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Haiden-Variation“ kontra Bauernbund-„Dreiklang“

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Alle zwei Jahre wieder - der Streit um die Wirtschaftsgesetze ist ein politisch Lied, für dessen Absingen sich dieser Abstand eingebürgert hat Man kann sich dabei des Verdachtes nicht erwehren, daß bestimmte Mißtöne im Sinne einer parteipolitischen Strategie eingeschmuggelt werden. Bedarf doch die im Interesse aller liegende Verlängerung der Wirtschaftsgesetze einer Zweidrittelmehrheit, und die jeweilige Opposition macht ihre Zustimmung gerne von gewissen Zugeständnissen abhängig. Schon in der Zeit der ÖVP-Alleinregierung hat es da manchen „Kuhhandel“ um Posten in der Verstaatlichten Industrie gegeben...

Im landwirtschaftlichen Bereich sollten die Wirtschaftsgesetze diesmal nach dem Wunsch des Landwirtschaftsministers eine „Haiden-Variation“ erfahren. Denn Minister Haiden bemühte sich um eine Herauslösung der Much aus dem Paket der Wirtschaftsgesetze (im Agrarbereich bestehend aus Landwirtschaftsgesetz, Marktordnungsgesetz, Viehwirtschaftsgesetz und Lebensmittelbewirtschaftungsgesetz) und eine Neuregelung des Milchmarktes durch ein -verfassungsrechüich bedenkliches -einfaches Bundesgesetz, alsbald „Müchsteuergesetz“ genannt

Tenor der Haidenschen „Milchmädchenrechnung“: Die Bauern produzieren viel zu viel Milch, daher garantiert

der Staat nur mehr die Verwertung von 110 Prozent des Inlandsbedarfes (dafür zu einem höheren Preis ohne Krisen-groschenabzug), jedem Hof steht nur ein bestimmtes Kontingent zu, darüber hinaus angelieferte Mengen werden mit einer empfindlichen „Milchabgabe“ belastet. So verständlich dieser Vorschlag angesichts der tatsächlichen Uberproduktion vergangener Jahre war, so unsozial mutete er im Hinblick auf die vielen Milchbauern an, die kaum Produktionsalternativen besitzen.

Der ÖVP-Bauernbund konterte mit einem Dreistufenplan (staatliche Stützung bis 118 Prozent des Inlandsbedarfes, Stützung sämtlicher Müchbauern für einen weiteren Prozentsatz, Verwertungsbeitrag des einzelnen Müchbauern für darüber hinaus von ihm angelieferte Milch), wetterte besonders gegen die einzelbetriebliche Kontingentierung und legte sich - wie der Landwirtschaftsminister - in vielen Stellungnahmen auf einen harten Kurs fest.

Daß der von beiden Seiten mit schlechten Vorsätzen gepflasterte Weg ins Parlament zu einem Kompromiß führte, lag nicht nur daran, daß die Verhandler beim entscheidenden „Achtaugengespräch“ (Vizekanzler Hannes Androsch, Landwirtschafts-

minister Günther Haiden, Bauern-bundpräsident Roland Minkowitsch und Generalsekretär Ernst Brandstätter von der Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern) reichlich Milch der frommen Denkart getrunken haben dürften, sondern vor allem an der jüngsten Entwicklung des österreichischen Milchmarktes. Einem größeren Absatz von Much und Milchprodukten im ersten Quartal 1978 steht eine Anlieferung von 1. Jänner bis 30. Aprü 1978 gegenüber, die um 2,7 Prozent unter jener von 1977 liegt.

Für Kenner derartiger Verhandlungen war es kein Wunder, daß danach einige alte Hüte mit einer neuen Feder versehen worden waren, der „Krisengroschen“ als „Absatzförderungsbeitrag“ eine treffendere Bezeichnung erhalten, das einzelbetriebliche Kontingent aber sich zur „Einzelrichtmenge des Müchproduzenten“ gemausert hatte. Vordergründig war der Bauern-bund-„Dreiklang“ mit wenigen Abstrichen erfolgreich (staatliche Stützung bis 115 Prozentdes Inlandsbedarfes, Tragen der Verwertungskosten für weitere 6 Prozent durch sämtliche Milchbauern - für jede Anlieferung innerhalb dieser Richtmenge von 121 Prozent erhält der Bauer pro Kilogramm 3,51 Schilling, für jedes Kilo-

gramm darüber hinaus nur mehr 1,53 Schüling), aber auch Minister Haiden konnte den vernünftigen Kern seiner Überlegungen in die neue Lösung einbringen.

Daß die ÖVP mit ihrem Entwurf einer „Agrar- und Ernährungswirtschaftsordnung“ im Parlament abblitzte, war bei den derzeitigen Mehrheitsverhältnissen nicht anders zu erwarten. Immerhin gelangten zwei dort enthaltene Punkte in das Viehwirtschaftsgesetz:

• Einbeziehung von Schafen und Schaffleisch in die Viehmarktordnung,

• Schutzbestimmung für die Schweineproduktion in bäuerlicher Hand (die Haltung von mehr als 400 Mastschweinen oder 60 Zuchtsauen je Betrieb bedarf einer Bewüligung durch den Landwirtschaftsminister).

Je vielfältiger die Produktionsmöglichkeiten werden, um so besser. Daher ist der vom Finanz- und Landwirtschaftsminister zugesicherte Förderungsrahmen von 400 Millionen Schilling für das ölsaatenprojekt zu begrüßen. Als Land, wo (nur) Milch und Honig fließen, hat man heutzutage keine agrarische Zukunft mehr.

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