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Harte ÖVP-Nüsse

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Wenn Freitag dieser Woche am frühen Vormittag in der Wiener Kärtner Straße die Bundesparteileitung der Volkspartei zu ihrer nächsten Sitzung zusammentret wud, so ist das nicht nur die letzte Beratungsrunde des heurigen Jahres, sondern eine für die Zukunft der ÖVP entscheidende Zusammenkunft: An diesem Vormittag soll der Fragenkatalog für den Stimmzettel für die in der Zeit vom 18. bis zum 27. Jänner 1980 anberaumte Urabstimmung endformuliert und beschlossen werden.

Übereinstimmung über die etwa zehn zur Urabstimmung gelangenden Fragen zu finden, die das Parteivolk dann mit Ja oder Nein entscheiden soll, das dürfte wahrscheinlich die schwierigste und heikelste Phase dieses Experimentes an innerparteilicher Demokratie, das zu Jahresbeginn Österreichpremiere hat, werden. Dabei geht es nicht nur um Fragen, die gestellt werden, sondern auch um solche, die nicht gestellt werden.

Offen ist etwa, ob die Frage nach der Auflösung der Bünde gestellt werden soll. Obwohl eine Auflösung in den bisherigen Diskussionen nur vereinzelt, eine Zurückdrängung aber durchgehend gefordert wurde, könnte, wenn sich die drei Obmänner der großen Teilorganisationen nicht querlegen, dieses leidige Thema für alle Zukunft erledigt werden.

Wenn die Mitglieder an die Notwendigkeit der Bünde-Existenz als Berufs- und Interessensorganisationen glauben, so wie ihre Obmänner davon überzeugt sind, dann wäre eine klare Entscheidung bei der Urabstimmung der Schlußpunkt hinter jahrelangen Diskussionen.

Während sich die Volkspartei über dieses Problem hinwegturnen könnte, ist sie in anderen Bereichen präju- diziert: Alois Mock hat der Partei im heurigen Sommer für seine Bereitschaft zur Obmann-Kandidatur Zusagen abgerungen, die von der Bundesparteileitung am 21. Juni in einer „Erklärung zur Parteierneuerung“ beschlossen wurden und die heute unverzichtbarer Bestandteil der Reform sind.

In dieser Erklärung wurde nicht nur der Vorrang der Gesamtpartei vor den Teilorganisationen festgeschrieben, auch die zentrale Mit

gliedschaft mit einem Stammbeitrag für die ÖVP-Kassa, die Wahl von Stellvertretern des Parteiobmannes durch den Parteitag, die Übertragung dieses Führungsmodells auf alle Ebenen der Partei und das Vorschlagrecht des Parteiobmannes für ein Fünftel der an wählbarer Stelle für den Nationalrat kandidierenden Personen wurde dort vereinbart.

Während der letztgenannte Punkt kaum Gegenstand der Urabstimmung sein wird, werden die übrigen Problemkreise sehr wohl den Mitgliedern zur Entscheidung vorgelegt. Dazu kommt sicherlich auch noch ein Wunsch, der in den herbstlichen Diskussionsrunden der Ortsparteiorganisationen vehement geäußert wurde, der Wunsch nach verstärkter innerparteilicher Kontrolle: Konkret geht es dabei um einen Leistungsnachweis, etwa in Form eines Leistungspasses, für gewählte Funktionäre, der in einer Urabstimmungsfrage verpackt werden könnte.

Was die Wahl der Mock-Stellvertreter betrifft, ist relativ klar, daß über den Grundsatz, nicht aber über die Zahl abgestimmt werden soll. Wobei im Zusammenhang mit dieser Frage

stellung noch etliche harte Nüsse zu knacken sein werden.

Harte Nuß Nummer 1: Rudolf Sal- linger, Roland Minkowitsch und Herbert Kohlmaier ringen um einen gemeinsamen Nenner in der Frage, ob sie als hündische Obmänner bei Wahlen um die Mock-Stellvertretung kandidieren sollen.

„Alle oder keiner“, faßt Kohlmaier die bisherigen Überlegungen des Terzetts zusammen, wobei letztlich wahrscheinlich keiner an treten wird. Vor allem Minkowitsch dürfte wenig Bereitschaft zeigen, sich einer solchen Wahl zu stellen.

Harte Nuß Nummer 2: Wie viele Stellvertreter soll Mock bekommen? „Alle wesentlichen Gruppen“ deponierte Sallinger unmißverständlich sein Wollen, „sollen in der engeren Parteiführung vertreten sein.“

Gut im Rennen für die Stellvertreter-Funktionen liegt derzeit das Wahlsieger-Kleeblatt Josef Ratzen- böck, Erhard Busek und Bertram Jäger. Was auf das Sallinger-Anliegen fehlt, ist zumindest ein Bauem- bund-Mann und/oder eine Frau. In diesem Zusammenhang werden dem Steirer Josef Krainer gute Chancen

eingeräumt, aber auch die Salzburgerin Helga Wieser und die Burgenlän- derin Ottilie Rochus sind im Gespräch.

Harte Nuß Nummer 3: Wenn die Parteiobmann-Stellvertreter gewählt werden, werden sie in der Volkspartei eine Rolle spielen, die in den vergangenen Phasen der Parteigeschichte teilweise dem Generalsekretär zugekommen ist. Der Generalsekretär würde mehr Sekretär und weniger General werden.

Und daher stellt sich, auch wenn sie in der Urabstimmung nicht gestellt werden sollte, die Frage: Soll der Generalsekretär weiterhin vom Parteitag gewählt werden oder soll er auf Vorschlag des Parteiobmannes vom Vorstand oder der Parteileitung bestellt werden?

Daß dieses Problem nicht gänzlich ausgeklammert werden kann, ist sicher. Nicht zuletzt führte etwa die Junge ÖVP Oberösterreichs mit Einsendeschluß 10. Dezember eine Fragebogenaktion durch, bei der auch diese Gretchenfrage gestellt wurde. Der oberösterreichische Jugendobmann Josef Pühringer ortet, derzeit noch am Beginn der Auswertung, geteilte Meinung bei den Jungschwarzen, will aber am Parteitag selbst für eine Bestellung des Generalsekretärs vorpreschen: „Es ist besser, wenn er bestellt wird, weil er dann nicht immer aufpassen muß, daß er ein halbwegs gutes Wahlergebnis bekommt. Eine Bestellung bringt dem Generalsekretär mehr Bewegungsspielraum.“

Während die Organisationsfragen relativ konkret formuliert werden können, ist dies bei richtungsmäßig besetzten Fragen ungleich schwieriger. Dies ist auch Heribert Steinbauer, der die Urabstimmung freilich inhaltlich vorzubereiten hat, bewußt. „Eine Gesinnungsänderung“, meint er, „kann man weder durch Statuten noch durch Urabstimmung so ohne weiteres herstellen.“ Aber gerade in diesem Bereich wünscht sich das Parteivolk eine echte Erneuerung.

Hier mit allgemein klingenden Fragestellungen den Boden aufzubereiten, damit nach der Urabstimmung konkrete Parteianträge formuliert werden können, wird vergleichsweise leicht durch Konsens möglich sein. Die schwierigsten Fragen sind zugleich die einfachsten.

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