6886461-1979_29_04.jpg
Digital In Arbeit

Der Ausweg könnte Beispiel der SPÖ sein

19451960198020002020

Der Reformweg der ÖVP ist, wie man weiß, mit Fußangeln und Tretminen gespickt. Es könnte sein, daß das risikoreichste Terrain sich hinter der Tafel „Verhältnis zwischen Volkspartei und Fraktion christlicher Gewerkschafter“ verbirgt.

19451960198020002020

Der Reformweg der ÖVP ist, wie man weiß, mit Fußangeln und Tretminen gespickt. Es könnte sein, daß das risikoreichste Terrain sich hinter der Tafel „Verhältnis zwischen Volkspartei und Fraktion christlicher Gewerkschafter“ verbirgt.

Werbung
Werbung
Werbung

Die Fraktion christlicher Gewerkschafter (FCG) ist wie die Fraktion sozialistischer Gewerkschafter (FSG) und die kommunistische Gewerkschaftliche Einheit eine der drei Gründungsfraktionen des überparteilichen österreichischen Gewerkschaftsbundes (ÖGB). Der langjährige FCG-Obmann Erwin Altenbur-ger war immer mit Leidenschaft bemüht, die parteiunabhängige Selbständigkeit der Fraktion zu verteidigen, obwohl diese bis 1953 ähnlich wie die FSG doch ziemlich eindeutig an die Partei gebunden war.

In seinem Reformpapier, das Josef Taus nach dem 6. Mai 1979 dem ÖVP-Bundesparteivorstand vorlegte, hieß es lakonisch: „Die ÖVP bildet eine eigene Gewerkschaftsfraktion.“ Das hätte das Ende der FCG in ihrer bisherigen Form bedeutet

Im Papier der Siebzehner-Kommission zur Organisationsreform lau-, tet der einschlägige Passus: „Zwisehen der Fraktion christlicher Gewerkschafter und dem ÖAAB ist auf dem Wege freier und fairer Vereinbarungen eine schrittweise Integration anzustreben.“

Diese Formulierung geht von der selbstverständlichen Annahme aus, daß die FCG keine Parteiorganisation ist und ihr daher nichts anbefohlen werden kann. Eine Drohung mit der Errichtung einer ÖVP-Konkurrenzfraktion aber wäre natürlich widersinnig. Das weiß auch Alois Mock, der in seihe Bedingungen für die Übernahme der ÖVP-Obmannschaft über diese delikate Frage überhaupt nichts hineingeschrieben hat.

„Ich bin für eine intensive Verbesserung der Zusammenarbeit“, erklärte er auf eine Frage der FURCHE. „Wenn sich am Ende der Entwicklung organisatorische Konsequenzen ergeben sollten, wird uns das freuen. Jetzt werde ich sicher keinen unnützen Streit vom Zaun brechen.“

Das ist weise. Voraussetzung für eine solche Entwicklung ist freilich Vernunft auf beiden Seiten. Diese schien sich bereits einzustellen, als FCG und ÖAAB vor Jahren eine Arbeitsteilung feierlich beschlossen: Der ÖAAB kandidiert in politischen Interessenvertretungen wie Arbeiterkammern, die FCG konzentriert sich auf die Betriebsarbeit,

Im Sinne dieses Abkommens hat die FCG für die jüngsten Arbeiterkammerwahlen daher kaum einen Finger gerührt, ist aber in der Betriebsgruppenarbeit auch nicht gerade spektakulär vorangekommen. Da und dort gibt es eigene ÖAAB-Be-triebsgruppen, und schon steht auch das Gespenst einander konkurrenzierender ÖAAB- und FCG-Betriebs-gruppen in ein und demselben Betrieb im Raum.

Das freilich wäre purer Wahnsinn, weshalb die Frage einer Neuorientierung der gesamten Arbeitnehmerpolitik der ÖVP (auch ohne Kriegsabsicht Mocks) auf dem Tapet bleibt. Einer, der verbissen für die Eigenständigkeit der FCG kämpft, ist Hans Klingler, Zentralsekretär der Privatangestelltengewerkschaft und christlicher Gewerkschafter aus weltanschaulicher Überzeugung. Im Ringen um die Fraktionsführung ist er seinerzeit dem Nationalratsabgeordneten Johann Gassner unterlegen. Dafür kämpft dieser heute ebenso leidenschaftlich für die Selbständigkeit der FCG. ,

Die Hauptargumente der FCG-Funktionäre: Nur eine selbständige Fraktion könne Arbeitnehmerinteressen überzeugend vertreten, nicht aber ein Anhängsel der ÖVP, deren Unternehmer die FCG oft heißer bekämpfen als die FSG. 280.000 ÖAAB-Mitgliedern stünden nur 165.000 Christgewerkschafter gegenüber, was auf Gewerkschaftsdistanz selbst vieler ÖVP-Arbeitnehmer-bündler schließen lasse. Und es gebe nun einmal genug Leute im Betrieb, die zwar mit einer christlichen Fraktion, nicht aber mit der ÖVP etwas zu tun haben wollen.

Dieses Argument kann man gewiß nicht einfach vom Tisch fegen. Tatsache ist umgekehrt aber auch, daß man von vielen FCG-Betriebsräten hören kann: „Ich gelte im Betrieb als Schwarzer.. Kein Mensch fragt, in welchem Organisationsverhältnis ich zur ÖVP stehe, sondern nur darum, wer ich bin und was ich für meine Mitarbeiter tue.“

Das hat bei manchen den Verdacht genährt, daß das Problem ÖVP/FCG mehr in den Gehirnen theoretisie-render Funktionäre als in der betrieblichen Wirklichkeit besteht. Tatsache ist ja auch, daß maßgebende Christgewerkschafter hohe ÖVP-Funktio-nen bekleiden und FCG-Bundesob-mann Gassner in der Bundesparteileitung der ÖVP Sitz und Stimme hat. Ist damit nicht die ganze Theorie von der Trennung der beiden Bereiche ohnehin illusorisch?

Uber diese Themen muß diskutiert werden - sachlich, so leidenschaftlos wie möglich (was kaum sehr leidenschaftslos sein wird) und mit dem Ziel, eine faire, beiden Seiten zumutbare und die Wirksamkeit des Auftretens in der Arbeitswelt erhöhende Lösung zu finden.

Manches legt die Vermutung nahe, daß diese Lösung ein Statut sein könnte, das die Stellung der FCG zur

ÖVP ähnlich definiert wie die Stellung der FSG zur SPÖ. Dagegen hätte auch die sozialistische Fraktion, die sich ja auch nicht einfach als Anhängsel der Partei versteht, sondern auf selbständige Entscheidungen pocht, nichts einzuwenden, wie ÖGB-Präsident Anton Benya im vorwöchigen Interview mit der FURCHE dankenswerterweise klarstellte.

Alle Mitglieder der SPÖ werden in jedem Betrieb erfaßt und bilden die Betriebsfraktion sozialistischer Gewerkschafter. Nach freier Wahl können dieser laut Fraktionsregulativ auch Personen beitreten, „die sich zu den Grundsätzen der Fraktion bekennen“ (also auch Nicht-Parteimitglieder). Alle Funktionäre der FSG „müssen Mitglieder der SPÖ sein.“

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung