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Neues Parteigefühl

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Der ÖVP-Parteitag, der am 30. November und am 1. Dezember in Salzburg stattfindet, soll es möglich machen: die Partei will sich in einem neuen Kleid ihren Mitgliedern und Wählern präsentieren. Ein neues Grundsatzprogramm und ein neues Organisationsstatut wurden nach langen Beratungen vom Parteivorstand genehmigt und sollen nun auch von den Parteidelegierten approbiert werden.

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Der ÖVP-Parteitag, der am 30. November und am 1. Dezember in Salzburg stattfindet, soll es möglich machen: die Partei will sich in einem neuen Kleid ihren Mitgliedern und Wählern präsentieren. Ein neues Grundsatzprogramm und ein neues Organisationsstatut wurden nach langen Beratungen vom Parteivorstand genehmigt und sollen nun auch von den Parteidelegierten approbiert werden.

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Als im Herbst des Vorjahres, nach der Nationalratswahl, die ÖVP-Füh-rung zu einem „Jahr der Parteiarbeit“ aufrief — für das in Journalistenkreisen der Begriff „Trockendock“ geprägt wurde, war man längst mit Entwürfen für ein neues Programm beschäftigt. Man wollte aber nicht nur ideologische Grundlagen der Partei von antiquierten und etwas verstaubten Begriffen befreien, sondern es sollte auch die Tagesarbeit, der Apparat politischer Willensbildung und Entscheidungsfindung, durch ein (möglichst) straffes Organisationsstatut auf eine neue, vielleicht flexiblere Basis gestellt werden.

Beim Lesen des neuen Statuts, so wie es dem Parteitag vorliegen wird, fällt freilich eines auf: man hat viel vom Gedankengut der bisherigen Organisationsform — wenn auch vielleicht etwas anders formuliert — übernommen. Doch gibt es zweifellos eine Reihe von Neuerungen, wenn auch, wie es ein Funktionär formulierte, viel für die Optik getan wurde.

Die drei Bünde (Wirtschaftsbund, Bauernbund und ÖAAB) werden nach dem neuen Statut drei von insgesamt fünf Teilorganisationen der Partei sein, zu denen noch die Frauenbewegung und die Junge ÖVP zählen. Gerade die Frage des Verhältnisses dieser fünf Teilorganisationen zueinander aber dürfte im Begutachtungsverfahren nicht ganz friktionsfrei über die Bühne gegangen sein. Fürchtete man doch in den Bünden einen ' Hausmachtschwund, weil aus der Gleichberechtigung von Frauen- und Jugendorganisation ein Konkurrenzverhältnis entstehen könnte.

Einen Zug zur Demokratisierung stellt zweifellos das Auswahlverfahren dar, wie es im neuen Statut für die Kandidaten von Parteiämtern und Mandaten vorgesehen ist. Das Zauberwort heißt hier „Vorwahlen“.

Die Bezirksparteiorganisationen sollen der Landesorganisation ihre Vorschläge zur Aufstellung der Kandidatenlisten übermitteln. Dies hat nach Möglichkeit — nur eine Sollbestimmung also — unter Teilnahme aller Parteimitglieder zu geschehen. Zu d'eser Bestimmung hat sich der Statutenausschuß der Partei entschlossen, nachdem man bei der Aufstellung der Kandidatenlisten für Wahlgänge in der Steiermark und in Salzburg gute Erfahrungen gemacht hat. Nach dieser ersten Stufe der KandidRtenaufstellung kommt es zur Aufstellung der Listen für den Bereich der Landesorganisation. Aller-dinss werden hier nicht nur die Namen berücksichtigt, die von den Bezirken eingereicht wurden, sondern es kommen noch Kandidaten dazu: Bei Landtagswahlen hat nämlich die Landesparteileitung, bei Nationalratswahlen die Bundesparteileitung des Recht, einen, wenn auch kleinen, Prozentsatz von Personen ihres Vertrauens auf die Listen zu setzen.

Dann kommt der heikelste Teil der Aufstellungsprozedur: die Reihung. Kann man die von Landes- oder Bundesparteileitung namhaft gemachten Kandidaten — vielleicht prominente Persönlichkeiten — ganz hinten auf die Listen setzen? Wohl nicht. So obljegt es der Landesparteileitung, einen Interessenausgleich herbeizuführen.

Während der Vorbereitungsarbeiten für die Aufstellung des neuen Statuts gab es laute Stimmen für die Normierung eines starren Alterslimits für die Ausübung von Parteiämtern und für die Aufstellung zum Kandidaten für ein Mandat. Man fand einen Kompromiß: wenn eine Persönlichkeit, die 65 Jahre alt ist, in geheimer Wahl mit Zweidrittelmehrheit zur Kandidatur für ein Parteiamt oder ein Mandat vorgeschlagen wird, so kann sie gewählt werden. Man könne nicht, so heißt es im ÖVP-Generalsekretariat, für eine konstruktive Altenpolitik eintreten und gleichzeitig Fünfundsechzigjäh-rige mittels einer „Fallbeilbestimmung“ von einer weiteren politischen Tätigkeit ausnahmslos ausschließen.

Alle, die ein Parteiamt oder ein Mandat für die ÖVP innehaben, müssen Parteimitglieder sein, setzt das neue Statut fest. Dem steht zumindest jetzt die Praxis entgegen. Die Naionalratsabgeordneten Professor Ermacora und Fischer ressortieren als „unabhängig“ innerhalb der ÖVP-Fraktion. Will man eine solche Möglichkeit auch in Zukunft haben, wird man sich erst noch etwas einfallen lassen müssen.

Neues bringt das Organisationsstatut auf dem Gebiet der Parteifinanzierung: war es bisher so, daß die Bünde 10 Prozent ihres Beitragsaufkommens an die Parteizentrale abführten, wobei die Summe auf Grund eines Übereinkommens schätzungsweise festgelegt wurde, so will man in Zukunft anders vorgehen. Jede Teilerganisation muß dann einen Fix betrag pro Mitglied zahlen. Dies könnte, so formulierte es ein bündischer Funktionär mit Augenzwinkern, zu einem schlagartigen Schwund an (deklarierten) Mitgliedern der Teilorganisationen führen.

Aber wer keiner Teilorganisation angehören will, kann schließlich auch der Partei direkt beitreten, eine Möglichkeit, die allerdings schon bisher, wenn auch nur theoretisch, bestanden hat.

Wird der ÖVP-Parteitag also Wesentliches am Gesicht der Partei ändern? Es könnte ein neues, wenn auch sicher kein ganz neues Parteigefühl geben.

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