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Die Brücke zu den Bünden

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Vieles blieb ungesagt, vieles war herauszuhören aus den zahlreichen Reden und Referaten, manches wurde ausgesprochen, etwa die Stellung des Bundes zur Gesamtpartei, die der — zur Überraschung manches Beobachters — wiedergewählte Bundesobmann Dr. Moleta umriß: „Wir bekennen uns zur bestehenden Gesellschaftsordnung, aber wir sehen in ihr nichts Starres, Unveränderliches; wir bekennen uns zum Prinzip der Evolution, einer vom Geist unserer Grundsätze gelenkten Entwicklung im Dienst des Menschen, mit einem Wort zur Reform und nicht zur Revolution.., Hier liegt die Brücke zu den anderen Bünden und zur Gesamtpartei; hier liegt aber auch die Abgrenzung zu jenen Kräften in den anderen Bünden und der Gesamtpartei, die in unserer Organisation lediglich ein Mittel für die Gewinnung von Wählerstimmen sehen.“

Was Maleta in seine Rede noch vorsichtig formulierte, ist seither Gegenstand einer harten Auseinandersetzung zwischen der Fraktion christlicher Gewerkschafter und dem ÖAAB: Wenn Maleta von einer „gewissen Behutsamkeit des Vorgehens in der Frage des Verhältnisses zwischen ÖAAB und Gewerkschaftsfraktion“ spricht, so ist damit nur angedeutet, was derzeit heftig diskutiert wird, nämlich eine stärkere Verbindung zwischen der Fraktion und dem Bund, die ein Ende dez engen Zusammenarbeit zwischen Fraktion und katholischer Arbeiterbewegung bedeuten würde. Der vorgeschlagene neue Name für die Fraktion christlicher Gewerkschafter, der den Akzent auf „christlich — demokratisch“ setzen würde, stößt freilich auf heftigen Widerstand von selten der bisherigen Führung der Fraktion, doch ist anzunehmen, daß ein Ergebnis — in welcher Form auch immer — bald erreicht werden wird.

Dle Berichte der Referenten

Eine Klärung der verschwommenen Schlagwörter „Mitbestimmung“, „Miteigentum“ gab der Generalsekretär des ÖAAB, Bundesrat Harramach, der einen dritten Begriff nannte, der mit den beiden wohl untrennbar verbunden sei, doch nur allzuleicht übersehen werde: die Mitverantwortung. Auch Harramach stellte fest, daß der Bund noch lange nicht am Ziel seiner gesellschaftspolitischen Vorstellungen sei. Die Idee einer echten Sozialreform benötige lange Zeit, um zu reifen, und noch längere Zelt, um durchgesetzt zu werden.

Der kulturpolitische Referent des ÖAAB, Univ.-Doz. Dr. Herbert Schambeck, legte dem Bundestag den Entwurf eines kulturpolitischen Programms vor, das die Situation auf den wichtigsten Gebieten darstellt und Lösungsvorschläge enthält, Lösungsvorschläge, die sich mit dem Problem der Schulreform von der Volksschule bis zur Hochschule befassen, aber auch mi1 Rundfunkfragen, mit Fragen des Theaters, des Sports und der Volksbildung beschäftigen. Der Entwurf soll in allen Organisationen des ÖAAB einer eingehenden Diskussion unterzogen werden und sodann seine endgültige Fassung erhalten. Uber die Opferbereitschaft von Bund und Ländern — auch der umstrittene „Fernsehschilling“ wurde erwähnt — kam Dr. Schambeck auf die Lage der politischen Wissenschaften in Österreich zu sprechen, für die an den neuen Universitäten in Linz und Salzburg Lehrstühle geschaffen werden sollten. Der drohende Abgang Prof. Ernst Florian Winters, der hier kein Betätigungsfeld finden konnte, ist ein alarmierendes Zeichen für das Fehlen dieser Lehrstühle!

Die Vorschläge, die der sozialpolitische Referent des ÖAAB, Abg. zum Nationalrat Dr. Karl Kummer, machte, wurden bereits in Nummer 40 der „Furche“ dargestellt: Auch sie rücken die vielgenannte „Mitbestimmung“ als politisches Schlagwort ins rechte Lot, fordern eine aktive Arbeitsmarktpolitik und urgieren schließlich das längst fällige Personalvertretungsgesetz.

Daß mit grundlegenden Leistungsverbesserungen der Sozialversicherung in den nächsten Jahren kaum mehr gerechnet werden könnte, dafür aber Härten beseitigt werden können, stellte Dr. Herbert Kohl-maier, der Referent für Sozialversicherung, fest, der in seinem Referat die Lage der Sozialversicherung heute und morgen darstellte.

Weg vom Zufall!

Daß die wirtschaftspolitischen Bemühungen des ÖAAB darauf gerichtet seien, den Ablauf des Wir! Schaftsprozesses immer mehr aus der Sphäre des Zufälligen herauszuheben, ohne sich dabei freilich an planwirtschaftliche Dogmen zu klammern, erklärte der wirtschaftspolitische Referent des Bundes, Dr. Josef Taus, der vor allem scharf die Versuche kritisierte, den Preisauftrieb zu bremsen: Der ÖAAB vertrete eine verantwortungsbewußte Lohnpolitik, was aber nicht heißen dürfe, daß nur die Arbeitnehmer die Last von Stabilisierungsmaßnahmen zu tragen haben.

Das Verhältnis des Eigenkapitals zum Fremdkapital von 1:4 sei nicht

selten, In einem Fall sei es 1:8! Diese alarmierende Feststellung über die verstaatlichte Industrie traf Ingenieur Kurt Fröhlich, der in seinem Bericht an den Bundestag die Lösung der Probleme der Investitionsfinanzierung und der Produktionsabgrenzung als besonders dringend bezeichnete. Die Konkurrenzierung branchengleicher Betriebe infolge der Produktionsüberschneidungen gehe bis zur Unterbietung unter den Selbstkostenpreis!

Vieles, was in Krems gesprochen wurde, konnte nur angedeutet, nur gestreift werden: Zu viele Probleme waren es. die behandelt wurden. Die

Resolution, die am Schluß des Bun-iestages gefaßt wurde, faßt alle liese Fragen noch einmal zusammen, fragen, deren Lösung vorgezeichnet wurde. Gewiß sind die Vorwürfe und Angriffe, denen sich der ÖAAB als Flügelmann der Partei ausgesetzt lieht, nicht schwächer geworden. rUleln, die Position des Bundes ist dar abgegrenzt worden: nach rechts und nach links.

Uber das Echo, das der Bundestag ausgelöst hat, wurde schon eingangs gesprochen. Und wenn der alt-neue Bundesobmann Dr. Maleta meint, er hätte die Journalisten lieber im Saal als in den Couloirs, so war dies mehr ein Wunsch als eine Tat-jache. Denn die Gespräche in den Couloirs sind seither nicht weniger sahireich geworden. Im Gegenteil! Kombinationen über Kombinationen, die höchste Politik zum Thema haben, werden besprochen...

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