Man erinnert sich noch an die Wahlkampagne der niederösterrei- schen Sozialisten vor der Landtagswahl im vergangenen Frühjahr. Die ÖVP und ihr Landeshauptmann Maurer regiere das Land Niederösterreich wie einen Erbhof, grollten die Genossen und sprachen von der „Agrarkamarilla“ der Volkspartei im Land um Wien. Je nach Couleur konnte der Wähler damals gustieren, ob er diese Aussprüche für pure Wahrheit nahm oder als maßlose Übertreibung abqualifizieren sollte.Das ist jetzt rund ein halbes Jahr her und schon wieder ziemlich in Vergessenheit geraten, Bdą man sich in der Vorwoche
Die Strafrechtsdebatte im Nationalrat ist vorbei, die Diskussion über das neue Gesetzeswerk, das mit Jahresbeginn 1975 in Kraft tritt, wird aber noch lange nicht abflauen. Zunächst geht einmal die parlamentarische Diskussion weiter, im Bundesrat nämlich, wo die ÖVP Einspruch gegen den Gesetzesbeschluß des Nationalrates erheben wird und neuerlich eine große Debatte abzuhalten gedenkt. Dann muß das Gesetz nochmals in den Nationalrat, der ja, damit es in Kraft treten kann, einen Beharrungsbeschluß fassen wird. Und hier werden es sich die Vertreter der beiden Oppositionsfraktionen sicher
Die Wahlkämpfe für die Landtags- und Gemeinderatswahlen am 21. Oktober in Wien und Oberösterreich haben nicht nur Bürgermeister, Bezirks- und Landesparteisekretäre und sonstige Lokalpolitiker in ihren Bann geschlagen, auch die Spitzenfunktionäre aller Parteien sind mit Einsatzplänen für Wahlreisen überhäuft.
Nirgends zeigen sich in der Praxis die Grenzen des Parlamentarismus so deutlich wie bei der jährlichen Budgetdebatte des Nationalrates. Schon bei der Budgetrede des Finanzministers, bei der ersten Lesung des Bundesvoranschlages, gibt es eine ausführliche Plenardebatte, bei der die Opposition die Gelegenheit wahrnimmt, die gesamte Politik der Regierung einer eingehenden Diskussion und Kritik zu unterziehen. Dann folgen die mehrwöchigen intensiven Ausschußberatungen, schließlich werden die Ansätze nochmals im Plenum, nach Sachgebieten geordnet, durchgenommen. Das dauerte in den letzten Jahren auch meist fast zwei Wochen.
Wenn Gerüchte um mögliche Regierungsumbildungen immer stärker werden und wenn diese Revirements dann tatsächlich durchgeführt werden, ist es zumeist schlecht um ein Kabinett bestellt. Das Vertrauen der Bevölkerung in den Regierungschef, der ja für die Auswahl seiner Minister verantwortlich zeichnet, auch wenn sie ihm von starken Gruppen in seiner Partei oder von Interessenvertretungen, deren Wohlwollen er braucht, aufgezwungen worden sind, beginnt abzubröckeln. So ging es zumindest dem Bundeskanzler der ÖVP-Alleinregierung, Josef Klaus, als er in der Hälfte seiner Amtszeit einen Teil der Minister austauschte.
Der Begriff „Testwahl“ ist gerade in der letzten Zeit sehr oft strapaziert worden. Zweifellos war es vor allem die Opposition auf Bundesebene (und hier wieder in erster Linie die ÖVP), die dieses Schlagwort gebraucht hat — und sie hätte am liebsten jede Betriebsratswahl, bei der der ÖAAB Stimmengewinne verzeichnete, zur Testwahl für die Politik der Regierung Kreisky erklärt.In einem Fall hat aber der Bundeskanzler selbst von „Testwahlen“ gesprochen — und zwar im Falle der Landtagswahl in Oberösterreich, deren Termin nach langen Querelen mit 21. Oktober nunmehr feststeht.Daß
„Die Zeiten ändern sich und wir mit ihnen“, steht neuerdings als Ubersetzung eines alten lateinischen Spruches in Balkenlettern auf den Auslagenscheiben eines großen Autosalons an der Wiener Ringstraße. Dort bezieht sich der Spruch nur auf die ausgestellten Automobile. Der Spruch fällt einem aber aucb ein, wenn man die beiden Konzepte ansieht, die ÖVP und SPÖ in der Vorwoche veröffentlicht haben.
Spätestens seit Donnerstag der Vorwoche weiß es auch der letzte politische Normalverbraucher: Der mächtige ÖGB- und Nationalratspräsident Benya — zweiter Mann im Staat — führt einen innerparteilichen Krieg gegen SPÖ-Vorsitzenden und Bundeskanzler Kreisky — dritter Mann im Staat — und nicht zuletzt auch gegen Finanzminister Androsch.
Ohne Fragezeichen stand der Partner-Slogan als Motto über dem 15. außerordentlichen Parteitag der Volkspartei, der am 30. November und 1. Dezember des Vorjahres in Salzburg stattfand. Das nach dem Wahlmißerfolg im Herbst 1971 proklamierte „Jahr der Parteiarbeit“ fand mit dieser Veranstaltung ein offizielles Ende. Seit Salzburg sind zwar kaum fünf Wochen vergangen, eine kurze Zeit. Doch war sie voll von politischen Ereignissen, die gerade „die Stunde der großen Oppositionspartei“ hätten bedeuten können. Waren sie es wirklich? Und was bringt das nächste Jahr für die ÖVP?
Verteidigungsminister Lütgendorf hat wieder einmal zugeschlagen. Die dem baldigen Sitzungsende am vergangenen Donnerstag entgegenharrenden Nationalratsabgeordneten wurden während eines „Grundsatzreferates“ des Ministers im Rahmen der Debatte über das Wehrbudget immer unruhiger. FPÖ-Ob-mann Peter löste eine Geschäftsordnungsdiskussion aus, weil er die Rede Lütgendorfs als Regierungserklärung bezeichnete und den Text in schriftlicher Form vorgelegt haben wollte, damit sich die Abgeordneten auf die Debatte darüber vorbereiten können. Mitten im anschließenden Tumult, der seinesgleichen seit Bestehen der Zweiten Republik nicht hatte, verließ Lütgendorf mit steinernem Gesicht um 20.40 Uhr den Plenarsaal.
Nach der faktischen Installierung eines Triumvirates nach dem letzten ÖVP-Parteitag im Juni 1971 galt das Augenmerk der politischen Auguren nun vor allem der Frage, wer aus dem schwarzen Dreigestirn Schleinzer-Kohl-maier-Koren denn nun als Sieger hervorgehen werde. Der Parteitag stand im Zeichen eines Mannes: Karl Schleinzer, der seine Führungsrolle — wohlapplaudiert von den Delegierten — in Anspruch nahm und drastisch unter Beweis stellte. Professor Koren scheint sich auf seinen unmittelbaren Kompetenzbereich zurückgezogen zu haben. Bis auf weiteres also: kein Konflikt in der „Firma“ Volkspartei?
Spätestens nach der Nationalratswahl des Jahres 1970, die dem Land statt der durch eine solide Parlamentsmehrheit gestützten ÖVP-AIleinregierung das auf wackeligen Parlamentsbeinen stehende Minderheitskabinett Kreisky I bescherte, begannen sich nicht nur politische Strategen der beiden Großparteien und berufsmäßige Auguren des innenpolitischen Geschehens für die Politik der FPÖ zu interessieren. Seither sind rund zweieinhalb Jahre vergangen. Ist aus den Freiheitlichen eine „dritte Kraft“ geworden?
Der ÖVP-Parteitag, der am 30. November und am 1. Dezember in Salzburg stattfindet, soll es möglich machen: die Partei will sich in einem neuen Kleid ihren Mitgliedern und Wählern präsentieren. Ein neues Grundsatzprogramm und ein neues Organisationsstatut wurden nach langen Beratungen vom Parteivorstand genehmigt und sollen nun auch von den Parteidelegierten approbiert werden.
Daß der von der ÖVP mehrfach angekündigte „heiße Herbst“ im Parlament das Gesprächsklima zwischen Regierungspartei und den Oppositionsfraktionen an die „Null-Grad-Grenze“ herangebracht hat, erscheint nur von den Worten her als Widerspruch. Tatsächlich existieren beide Begriffe gerade im parlamentarischen Geschehen der letzten Wochen nebeneinander.