge Erwin Altenbur-gers als Fraktionsvorsitzender. Dabei ging es auch um die grundsätzliche Frage: mehr Bindung an die ÖVP oder aber größere Distanz und mehr Betonung der Eigenständigkeit. Umso überraschender, daß die Nominierung Robert Lichals zum FCG-Vorsit-zenden fast einstimmig erfolgt ist.

ROBERT LICHAL: Die Fraktion hat sich seither konsolidiert, sie ist selbständig und parteiunabhängig geblieben. Das ist in erster Linie das Verdienst ihres verstorbenen Obmanns Hans Gassner. Er hat dafür gesorgt, daß die FCG weder eine Parteiorganisation geworden ist, noch daß sie in ständiger Konfrontation mit der 0 VP lebt. Die FCG steht heute in einem freundschaftlichen Verhältnis zur Volkspartei, die ja ihr christliches Gedankengut im Parlament vertritt.

FURCHE: Also ist es nach wie vor möglich, daß die christlichen Gewerkschafter gegen die Parteilinie der ÖVP Forderungen erheben?

LICHAL: Eine Gewerkschaftsfraktion hat ganz andere Argumente im Auge zu behalten als eine Partei. Die FCG muß daher im Interesse des Arbeitnehmers oft auch zu anderen Auffassungen gelangen. Gerade das ist ja die Kritik der christlichen Gewerkschafter an den sozialistischen Gewerkschaftern im ÖGB, daß diese in den letzten Jahren vielfach die Interessen der Genossen in der Regierung vor die Interessen der Kollegen in den Betrieben und Dienststellen gestellt haben.

FURCHE: Die FCG hat dem Finanzminister vor einigen Monaten eine Petition überreicht, in der eine Steuerreform, sprich Lohnsteuersenkung gefordert wird. Der Finanzminister will davon nichts wissen.

LICHAL: Die sozialistische Regierung hat ihr Versprechen, konkret die Regierungserklärung von

1983 gebrochen, in der eine solche Steuerreform ehestens, also für

1984 oder 1985, angekündigt wurde...

FURCHE: ... in der Regierungserklärung wurde eine Steueranpassung versprochen...

LICHAL:... das heißt so viel wie das Versprechen, den Steuerdruck zu mildern. Als Arbeitnehmervertreter muß ich sagen: der Steuerdruck steigt ins Unermeßliche. Für das Budgetjahr 1986 sind Mehreinnahmen aus der Lohnsteuer von elf Milliarden Schilling eingeplant, das sind über zwölf Prozent mehr gegenüber 1985. So gesehen ist es eine Lüge, wenn die Regierung behauptet, für das nächste Jahr keine weiteren Belastungen im Köcher zu haben.

Ohne eine Steuerreform wird die Progression immer steiler. Frühere kleine Einkommensbezieher fallen heute steuerlich in die mittlere Einkommensstufe, wer früher mittlerer Einkommensbezieher war, findet sich heute steuerlich in der hohen Einkommensstufe.

FURCHE:Bleibt als einzige Alternative für die gewerkschaftliche Lohnpolitik eine radikale Steuersenkung. Wer soll die bezahlen?

LICHAL: Sicher müssen einige Milliarden Schilling dafür flüssiggemacht werden. Aber bitte: die Müliarden sind ja auch für die

Sanierung der CA-Betriebe und für die verstaatlichte Industrie vorhanden, und davon ist nur ein Teil der Arbeitnehmer betroffen.

FURCHE: Stichwort Uberstunden. Im FCG-Programm steht etwas von umfassender Solidarität, die auch Arbeitslose miteinschließt. Uberstunden stärker besteuern, sagt nun der Sozialminister, dann werden weniger Uberstunden gemacht und neue Arbeitsplätze geschaffen.

LICHAL: Ich stehe auf dem Standpunkt, daß zusätzliche Leistung steuerlich nicht bestraft werden darf.

Aus meiner langjährigen Erfahrung in der Gewerkschaft öffentlicher Dienst weiß ich allerdings, daß man gerade in dieser Frage sehr genau differenzieren muß. Die Straßenwärter werden im Winter gezwungen, Uberstunden zu machen, weil für die Schneeräumung allein kein zusätzlicher Dienstposten geschaffen wird. ,

Was anderes ist es dort, wo im öffentlichen Dienst regelmäßig bis zu 40 Uberstunden in der Woche geleistet werden, also in einem Ausmaß, das dem Menschen eigentlich nicht mehr zuträglich ist. Es kann nicht Anliegen der FCG sein, solche Fälle zur Regel zu erheben.

FURCHE: Also ein Plädoyer für eine Null-Budgetierung aller Uberstunden im öffentlichen Dienst?

LICHAL: Uberstunden werden nicht aufgrund einer Erklärung des Dienstnehmers gemacht, Uberstunden werden immer noch vom Vorgesetzten angeordnet. Aufgabe des Vorgesetzten ist es, ständige Uberstundenleistungen, so sie nicht notwendig sind, abzubauen.

Das ist letztlich eine Frage der Verantwortung des Vorgesetzten oder der Führung eines Unternehmens, und der öffentliche Dienst ist ja auch wie ein Unternehmen zu führen.

FURCHE: Wie steht der christliche Gewerkschafter Lichal eigentlich zu den Privatisierungsplänen der ÖVP, was öffentliche Unternehmungen und Dienstleistungen anlangt?

LICHAL: Als Gewerkschafter des öffentlichen Dienstes habe ich gar nichts dagegen, wenn gewisse Unternehmungen der öffentlichen Hand nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen geführt oder gestaltet werden.

Alles habe ich aber dagegen, wenn sich der wirtschaftliche oder soziale Status des einzelnen Arbeitnehmers durch Privatisierung zu seinem Nachteil verändert. Anders gesagt: die Privatisierung von staatlichen Betrieben zielt darauf ab, daß es nachher sowohl dem Betrieb wie auch dem Arbeitnehmer besser geht und keinem von beiden schlechter.

Derzeit halte ich daher nichts, um ein paar Beispiele zu nennen, von einer Privatisierung der Straßenverwaltung, nichts von der Privatisierung der Spitäler oder von einem Verkauf von Post und Bahn.

FURCHE: Die öffentlich Bediensteten tun sich offensichtlich schwer mit den Privatisierungsplänen für öffentliche Dienstleistungen, schließlich geht es ja auch um Machtpositionen...

LICHAL: Wir haben vor keinem Unternehmer Angst. Außerdem bedeutet Privatisierung ja in erster Linie nicht, Eisenbahnwaggons zu verkaufen.

Privatisierung, wie sie die ÖVP auch meint, heißt: Warum führt der Staat ein Reisebüro oder Hotels? Eine Privatisierung in diesem Bereich beeinträchtigt auch nicht das Dienst-, Besoldungsund Pensionsrecht der öffentlich Bediensteten.

FURCHE:Muß man es nicht zumindest auf einen Versuch ankommen lassen?

LICHAL: Wenn Versorgungseinrichtungen wie zum Beispiel die Straßenverwaltung, Post oder Bahn privatisiert werden sollen, bleibe ich vorläufig einmal skeptisch. Versorgungseinrichtungen, die für die gesamte Bevölkerung vom Staat bereitgestellt werden, eignen sieh nicht für einen ersten Privatisierungsschritt.

FURCHE: Warum hat die Wahlvorschlagskommission der FCG ausgerechnet einen Beamten zum Vorsitzenden nominiert, obwohl die Fraktion in den letzten Jahren vor allem auch unter den Arbeitern immer größeren Zuspruch gefunden hat?

LICHAL: Ich glaube, die Zeit ist vorbei, in der man bei Nominierungen danach gefragt hat, aus welchem Beruf kommt der Kandidat, ist er Arbeiter, Angestellter oder öffentlich Bediensteter. Solche Erwägungen spielen heute in der FCG keine Rolle mehr. Die Funktionäre werden vielmehr danach ausgewählt, ob sie als Kandidaten geeignet sind.

FURCHE: Wird die FCG wiederum den Vizepräsidenten des ÖGB für sich reklamieren?

LICHAL: Ja. Der FCG-Expo-nent ist für die sozialistische Mehrheitsfraktion im ÖGB sicher der Kandidat für den Vizepräsidentenposten. Gewählt werden kann er allerdings erst beim nächsten ÖGB-Bundeskongreß. Aber ich erwarte für den FCG-Bundes-vorsitzenden, wer immer am 7. Dezember gewählt wird, bis dahin die Kooptierung in das ÖGB-Prä-sidium.

Mit Robert Lichal sprach Tino Teller.

Robert Lichal, Jahrgang 1932, Beamter der niederösterreichischen Landesregierung, Wirklicher Hofrat, seit 1968 Obmann der Zentralpersonalvertretung der Nö Landesbediensteten, seit 1973 stellvertretender Vorsitzender der Gewerkschaft öffentlicher Dienst, seit 1979 Nationalrat, Sicherheitssprecher der ÖVP, Landesobmann des Arbeiter- und Angestelltenbundes Niederösterreich.

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