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Da sein für jedermann

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Auf den Tag genau zehn Jahre nach der entscheidenden Wahlniederlage vom 1. März 1970 nimmt die Volkspartei einen neuen Anlauf, ihre alte Bedeutung zurückzugewinnen: als „Volks"-Partei und als Regierungspartei, die sie in der zweiten Hälfte der achtziger Jahre wieder werden möchte.

Wenn am kommenden Samstag der zweitägige ÖVP-Bundesparteitag in Salzburg mit der Bundeshymne ausklingt, ist die Phase der Diskussion um die Erneuerung abgeschlossen. Dann muß die Volkspartei unter Beweis stellen, daß sie sich erneuert hat.

„Erfreulich war", blickt ÖVP-Bun-desparteiobmann Alois Mock auf sieben Monate Reformdiskussion zurück, „daß wir bei der Erneuerung der Strukturlund beim Bemühen, das direkte Gespräch mit den Mitgliedern in den Gemeinden und Betrieben zu suchen, ein größeres Echo gefunden haben, als man das am 7. Juli 1979, beim Parteitag, der den Auftrag zur Erneuerung gegeben hat, annehmen konnte."

Positiv merkt der ö VP-Obmann im Gespräch mit der FURCHE zudem noch an, „daß die Ergebnisse, über die es sehr oft in den internen Beratungen für den Parteitag konträre Auffassungen gegeben hat, von allen mit einer beachtlichen Solidarität getragen wurden".

Mock hat auch erreicht, was er erreichen wollte: Die Funktionäre der Gesamtpartei werden künftig direkt gewählt, darunter auch „bis zu vier" Obmann-Stellvertreter, für die (fiesmal auf Bundesebene die Familiensprecherin Marga Hubinek, Oberösterreichs Landeshauptmann Josef Ratzenböck, Wiens Vizebürgermeister Erhard Busek und der Vorarlberger Arbeiterkammerpräsident Bertram Jäger vorgeschlagen sind.

Der Vorrang der Gesamtpartei findet nicht zuletzt auch in der Direktmitgliedschaft ihren Ausdruck, die Bundespartei kann außerdem auch bei der Nominierung von zwanzig Prozent der Nationalratskandidaten unmittelbaren Einfluß nehmen.

Die Straffung der inneren Struktur der Partei war aber nur ein Anliegen der Erneuerung. Das andere Ziel war, wie das Mock bei seiner ersten Wahl am 7. Juli 1979 besonders unterstrich, „uns mit den grundsatzpolitischen Vorstellungen des Salzburger Programms stärker als-bisher vertraut zu machen und unsere Tagespolitik danach zu prägen".

Mock sollte mit diesem Wunsch nicht allein dastehen. Bei den Gemeinde- und Ortsdiskussionen zur Parteierneuerung im Spätherbst des Vorjahres fanden 87 Prozent der rund 2500 rückmeldenden Gemeinden, daß die im Salzburger Programm niedergeschriebenen Grundsätze der Volkspartei zu wenig oder nicht bekannt sind. Sogar führenden Mandataren wurde Unkenntnis attestiert.

Eine Ursache dafür sehen die kleinen Mitglieder und Funktionäre in der Sprache des Parteiprogramms: 70 Prozent meinen, es sei zu schwer verständlich geschrieben. Wer „Subsidiarität" und „Partizipation" nicht versteht, weiß nicht nur nicht, was die Volkspartei will, sondern kann es auch in der praktischen Politik nicht umsetzen. Und das sind nur zwei von 162 Fremdwörtern im Programm.

Daher ist es nur logisch, daß von einer überwältigenden Mehrheit eine „Volksausgabe" des Salzburger Programms gefordert wurde. Eine solche kann die Volkspartei bereits beim Parteitag in der Festspielstadt vorweisen: Unter dem Titel „Der selbständige Mensch in der Gemeinschaft - Unser Salzburger Grundsatzprogramm" werden auf knappen 16 Seiten die Grundsätze der Volkspartei ausgedeutscht.

Alois Mock hat damit der Volkspartei auch in diesem Bereich seinen Stempel aufgedrückt. Am 30. Oktober des Vorjahres hatte er bei einer Standortbestimmung im Rahmen seines Referates anläßlich der ÖVP-Klubklausur in Villach als Orientierungsfixpunkt für die ÖVP-Politik den selbständigen Menschen hervorgehoben.

Der selbständige Mensch, „der einen freien Willen hat und zu persönlicher Verantwortung bestimmt ist" (Mock), soll jene ÖVP-Vision sein, die künftig der SPÖ-Zukunftssicht einer klassenlosen Gesellschaft gegenübergestellt wird. „Diese Vision einer gerechten und solidarischen Gesellschaft freier und selbständiger Menschen ist", so der ÖVP-Obmann,

„keine hoffnungslose Illusion, sondern ein erstrebenswertes Ziel, dem wir als politische Bewegung weiterhin zustreben."

Dies entspricht auch ganz und gar den Vorstellungen der ÖVP-Mitglie-der von „ihrer" Volkspartei: Das Menschenbild, mehr Selbständigkeit und mehr Eigenverantwortung für den einzelnen - das, brachten sie zu Papier, sollte ganz besonders herausgestellt werden.

Daher ist es auch kein Wunder, wenn bereits ein Großteil der 52 politischen Anträge zum Bundesparteitag in diese Richtung geht. Darüber hinaus wird auch noch die Bundesparteileitung einen Antrag formulieren, gleichsam Thesen zur Politik der Volkspartei für die Schwerpunkte Demokratie, Familie, Soziale Marktwirtschaft, Umwelt und Eigentum.

„Der Parteitag wird ein Auftrag zum Tun werden", faßt Mock die Bemühungen, das Grundsatzprogramm in eine Art Aktionsprogramm umzusetzen, zusammen, „wobei zwei Wertanliegen im Vordergrund stehen werden: die persönliche Freiheit und die Sicherheit."

Einen „Auftrag zum Tun" haben die Mitglieder der Volkspartei auch schon bei der Urabstimmung im Jänner gegeben: Im Bundesdurchschnitt sprachen sich 75 Prozent der Mitglieder dafür aus, daß praktische Sozialarbeit und Nachbarschaftshilfe für Funktionäre verpflichtend sein soll. Zuvor wurde den Politikern in den Gemeindediskussionen angekreidet, kontaktarm und teilweise unnahbar zu sein.

Nach den niederösterreichischen Gemeinderatswahlen am 23. März soll daher bundesweit das „Jahr der guten Nachbarschaft" eingeläutet werden, eine Aktion, wie sie Ratzenböck für Oberösterreich im heurigen Jahr schon auf die Beine gestellt hat: die Palette der Möglichkeiten reicht von Krankenhausbesuchen bis hin zur Kinder- und Altenbetreuung.

Inoffizielles ÖVP-Motto anläßlich des Salzburger Parteitags: Da sein für jedermann. Als Sozialaktivisten sollen die ÖVP-Funktionäre wieder mit den Menschen ins Gespräch kommen.

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