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Übernächster Schritt zum Bildungsurlaub?

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Am Erscheinungstag der FÜR E7/£ (47/1980) zitierte der „Kurier" ausführlich das Interview mit Sozialminister Alfred Dallinger und holte erste Stellungnahmen ein: die Bereitschaft Daliingers, über den Bildungsurlaub zu reden, provozierte überraschenden Widerspruch.

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Am Erscheinungstag der FÜR E7/£ (47/1980) zitierte der „Kurier" ausführlich das Interview mit Sozialminister Alfred Dallinger und holte erste Stellungnahmen ein: die Bereitschaft Daliingers, über den Bildungsurlaub zu reden, provozierte überraschenden Widerspruch.

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Während Bundeskammer-Generalsekretär Karl Kerer am Sozialminister vor allem die „Wandlungsfähigkeit der Begründungen" bemängelte, sah ÖVP-Obmann Alois Mock in diesem Vorschlag „keine seriöse Art, Politik zu machen". Lediglich ÖAAB-Generalsekretär Walter Heinzinger bekundete vorsichtig Sympathie für diese Idee: „Wir könnten uns in dieser Richtung finden."

Beim ÖAAB-Bundestag am 21. und 22. November in Feldkirch, der mit dem Motto „Verantwortung - Selbständigkeit - Gerechtigkeit" überschrieben war, fiel die Reaktion bereits differenzierter aus.

Kein Wunder: Immerhin warder Bildungsurlaub der Papierform nach bisher eine Lieblingsidee der ÖVP-Den-ker. Eine schroffe Ablehnung der von Dallinger signalisierten, Gesprächsbereitschaft hätte die große Oppositionspartei nicht gerade glaubwürdiger gemacht.

Herbert Kohlmaier, in Feldkirch vom (für Mock) geschäftsführenden zum gewählten ÖAAB-Bundesobmann avanciert, deponierte zum Thema Arbeitszeitverkürzung zwar, daß der nächste Schritt darin bestehen müsse, „vorrangig etwas für die älteren Arbeitnehmer" zu tun, „allerdings könnte ich mir vorstellen, daß der übernächste Schritt in Richtung Bildungsurlaub gehen könnte".

Und Parteiobmann Mock erläuterte dann den Delegierten einen Fahrplan, mit dem die Volkspartei auch auf den Bildungsurlaub zusteuern will. An erster Stelle rangiere hier das Problem der Schwerst- und Schichtarbeiter, denen eine frühere Pensionierung ermöglicht werden soll.

Platz zwei soll der Humanisierung der Arbeitswelt vorbehalten bleiben, wo „endlich, nach der Zeit des jahrelangen Theoretisierens, konkrete Taten folgen" sollen.

Eine Urlaubsverlängerung für die älteren Arbeitnehmer, „die bei der letzten Verlängerung des Mindesturlaubs durch den sprichwörtlichen Rost gefallen sind", reihte Mock im sozialpolitischen Bereich an die dritte Stelle.

Schließlich werde man sich „mit Maß und Nüchternheit, aber immer unter dem Gesichtspunkt, daß sichere Betriebe und sichere Arbeitsplätze den Vorrang haben", weiter gesteckten Zielen zuwenden, etwa der Frage des Bildungsurlaubes. „Genau in dieser Reihenfolge werden wir vorgehen", erklärte er seinen Stufenplan als oppositionsverbindlich.

Die Behutsamkeit, mit der sich sowohl Sozialminister Dallinger wie auch die Volkspartei an die Frage des Bildungsurlaubes herantasten, kann sich Hans Gassner, Obmann der Christgewerkschafter, leicht erklären: „Er ist nicht populär, weil er mit Auflagen verbunden sein muß."

Obwohl man sich über die Parteigrenzen hinweg einig ist, daß eine derartige Bildungsfreistellung für alle Arbeitnehmer notwendig wäre.

„Uber die Frage, ob es wünschenswert ist, nach der Schule und der Ausbildung weiterzulernen, braucht man", meint zumindest Gassner, „nicht streiten." Nicht nur, daß so eine abgebrochene Schulausbildung kompensiert werden könnte, würde diese Möglichkeit der Weiterbildung auch für die berufliche Mobilität und den sozialen Aufstieg jedes einzelnen Arbeitnehmers von Vorteil sein.

Jetzt schon sollte, findet der FCG-Obmann, die Bewußtseinsbildung in diese Richtung vorangetrieben werden, um dann tatsächlich den Bildungsurlaub einführen zu können.

Und zwar für alle. Denn heute bereits haben einige Gruppen gegenüber ihren Arbeitskollegen einen Urlaubs- und Bildungsvorsprung. Im öffentlichen Dienst wird etwa für Weiterbildung Sonderurlaub gewährt. Und gewählte Betriebsräte haben pro Funktionsperiode Anspruch auf zwei Wochen Bildungsfreistellung, ein Rtcht, das jetzt auch für die Ersatzbetriebsräte erkämpft werden soll.

Gassner stellt sich aber selbst die Kernfrage, die bei einer Einführung des Bildungsurlaubes beantwortet sein muß: „Gibt es genügend Bildungseinrichtungen?"

Und diese Frage ist von besonderer Aktualität. Denn zur Zeit denken Unterrichtsministerium und Parteien über eine Neuordnung der Erwachsenenbildung nach. Seit Jahresmitte zirkuliert dabei ein ministerielles Arbeitspapier unter dem höchst komplizierten Titel „Entwicklungsplanung für ein kooperatives System der Erwachsenenbildung in Österreich".

Ebenso hat die Volkspartei unter ihrem Bildungssprecher Hans Katschtha-ler ihre diesbezüglichen Wünsche zu Papier gebracht. Danach sollen vor allem die Persönlichkeitsbildung, die religiöse und ethische Bildung, die Familienbildung, die berufliche Weiterbildung, die politische Bildung sowie die musisch-kulturelle Bildung inhaltliche Schwerpunkte der Erwachsenenbildung sein.

Unabhängig vom Zeitpunkt, zu dem ein Bildungsurlaub als fünfte Urlaubswoche eingeführt werden könnte, müssen demnächst dafür im Bereich der Erwachsenenbildung die Weichen gestellt werden. Somit wird sich schon bald erweisen, wie ernst politische Erklärungen zu nehmen sind.

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