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Taus: Keine Puppenküche für Sozialrevolutionäre

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Der große Krach zwischen Spitzen- vertretem der ÖVP und den als „linken Flügelkämpfem“ der katholischen Kirche verschrieenen Vertretern der katholischen Sozialakademie fand nicht statt: 'Wer sich am vergangenen Samstag beim Studientag der KSÖ in Wien zum Thema „Christliche Soziallehre - Möglichkeiten und Grenzen christdemokratischer Parteien“ eine heftige Auseinandersetzung erwartet hatte, wurde enttäuscht. Einzig Bundesparteiobmann Dr. Josef Taus formulierte unmißverständlich, was die KSÖ nicht sein dürfe: eine Puppenküche für Sozialrevolutionäre.

Die drei Hauptredner (Taus, Dr. Hans Zwiefelhofer, Dr. Norbert Blüm) zeichneten sich in ihren Referaten durch Sachlichkeit, klare gesellschaftspolitische Analysen und Engagement aus. Um so enttäuschender die Podiumsdiskussion, was aber nicht den acht Teilnehmern anzulasten ist, sondern schlechter Organisation. Schließlich können nicht drei verschiedene Diskussionen nebeneinander geführt werden: Eine am Podium, eine mit dem Publikum und eine anhand von schriftlichen Anfragen aus dem Zuhörerkreis. Die Folge: Diskussionsbeiträge wurden übergangen, ausgeklammert und blieben unbeantwortet.

Was blieb, war das Referat von ÖVP-Obmann Taus, der unverhüllt die Grundsätze seiner Partei erklärte, war die fundierte Analyse des Salzburger Programms der ÖVP (1972) von Pater Zwiefelhofer und das eindrucksvolle Plädoyer von Dr. Blüm für die Humanisierung der Arbeitswelt.

Taus zeigte zu Beginn seines Grundsatzreferates die Gefahrenzonen für die KSÖ auf - schließlich war er 1958 selbst Lektor der Akademie. (Seine kritischen Worte Waren augenfällig ah den Leiter der KSÖ, Pater Herwig Bü- chėle, gerichtet.) Th seinen) ' Gfü'ndi satzreferat betonte er einmal mehr die Prinzipien seiner Partei, nämlich Personalismus, Solidarismus und Subsidiarität und bekannte sich zur umfassenden Sozialreform als Gegenpol zum Klassenkampf.

Souverän erläuterte der ÖVP-Par- teiobmann, wo die klare Grenzziehung zwischen christlich-demokratischen und anderen Parteien liege: In der Haltung - zur Menschenwürde, Familie, Wirtschaftsordung und zum Eigentum. Was die Familie anbetrifft, präzisierte Taus: „Wir verlangen die Sozialisation des Menschen in der Familie, während der Marxismus diese Funktion aus der Familie herausheben will.“

Professor Dr. Hans Zwiefelhofer SJ, Rektor der Hochschule für Philosophie in München, setzte sich kritisch mit dem Salzburger Programm der ÖVP auseinander, das jedoch keine Zweifel an den Erkenntnisquellen der politischen Ethik der ÖVP aufkom- men lasse. Trotzdem sei die Kluft zwischen Theorie und der politischen Realität nicht zu übersehen. Er forderte die Volkspartei auf, die Grundwerte einer freiheitlichen Politik aus christlicher Sicht neu zu überdenken: Freiheit, Solidarität und Gerechtigkeit.

Wesentliches Element einer alternativen politischen Strategie ist laut Zwiefelhofer eine Strukturreform der gesellschaftlichen Institutionen, wobei er in erster Linie an die Entbürokratisierung der,-Gesellschaft denkt. Der Referent zeigte auch die Notwendigkeit längerfristiger -politischer Lösungen auf. Denn: „Kurzfristige Interessenbefriedigung verstärkt den faschistischen Ruf nach dem starken (Mann) Staat“, meinte Zwiefelhofer.

Viel Beifall für das Referat von Dr. Norbert Blüm, Mitglied des Bundesparteivorstandes der CDU und langjähriger Hauptgeschäftsführer der Sozialausschüsse. Blüm, ein glänzender Formulierer, trat leidenschaftlich für die Humanisierung der Arbeitswelt durch Selbst- und Mitbestimmung ein. Seine praktischen Erkenntnisse bezieht er offensichtlich aus den Erfahrungen, die er in der Arbeitswelt gesammelt hat, kein theoretisches Geplänkel also. Trotzdem muteten einige seiner Thesen angesichts der jetzigen politischen und wirtschaftlichen Landschaft utopisch an. Blüm bietet jedoch keine „großen Lösungen“ - keine Revolution an. Er setzt auf Evolution.

An die Gefahr eines Klassenkampfes zwischen Kapital und Arbeit in den westlichen Demokratien glaubt Blüm nicht. Vielmehr warnt er vor sozialen Auseinandersetzungen „zwischen denen, die im Leistungswettbewerb drinnen sind (Arbeitnehmer), nicht mehr drinnen sind (alte Menschen, Arbeitslose), noch nicht drinnen sind (Jugendliche, Kinder) und nie drinnen sind (Behinderte)“.

Das Angebot der christlich-sozialen Parteien sei ein dritter Weg zwischen Kapitalismus und Sozialismus. Beide Systeme hätten christliche Teilwahrheiten verabsolutiert: „Der Kapitalismus hat aber Ungerechtigkeit geschaffen und der orthodoxe Sozialismus hat die Freiheit vergewaltigt.“ Deshalb auch Blüms Appell zu mehr Radikalität: „Wir dürfen uns in der Radikalität zur Durchsetzung unserer christlichsozialen Ziele von Marxisten nicht überholen lassen.“

Die abschließende Podiumsdiskussion, an der neben den drei Hauptrednern ÖAAB-Obmann Alois Mock, ÖVP-Sozialsprecher Herbert Kohlmaier, der Politologe Anton Pelinka, der Linzer Weihbischof Alois Wagner und der Grazer Journalist Kurt Wimmer (Kleine Zeitung) teilnahmen, verwirrte, weil am Tagungsthema vorbeidiskutiert wurde. Eine schwache Diskussion nach vielversprechendem Anfang der Arbeitstagung sollte aber auf keinen Fall dazuführen, von weiteren Treffen dieser Art abzusehen.

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