6849453-1976_40_04.jpg
Digital In Arbeit

Neue Namen — alte Probleme

19451960198020002020

Am 1. Oktober rücken neue Männer in die Bundesregierung ein: Sektionschef Dr. Willibald Fahr übernimmt von Erich Bielka das Außenressort, Dr. Gerhard Weissenberg tritt im Sozialministerium an die Stelle von Ing. Rudolf Häuser, Dipl.-Ing. Günther Haiden steigt im Landwirtschaftsressort vom Staatssekretär zum Minister auf, in dessen alte Position rückt der Lavanttaler Bauer Albin Schober nach.

19451960198020002020

Am 1. Oktober rücken neue Männer in die Bundesregierung ein: Sektionschef Dr. Willibald Fahr übernimmt von Erich Bielka das Außenressort, Dr. Gerhard Weissenberg tritt im Sozialministerium an die Stelle von Ing. Rudolf Häuser, Dipl.-Ing. Günther Haiden steigt im Landwirtschaftsressort vom Staatssekretär zum Minister auf, in dessen alte Position rückt der Lavanttaler Bauer Albin Schober nach.

Werbung
Werbung
Werbung

Eine knappe Woche später — übrigens am Namenstag des 'heiligen Bruno — werden die neuen Männer dem Parlament vorgestellt, wird die Praxis der Regierungsumbildung von der ÖVP-Fraktion angegriffen und von der SP-Mehnheitsfraktion verteidigt werden. Die Opposition würde gut daran tun, heftige Angriffe an die neuen Männer zu vermeiden; ihre neuen Aufgaben sind so kompliziert, die Probleme in ihren Ressorts so gewichtig, daß man ihnen allen fürs erste eine Schonfrist zubilligen sollte. Frühestens nach einem halben Jahr wird man seriös beurteilen können, ob sie Sehwachstellen haben, wo diese im Detail liegen.

Bundeskanzler Kreisky hat die neuen Namen seines Kabinetts so früh genannt, daß ihre offizielle Ernennung und ihre parlamentarische Vorsteliungstour in der Öffentlichkeit keine große Resonanz mehr entfachen können. Jedes der neuen Regierungsmitglieder genießt bereits ein spezifisches Image: Pahr ist der Karrierebeamte schlechthin, ein wenig eitel, gewiß tüchtig und strebsam, für einen gewaltigen Sprung auf der Karriereleiter auch bereit, das Parteibuch zu wechseln; darin gleicht er dem neuen Staatssekretär im Agrarressort, Albin Schober, der es in einem für einen Politiker zarten Alter von 38 Jahren immerhin schon zu Mitgliedschaften bei allen im Parlament vertretenen Parteien gebracht hat; zur Zeit ist der ,31ut-gruppe-3-Mann“ Mitglied der Sozialistischen Partei. Dr. Gerhard Weisseriberg ist Sozialist der ersten Stunde. Noch Oskar Helmer riet ihm, Jus zu studieren, weil es in der SPÖ an .guten Juristen mangle. 1949 zog er als Fachreferent in den ÖGB ein, 1968 wurde er Präsident im Hauptverband der Soziaiversicherungs-träger, 1976 Sozialminister. Ein verhältnismäßig geradliniger Karriereweg für einen Mann, der sich schon in jungen Jahren für die Sozialpolitik entschieden hatte und felsenfest davon überzeugt ist, daß eine Änderung der Gesellschaft noch am ehesten mit den Mitteln der Sozialpolitik zu erreichen ist. Dipl.-Ing. Günther Haiden schließlich zählt, obwohl gebürtiger Vorarlberger, zum Wiener Parteiadel. Er war ein eher glückloser Funktionär in Wien-Währing, wurde schließlich auf Vorschlag des ÖGB Direktor in den Bundesforsten, avancierte in das Staatssekretariat im Landwirtschaftsminlsterium und tritt nun — übrigens gegen den ausdrücklichen Willen des Bundeskanzlers — das Ministeramt an. In Kreiskys Sicht verkörpert der eher introvertierte Haiden zu wenig den Typ des Bauern, bringt seine Ideen nicht über die Rampe, vermag nicht zu begeistern.

Auf die neuen Männer in der Bundesregierung warten vielschichtige und äußerst komplizierte Aufgaben, vielleicht die schwierigste überhaupt auf Außenminister Pahr. Ihm obliegt es, die Lösung der Minderheitenfrage in Kärnten voranzutreiben, zerschlagenes Porzellan wieder zu kitten, aus dem Ergebnis der zweifelhaften Minderheitenfeststel-lung ein Instrument zur Befriedigung aller Interessen zu formen. Zu diesem Thema bezog Rudolf Kirchschläger als Außenminister eine humane Position, sein Nachfolger Erich Bielka ließ die Dinge treiben, als Bruno Kreisky sich des Problems leider sehr erfolglos anzunehmen begann. Willibald Pahr soll sie nun einem guten 'Ende attfUhren. Auch in seiner neuen Partei hält man diese1 Aufgabe für ein Himmelfahrtskommando, zumal alle Außenminister unter Bruno Kreisky auch genug zu tun hatten, die außenpolitischen Sprünge des „Meisters“ mit den orthodoxen Mitteln der Diplomatte zu verteidigen, zu interpretieren oder gar zu bereinigen.

Sozialminister Wassenbergs Problem besteht darin, daß es im österreichischen Wohlfahrtsstaat angesichts der bedrückenden Enge im Staatshaushalt immer weniger zu verteilen gibt. Soll die Finanzierungsfähigkeit der Pensionen erhalten bleiben, wird der neue Sozialminister auf der Stelle treten müssen, obwohl er viele neue Ideen hätte: Bildungsurlaub, weitere Urlaubsverlängerung, Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten. Wenn es ihm nur gelänge, die Kodifikation des Arbeitsrechtes — ein Vorhaben, das schon Minister Grete Rehor angegangen war — endlich zu einem vernünftigen Ende zu bringen, Dr. Weissenberg würde sich als Sozialminister unsterbliche Verdienste erwerben.

Die neue Garnitur im Landwirtschaftsministerium wird in den ersten Monaten damit ausgelastet sein, das gestörte Verhältnis zwischen Agrarressort und Bauernkammer-organisation zu verbessern. Erfolge für die österreichischen Bauern lassen sich wohl nur dann erreichen, wenn die Regierung mit der gesetzlichen Vertretung der Bauern zusammenarbeitet; ein Kollisionskurs müßte die Früchte der heimischen Agrarpolitik faulen lassen. Ein weiteres Problem für Agrarminister Haiden besteht darin, bei seinen Regierungskollegen ein besseres Verständnis für die Sorgen der österreichischen Bauernschaft zu schaffen. Wie die Dinge liegen, hat sich die Bundesregierung dazu entschlossen, ihre Sparsamkeit vor allem auf dem agrarpolitischen Feld zu demonstrieren. Damit war sie schlecht beraten. Vielleicht gelingt es dem neuen Landwirtschaftsminister, hier zu retten, was zu retten ist. Die Präsentation von Statistiken, die steigende Einkommen auch für die Bauern behaupten, ist zu wenig für eine soziale Landwirtschaftspolitik, wo gleichzeitig auf eine biologische „Endilösung“ der Zuschußrentner gesetzt wird.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung