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Milchpreispoker mit Kreisky

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Nach den harten Auseinandersetzungen des Bauernbundes mit der Regierungspartei über das Agrarbudget 1971 begannen die ÖVP- Agrarier auch das neue Jahr mit einem Paukenschlag: Durch eine ÖVP-Delegation unter Führung von Bauembundpräsident Minkowitsch fordern sie eine Erhöhung des seit 1965 unverändert gebliebenen Milch- erzeugerpreiises um 15 Prozent, im Durchschnitt etwa 35 g je Liter.

In der Vorwoche wurde dieser Antrag, den der sozialistische Abgeordnetenklub vehement ablehnte, der

Preiskommission beim Landwirtschaftsministerium zugeleitet, und im Bauernbund glaubt man, wie Direktor Lanner erklärt, daß sich die Regierung nicht gegen diese Forderung stellen kann.

Die Bauern begründeten ihren Antrag damit, daß die Landwirtschaft nicht mehr in der Lage sei, dem Kostendruck bei gleichbleibenden oder sinkenden Agrarpreisen für die einkommensbildenden Produkte Milch und Brotgetreide standhalten zu können, während sich alles andere, allen voran die wichtigen

Betriebsmittel Dünger und Treibstoff, wesentlich verteuert. Außerdem, so argumentieren die Bauern- bundfiunktionäre, bringe das Agrarbudget 1971 für die Landwirtschaft Belastungen in Höhe von 1 Milliarde Schilling. ,

Ersten Berechnungen zufolge würde eine Erhöhung des Erzeugerpreises für Milch um 15 Prozent auch die Verteuerung des Konsuimentenprei- ses der Milch von derzeit 4,60 Schilling pro Liter auf etwa 5.10 bis 5.25 Schilling zur Folge haben, der Käsepreis müßte ebenfalls erhöht werden, für Butter müßten die Verbraucher statt bisher 42 Schilling etwa 52 Schilling ausgeben. Selbstverständlich würde auch das Staatsbudget durch steigende Stützungserfordernisse erheblich belastet werden.

Landwirtschaftsminister Weihs, der ebenfalls mit der Bauembund- forderung keine besondere Freude hat, gab zu bedenken, daß eine Milchpreiserhöhung die notwendige Umstellung von der Milch- auf die Fleischproduktion gefährden würde und eine neue Milchschwemme zur Folge haben müßte.

Derzeit besteht zwischen Milchpreis und Rindfleischpreis etwa ein Verhältnis von 1:7,5, was allgemein als ausreichend für die Wettbewerbs- gleichheit beurteilt wird. Eine Milchpreiserhöhung würde verständlicherweise eine Verschiebung dieses Verhältnisses bedingen und nicht ohne Auswirkungen für die Konsumenten bleiben.

Anderseits ist aber die Forderung der Bauern nicht unberechtigt. Für rund 200.000 Landwirte sind die Ein-

nahmen aus der Milchproduktion von entscheidender Bedeutung. Bei einem gleichbleibenden Milchpreis — derzeit ist dieser sogar mit 10 Groschen Absatzförderungsbeitrag je Liter belastet — wurden die Milchbauem in den letzten Jahren ständig mit steigenden Kosten konfrontiert und von den allgemeinen Preissteigerungen sowie von der Geldentwertung noch zusätzlich schwer betroffen. In den traditionellen Grünlandgebieten besteht aber für die Landwirte keine Möglichkeit, auf andere Produktionszweige auszuweichen. Die triste Ein- kommenssituatian ist nur dort zu mildern, wo der Fremdenverkehr einen Zu- oder Nebenerwerb möglich macht.

Dieser Tatsache wird sich daher die Regierung Kreisky, welche steigende Einkommen auch für die Bauernschaft versprochen hat, nicht entziehen können. Eines steht nämlich fest: Die Bauern sind derzeit der einzige Berufsstand, dem die allgemeine Teuerungssituation nicht abgegolten wird.

Neben der Forderung nach einem höheren Milchpreis verlangt der Bauernbund auch die Bereitstellung eines verbilligten, gefärbten Dieselöls für die Landwirtschaft, die trotz der Treibstoffverbilligung, dotiert mit 280 Millionen Schilling, durch die Dieselpreiserhöhung mit rund 250 Millionen Schilling zusätzlich belastet wird.

Schließlich ist der Bauernbund dařím interessiert, durch die Realisierung einer seiner Vorschläge den Mitgliedern einen „politischen Erfolg“ präsentieren zu können, um weiter glaubhaft zu bleiben. Glaubhaft werden muß den Bauern gegenüber euch Kreisky, das weiß er. Ein politischer Erfolg für beide wäre daher letztlich keine Sensation.

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