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Vorerst Friede durch Angst

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Noch beschnuppern und betasten Österreichs Bauern und deren gesetzliche Vertreter in den Landwirtschaftskammern die beiden „Neuen“ im Ministerium. Schon jetzt aber lassen alle politischen Wettervoraussagen einen rauhen und frostigen Agrar-Herbst erwarten: Seit die SPÖ Kärnten zum agrar-politischen Experimentiergelände erklärt hat, befürchten die Bauern weitere Angriffe auf die in den Kammern geübte Selbstverwaltung. Mehr als 100.000 Zuschußrentner sitzen weiter auf der Wartebank. In der Frage des Milchpreises, vor allem aber bei den bereits angelaufenen Verhandlungen über das Agrarbudget werden Günther Haiden und Albin Schober Farbe bekennen müssen.

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Noch beschnuppern und betasten Österreichs Bauern und deren gesetzliche Vertreter in den Landwirtschaftskammern die beiden „Neuen“ im Ministerium. Schon jetzt aber lassen alle politischen Wettervoraussagen einen rauhen und frostigen Agrar-Herbst erwarten: Seit die SPÖ Kärnten zum agrar-politischen Experimentiergelände erklärt hat, befürchten die Bauern weitere Angriffe auf die in den Kammern geübte Selbstverwaltung. Mehr als 100.000 Zuschußrentner sitzen weiter auf der Wartebank. In der Frage des Milchpreises, vor allem aber bei den bereits angelaufenen Verhandlungen über das Agrarbudget werden Günther Haiden und Albin Schober Farbe bekennen müssen.

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Vorläufig sind die Augen der mit der Agrarpolitik Befaßten gespannt auf das Bundesland Kärnten gerichtet, wo am 20. November die nächsten Landwirtschaftskammer-Wahlen ins Haus stehen. Kärnten ist deshalb von besonderem Interesse, weil hier die absolute Mehrheit des ÖVP-Bauern-bundes, im Gegensatz zu allen anderen Bundesländern, auf eher wackligen Beinen steht und weil auch der Kärntner Bauernbund eine echte Schwachstelle der in anderen Bundesgebieten — so etwa in Niederösterreich — nahezu „paramilitärisch“ organisierten ÖVP-Bauern-organisation darstellt.

Die Ausgangslage: Gemeinsam mit der FPÖ hat die SPÖ im Frühjahr dem Kärntner Landtag ein Gesetzespaket aufgetischt, das nach Ansicht der ÖVP die Kammern aushöhlen und die Förderungspolitik einem entsprechend dem Mehrheitsverhältnissen des Landes von der SPÖ dominierten Beirat übertragen wird.Schließlich sollen die Ortsbauernaus-schüsse durch Gemeindeausschüsse ersetzt und die Bezirksbauernkam-mern einfach aufgelöst werden. In der Vollversammlung soll ferner für die Beschlußfassung wichtiger Probleme eine Zwei-Drittel-Mehrheit erforderlich sein, was den Sozialisten im Vereine mit FPÖ und Allgemeinem Bauernverband (ABV) praktisch das Vetorecht bringt.

Nach dem kläglichen Auf-die-Pau-ke-Hauen des ABV, der mit Sitz- und Hungerstreiks sowie chaotischen Demonstrationen heuer im Sommer Po-lit-Amok lief, ist der Ausgang der Kammerwahlen wieder völlig offen. Zuletzt (1971) brachte es der ÖVP-Bauernbund auf 14, SPÖ auf fünf, FPÖ und ABV auf je zwei Mandate, die slowenischen Bauern erhielten kein Mandat. Kärntens Bauern-bundobmann Abg. Valentin Deutschmann, der nun nach wiederholten Anläufen doch hofft, Kammer-Präsident Stefan Sodat ablösen zu können, rechnet sogar wieder mit leichten Gewinnen.

Nächstes heißes Eisen: Die Zuschußrentner, nach neuestem Stand 103.581. Auf ihre Kosten liegen sich seit Jahren die Parteien und neuerdings auch die Regierung und die Landeshauptleute in den Haaren. Indessen ist immer häufiger von einer „biologischen Lösung“ die Rede. Durch Todesfälle reduziert sich die Zahl der Zuschußrentner pro Jahr um einige Tausend.

1969 machte das Parlament einen ersten Versuch, den Altbauern unter die Arme zu greifen. Die Regelung, die ein fiktives, in vielen Fällen aber gar nicht existentes Ausgedinge zur Grundlage hatte, war von Anfang an mit Mängeln behaftet. Zur Zeit liegt ein Regierungsentwurf vor, der neben saftigen Einö-hungen für die Bauernpension.sver-sicherung eine auf 15 (!) Jahre angelegte etappenweise Heranführung der Zuschußrentner an die Bauernpensionisten vorsieht.

Einziger Lichtblick: Wenigstens jenen Zuschußrentnern, die überhaupt kein Ausgedinge bekommen (angeblich rund 5000 Personen), soll nun eine Übergangslösung gewährt werden. Der Streit darüber, wer lürs Zahlen herhält — Bund oder Länder —, ist derzeit im Gange.

In der Bauernschaft wird allgemein in den Verhandlungen mit dem neuen Landwirtschaftsminister Dipl.-Ing. Haiden, dessen Vergangenheit dem VSStö und der Gewerkschaft mehr als den Bauern gehört, ei-ie schärfere Gangart erwartet. Noch sitzt der Regierung aber (vor allem Kreisky) jene Traktordemonstration am Wiener Ring in den Knochen, die Bauern ihrerseits erinnern sich noch recht gut an jene Benya-Äußerung vor dem SPÖ-Parteitag, in der er zum Ausdruck brachte, die Bauern seien ohnedies darauf angewiesen, die Ernte einzubringen und die-Kühe zu melken. Kalter Krieg also, Friede durch, Angst, scheint, in den nächsten Monaten zumindest, am Programm zu stehen.

Mit Ankündigungen über einen „gespaltenen Milchpreis“ zum Abbau der Uberproduktion ist Haiden bereits auf erste Kritik seitens der Präsidentenkonferenz gestoßen. Doktor Klaus Wejwoda bezeichnet das Konzept als unsinnig, weil Haiden nicht dazugesagt habe, wo er die Grenze ziehen wolle, zwischen den Gebieten mit höherem und niedrigerem Erzeugermilchpreis: „Schlagworte ersetzen doch kein System.“ Die Kammern seien zwar gespräciisbe-reit, doch zeichne sich noch kein besseres System als das des Einheitspreises ab.

Vorerst einmal wird die Milch teurer, und zwar um 1,20 Schilling je Liter (ab 1. Jänner 1977). Der höhere Preis ist vornehmlich auf den Abbau der staatlichen Milchpreisstützung zurückzuführen. Das Zurücknehmen der Stützung durch die Regierung erscheint insofern plausibel, als die Milch in Zeiten der Wohlstandsgesellschaft nicht mehr jene föfde-rungswürdige Position einnimmt wie ehedem.

Während es sich Haiden in semer neuen Funktion schon häuslicl ein • richtet, stehen dem Bauernbuni.: noch große Entscheidungen bevor. Über den durch hanners Übersiedlung ins ÖVP-Generalsekretariat freigewordenen Sessel des Bauern-bunddirektors wird die Bauernbund-exekutive erst am 20. Oktober befinden. Vorerst hat die offizielle Seite Funkstille verhängt. Auf der Gerüchtebörse werden der steirische Bauernbunddirektor Dipl.-lng. Josef Riegler, der übrigens auch als künftiger ÖVP-Agrarsprecher im Gerede ist, der Generalsekretär der Präsidentenkonferenz, Dr. Ernst Brandstetter, und der stellvertretende Bauernbunddirektor Niederösterreichs, Dipl.-lng. Franz Flicker, als Nachfolge-Kandidaten gehandelt.

Fest steht vorläufig nur, daß der Lanner-Nachfolger vor großen Problemen, aber auch vor großen Chancen stehen wird: Er wird die Idee des „ländlichen Raumes“ weiterauszubauen haben, er wird aber auch später einmal in der Nachfolge von Bauernbund-Präsident Roland Min-kowitsch ein gewichtiges Wörtchen mitzureden haben.

Was den neuen Staatssekretär Albin Schober betrifft, der in seinem zarten Alter von 38 Jahren angeblich bereits der dritten Partei angehört, hat Dr. Wejwoda von der Präsidentenkonferenz eine entwaffnend erschöpfende Auskunft parat: „Den kenn' i net.'..“

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