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Wie einst Josef Klaus?

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Wenn Gerüchte um mögliche Regierungsumbildungen immer stärker werden und wenn diese Revirements dann tatsächlich durchgeführt werden, ist es zumeist schlecht um ein Kabinett bestellt. Das Vertrauen der Bevölkerung in den Regierungschef, der ja für die Auswahl seiner Minister verantwortlich zeichnet, auch wenn sie ihm von starken Gruppen in seiner Partei oder von Interessenvertretungen, deren Wohlwollen er braucht, aufgezwungen worden sind, beginnt abzubröckeln. So ging es zumindest dem Bundeskanzler der ÖVP-Alleinregierung, Josef Klaus, als er in der Hälfte seiner Amtszeit einen Teil der Minister austauschte.

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Wenn Gerüchte um mögliche Regierungsumbildungen immer stärker werden und wenn diese Revirements dann tatsächlich durchgeführt werden, ist es zumeist schlecht um ein Kabinett bestellt. Das Vertrauen der Bevölkerung in den Regierungschef, der ja für die Auswahl seiner Minister verantwortlich zeichnet, auch wenn sie ihm von starken Gruppen in seiner Partei oder von Interessenvertretungen, deren Wohlwollen er braucht, aufgezwungen worden sind, beginnt abzubröckeln. So ging es zumindest dem Bundeskanzler der ÖVP-Alleinregierung, Josef Klaus, als er in der Hälfte seiner Amtszeit einen Teil der Minister austauschte.

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Als die Minister begonnen hatten, sich in ihren Ressorts auszukennen, war ihr Auftritt und damit die Amtsperiode der ÖVP-Alleinregierung bereits zu Ende. Doch waren damals — wenn man sich zurückerinnert — die Kritiken gar nicht so lautstark und so gravierend, wie sie heute an Mitgliedern der sozialistischen Bundesregierung angebracht werden — man hatte nicht zuletzt weniger Regierungsmitglieder zur Verfügung. Was kann es etwa für einen sozialistischen Landwirtschaftsminister an härterer Kritik geben, als daß man ihm vorwirft, er setze die Politik seiner Amtsvorgänger aus der ÖVP, zuletzt des nunmehrigen Parteiobmannes Doktor Schleinzer, fort? Eine Politik, die während Schleinzers Tätigkeit gerade von den Sozialisten besonders scharf attackiert worden ist. Wer erinnert sich nicht an das ständige Trommelfeuer gegen den damaligen Landwirtschaftsminister, er verteile die Agrarsubventionen nach dem „Gießkannenprinzip“? Hat Weihs ein anderes System erfunden?

Und was sind die seinerzeitigen Angriffe gegen den ÖVP-Verteidi-gungsminister Prader im Vergleich zu den jetzigen gegen Lütgendorf! Immerhin hat Prader wenigstens noch militärische Geräte angeschafft, während jetzt mit Attrappen exerziert wird. Für die restlichen noch einsatzbereiten Fahrzeuge, Panzer oder gar Flugzeuge fehlt ja der Sprit. Bitte, Gesundheitsministerium gab es früher keines, also konnte es nicht kritisiert werden. Aber von der eineinhalb Jahre dauernden Tätigkeit des neuen Ministeriums hat der Normalverbraucher, abgesehen von einem Debakel bei der Bekämpfung der Maul- und Klauenseuche in Ostösterreich und einem Schreiben, sich zur Gesundenuntersuchung zu melden (bisher allerdings nur in Wien und Kärnten), nichts gesehen.

Dazu kommt, daß innerhalb der SPÖ in den Bundesländern mehr und mehr Probleme auftauchen. In Kärnten muß bezüglich der Ablöse von Landeshauptmann Sima eine Lösung gefunden werden, und das eher früher als später. Dies wäre ein weiterer Grund für ein Mitglied der Bundesregierung, auszuscheiden: für Verkehrsminister Frühbauer, der vor allem in der SPÖ-Organisation Villach eine gewisse „Hausmacht“ besitzt. Aus dem Burgenland dringen auch immer öfter Gerüchte, die dortige SPÖ-Landesorganisation sei nicht in Ordnung. Landeshauptmann und SPÖ-Landesparteiobmann Kery ist nicht mehr der unumstrittene Mann — wer würde heute Kery noch als Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten nennen, wie es vor einem Jahr der Fall war? Unterrichtsminister Sinowatz, der ja nach wie vor sozialistischer Landesparteisekretär im Burgenland ist, hat die Organisation etwas schleifen lassen, er amtiert nur noch einen Nachmittag pro Woche im Parteisekretariat in Eisenstadt. So gibt es auch dort Stimmen in der SPÖ, die Sinowatz wieder gern ganz in Eisenstadt sehen würden. .

Wer also in dieser Regierung nicht schon mit scharfer Kritik an seiner Amtsführung rechnen muß, wie etwa Verkehrsminister Frühbauer, der wäre aus anderen Gründen auf einem anderen Platz innerhalb der Partei vonnöten.

Frei von Kritik aus der breiteren Öffentlichkeit sind aber bisher wenige Minister geblieben. Man muß schon nachdenken, um einen zu finden. Und da ist es vielleicht am ehesten noch Handelsminister Stari-bacher, der als der „Integrationsminister“ dasteht, als derjenige, der die Verträge zwischen Österreich und den europäischen Gemeinschaften unter Dach und Fach gebracht hat. Über die Funktionen der drei Gehilfen des Bundeskanzlers, der drei Staatssekretäre, ist sich die Bevölkerung vollends im unklaren.

So dürften also in der nächsten Zeit die Gerüchte — mögen es auch vielleicht lancierte „Zweckgerüchte“ sein — um eine Umbildung des Kabinetts Kreisky II nicht mehr verstummen. Für den Bundeskanzler tun sich damit viele Probleme auf: Soll er mit einer neuen Mannschaft in die Zielgerade seiner Regierungs-periode gehen? Wenn man das Jahr 1974 bereits als Vorwahljahr klassifiziert, wäre dies eine mögliche Lösung: man hätte die Kritik an den bisherigen schwachen Ministern mit einem Mal vom Tisch gefegt und könnte mit einer neuen Mannschaft ein neues, faszinierendes Feuerwerk von Ankündigungen in die Luft schießen. Man könnte versuchen, „ministrable“ Persönlichkeiten aus jenen Bundesländern in die Regierung aufzunehmen, die jetzt als Hoffnungsgebiet der SPÖ gelten: etwa aus Salzburg oder aus Tirol, dies würde vielleicht in den betreffenden Bundesländern Wahlerfolge bringen.

Oder soll Dr. Kreisky weiter mit diesem Kabinett regieren und versuchen, soviel als möglich von dem schon vor fast allzulanger Zeit Angekündigten zu realisieren?

Fest steht, daß jede mögliche Änderung in der Zusammensetzung der

Regierung erst nach dem 21. Oktober vorgenommen werden kann. Gehen die beiden Wahlgänge an diesem Tag — in Wien und in Oberösterreich — für die SPÖ schlecht aus, so wird man dafür zweifellos (vielleicht auch bei den Sozialisten selbst) die Bundespolitik verantwortlich machen. Dann wird es vielleicht auch dem Kanzler leichter fallen, sich für neue Gesichter in seiner Regierung zu entscheiden.

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