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Klare Vorstellungen über Ziele fehlten

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Um die ÖVP-Reform ist es still geworden. Aber man darf die Diskussion nicht zum Stillstand kommen lassen. Österreichs Demokratie braucht eine funktionsfähige Opposition. Im Sinn dieses Kreisky-Wortes wird die FURCHE auch in den kommenden Wochen zur Fortführung des Reformgespräches Beiträge leisten - durch Interviews mit verschiedenen Persönlichkeiten, heute mit ÖAAB-Bundesobmann Herbert Kohlmaier.

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Um die ÖVP-Reform ist es still geworden. Aber man darf die Diskussion nicht zum Stillstand kommen lassen. Österreichs Demokratie braucht eine funktionsfähige Opposition. Im Sinn dieses Kreisky-Wortes wird die FURCHE auch in den kommenden Wochen zur Fortführung des Reformgespräches Beiträge leisten - durch Interviews mit verschiedenen Persönlichkeiten, heute mit ÖAAB-Bundesobmann Herbert Kohlmaier.

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Herr Bundesobmann, am 13. Juni haben Sie durch ein Femseh- interview, gewollt, oder ungewollt, den Startschuß für die Ablöse des damaligen Bundesparteiobmannes Taus gegeben. Können Sie heute im Rückblick sagen, daß mit dem Obmannwechsel eigentlich das Wesentliche der ÖVP-Reform schon Vollzogen ist?

KOHLMAIER: Die ÖVP weist in den letzten zehn Jahren fünf Obmänner und Generalsekretäre auf. Das allein zeigt, daß es mit Personentscheidungen sicher nicht getan ist. Ich betrachte die Änderung in der Parteispitze nicht als Ersatz für jene Konsequenzen, die aus den Wahlniederlagen gezogen werden müssen.

Welche Konsequenzen sind das?

KOHLMAIER: Ich betrachte als. Hauptursache des Wahlmißerfolges, daß es nicht gelungen ist, im Bewußtsein der Wähler den Begriff ÖVP mit einem bestimmten positiven Wollen zu verbinden. Es gab keine klaren Vorstellungen über die politischen Ziele der ÖVP.

In den ersten Nachkriegsjahren sind die Impulse für die positive Orientierung der ÖVP-Politik häufig vom ÖAÄB ausgegangen: Wohnungseigentum, Familienlastenausgleich u. a. Warum ist in den letzten Jahren vom ÖAAB nichts in dieser Größenordnung gekommen?

KOHLMAIER: Es ist sicher auch in den letzten Jahren so gewesen, daß den Hauptanteil der Grundsatzarbeit der ÖAAB geleistet hat, obwohl ich auch bei den anderen Teilorganisationen bemerkenswerte Bemühungen registrieren muß. Es ist aber anderseits auch festzustellen, daß wir der Partei hier einen gewissen Vorrang in der Formulierung der politischen Ziele eingeräumt haben.

Was hat der ÖAAB in den nächsten Jahren der Gesamtpartei an programmatischen Inhalten anzubieten?

KOHLMAIER: Wir glauben, daß wir über die reine Betreuungstätigkeit hinaus wesentliche Impulse setzen können. Sie liegen für mich schwerpunktartig im Bereich Problemgruppen am Arbeitsmarkt, Demokratie und Lebensqualität.

Bitte, ganz konkret Arbeitsmarkt - was kann der ÖAAB bieten?

KOHLMAIER: Wir haben im Arbeiterkammerwahlkampf bewiesen, daß wir als ÖAAB die Fähigkeit haben, Probleme, die die arbeitenden Menschen bewegen und die heute in der offiziellen und vielfach erstarrten und büro- kratisierten Interesens- und Vertretungspolitik untergehen, artikulieren können und dabei…

Zum Beispiel…

KOHLMAIER: Zum Beispiel die Frage der Schicht- und Schwerarbeiter, der Pendler, der berufstätigen Frauen.

Was hat der ÖAAB der berufstätigen Frau zu bieten?

KOHLMAIER: Wir werden uns vor allem dafür engagieren, daß wir es erst den Frauen, die während der Kindererziehung sich dem Haushalt widmen wollen, in jeder Hinsicht erleichtern.

Können Sie sich vorstellen, daß auf Orts- und Bezirksebene nur noch ein ÖVP-Sekretariat existiert, in dem ein Vertreter des ÖAAB, des Bauernbundes und des Wirtschaftsbundes für die Beratung berufsspezifischer Anliegen anwesend ist, aber nach außen hin erst auf der Landesebene die eigene Bündeorganisation beginnt?

KOHLMAIER: Wir sind derzeit dabei, diese Frage sehr gründlich zu diskutieren. Es besteht derzeit überwiegend die Auffassung, daß es auch in der untersten regionalen Ebene eine Vielzahl von Mitarbeitern gibt, die wir dadurch gewinnen können, daß sie für ihre Teilorganisation tätig sind, und es besteht überwiegend die Befürchtung, daß eine solche Vereinheitlichung zu einem gewissen Substanzverlust führen könnte. Die Frage ist allerdings noch nicht ausdiskutiert. Jedenfalls aber muß die Partei der Arbeit im Betrieb einen viel höheren Grad an Aufmerksamkeit zuwenden, und hier ist der ÖAAB zweifellos die geeignete Instanz…

Die Fraktion Christlicher Gewerkschafter (FCG) ist aber der Meinung daß das ihre Aufgabe sei, die Partei und ÖAAB nichts angehe, und beruft sich sogar auf ein Abkommen dieser Art… KOHLMAIER: Es ist klar, daß die gewerkschaftliche Arbeit im Betrieb der Fraktięin obliegt, aber es ist an der Tatsache nicht vorbeizugehen, daß es in den Betrieben eine Unzahl von Menschen gibt, die sich weltanschaulich zur Volkspartei bekennen, so daß man sicher nicht sagen kann, es gebe sozusagen eine politikfreie Zone dort, wo die Menschen arbeiten.

Sie schließen also nicht aus, daß der ÖAAB Betriebsgruppen gründet?

KOHLMAIER: Es existieren Betriebsgruppen des ÖAAB.

Die FCG sagt: Das ist gegen ein Verbändeabkommen.

KOHLMAIER: Das ist nicht so. Wir wollen nicht die Betriebe ver- politisieren. Aber wir stehen auf der anderen Seite der Tatsache gegenüber, daß die SPÖ in der Betriebswelt mit politischer Argumentation doch sehr stark present ist, und da muß doch ein Gegengewicht auch gefunden werden.

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