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Sozialismus ist für den ÖAAB kein Orientierungspunkt

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„Wir tragen Verantwortung“ überschrieb der ÖAAB seinen 14. Bundestag am Wochenende in Innsbruck. Schon in der Pressekonferenz zum Auftakt ließ Obmann Alois Mock erkennen, wie weit man sich diese Verantwortung vorstellt: Es gebe Hinweise, sagte er, daß sich die Fälle von Gesinnungsterror am Arbeitsplatz mehren. Man werde die Frage gesetzlicher Maßnahmen zum Schutz der Meinungsfreiheit am Arbeitsplatz aktualisieren.

Den zweiten starken Akzent setzte der geschäftsführende Bundesobmann Herbert Kohlmaier, als er zur „Innsbrucker Deklaration des ÖAAB“ befragt wurde, in der „ein Substanzverlust an öffentlicher Moral“ beklagt wird. Dort heißt es: „Unwahrhaftigkeit und unsauberes Vorgehen werden gleichgültig hingenommen. Was zählt, ist nur geschicktes Durchsetzungsvermögen. Wer moralische Grundsätze vertritt, wird als zunehmend altmodisch belächelt. Die Korruption greift in einem erschreckenden Ausmaß um sich.“

Im einzelnen will der ÖAAB das demokratische System wieder glaubwürdiger machen, „durch die Aufwertung des Parlaments, die Bekämpfung von freiheitsgefährdenden Machtkonzentrationen und von Ämterkumulie-rung, durch den Schutz der Gesinnungsfreiheit und die Stärkung des öffentlichen Gewissens.“

ÖVP-Obmann Josef Taus präzisierte den Standpunkt der ÖVP zur Sozial-und Familienpolitik. Sozialpolitik habe für die ÖVP immer zutiefst solidarischen Charakter und diene nicht der politischen Gesellschaftsüberwindung. Die Familie ist für die ÖVP mehr als eine vorübergehende Gemeinschaft. Schließlich grenzte Taus die ÖVP gegenüber der FPÖ und Alexander Götz deutlich ab, ohne sie oder

Götz beim Namen zu nennen. Taus sagte, es sei jetzt nicht die Zeit, Kombinationen anzustellen. Die ÖVP müsse stärker werden, es gebe nur eine Alternative zum Sozialismus, und die heiße ÖVP und nichts anderes.

In einem Grundsatzpapier, über das Wendelin Ettmayer dem Bundestag berichtete, beschäftigt sich der ÖAAB mit der neuen Phase der sozialen Marktwirtschaft. Der ÖAAB dürfe nicht nur am Konkreten haften bleiben. Jede politische Bewegung bedürfe politischer Hoffnungen. Bemerkenswert war Ettmayers Ruf nach mehr Zivilcourage sowie zur Absicherung dieser das Versprechen, daß der ÖAAB jeden politischen Terror bekämpfen und das Berufsbeamtentum als Stütze der Demokratie schützen werde.

Uber das Papier „Der belastete Österreicher“ referierte Manfred Drennig. Er warf der Regierung vor, daß sie, wie Berechnungen des WIFO-und Fordinstituts ergeben haben, für die Sicherheit von 14.000 Arbeitsplätzen 37 Milliarden Schilling verbraucht habe. Um ein halbes Prozent der Arbeitsplätze zu schützen, habe die Regierung durch die dafür notwendigen Belastungen die Arbeitsplätze der übrigen 99,5 Prozent gefährdet. Im übrigen, meinte Drennig, habe die Regierung beim Budget und der Zahlungsbilanz falsch reagiert, mit wenig Maßnahmen, aber mit viel Propaganda.

Alois Mock beanspruchte für den ÖAAB die politische Mitte, da „unser Menschenbild den Extremismus nicht erlaubt“. Allen jenen, die den ÖAAB immer wieder des „Linksüberholens“ bezichtigen, hielt Mock entgegen, daß der Sozialismus für den ÖAAB kein Orientierungspunkt sei, daher auch kein gesellschaftspolitischer Maßstab sein könnte. Mock wiederholte die Forderung des ÖAAB nach einem de-

mokratischeren Wahlrecht in den Arbeiterkammern, nach einer Anrechnung der ersten drei Jahre der Kindererziehung als Ersatzzeiten für die Pensionsversicherung von Frauen und kündigte, noch vor den Wahlen 1979, ein Vermögensbildungskonzept der ÖVP an.

In der Sozialpolitik müßte es zu einem Gesinnungswandel kommen, der aber nicht die materielle Hilfe ersetzen könne. Die Verweigerung des Briefwahlrechtes für 200.000 ältere Menschen, sei typisch für die soziale Einstellung der SPÖ. Mock wandte sich dann nochmals scharf gegen jeden Betriebsterror. „Wer immer das menschliche Furchtpotential den eigenen Zwecken dienstbar macht, um seine Überzeugungen und Ziele durchzusetzen, ist und bleibt Terrorist.“

Allen jenen Arbeitnehmern aber, die sich zur Familie als zentraler Institution der Gesellschaft, zur Eigentumsbildung in der Hand des einzelnen Arbeitnehmers und zu wachsenden Pflichten mit wachsenden Rechten bekennen, bot Dr. Mock im ÖAAB eine politische Heimat an. „Nicht als Wegwerfwähler, die ein Stück des Weges mit uns gehen, sondern als Kollegen, die die ganze Strecke einer gemeinsamen Gestaltung unserer Gemeinschaft mit uns gehen.“

„Wir tragen Verantwortung“, dieses Motto gilt nun für die ganze ÖVP. Alternativen liegen auf dem Tisch, Alternativen, die in einem anderen ideologischen Boden ihre Wurzeln schlagen als dem des kollektivistischen Sozialismus. Die Alternativen heißen jetzt: bürokratisch planender Sozialismus, der jeden Lebensbereich, auch den privatesten, gestalten will, und primäre Verantwortung beim Staatsbürger, während Staat und Gesellschaft nur subsidiäre Verantwortung tragen.

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