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Neuer Milchkrieg?

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Wieder einmal geht es in der österreichischen Politik nicht um die Wurst, sondern um die Milch. Als nach Kriegsende jeder Tropfen Milch begehrt war, hätten die Bauern Phantasiepreise für ihr Produkt verlangen können. Man einigte sich jedoch darauf, staatlich festgesetzte Preise zu zahlen, um den Konsumenten die Milch zu verbilligen.

Später kam der Milchmarkt in Ordnung und wieder später gab es zuviel Milch. Nun kam der staatlich festgesetzte Preis auch den Bauern zugute. Tatsache ist, daß die Regelung auch heute noch sowohl im Interesse der Produzenten als auch der Konsumenten liegt: Ein ständiges Auf und Ab des Milchpreises und der Anlieferung würde niemandem nützen. Die Politiker haben daher den staatlich festgesetzten Milchpreis im großen und ganzen außerStreit gestellt, wenngleich gelegentlich von sozialistischer Seite angekündigt wird, man werde die Marktordnungsgesetze (in denen die staatlich festgelegten Milch- und Getreidepreise und anderes geregelt sind) nicht mehr verlängern. Ebenfalls im großen und ganzen außer Streit steht der Milchkrisengroschen, auch Absatzförderungsbeitrag genannt. Beide Bezeichnungen zeigen, worum es geht: dem Landwirt wird nicht der volle Milchpreis ausbezahlt, man behält eine bestimmte Summe

— zuletzt 5 Groschen pro Liter Milch

— ein, um damit den Milchabsatz zu fördern oder um im Falle einer Überproduktion mit einer starken Erhöhung des Krisengroschens einige Bauern dazu zu bringen, die Milchproduktion wieder zu drosseln.

Mit Wirkung vom 1. März hat nun Landwirtschaftsminister Dr. Weihs ohne Rücksprache mit den bäuerlichen Interessenvertretern den Milchkrisengroschen von 5 Groschen pro Liter auf 15 Groschen pro Liter erhöht. Das heißt, der Bauer erhält für seine Milch um zehn Groschen weniger als bisher. Dabei waren die Bauern gerade dabei, unter Hinweis auf die ständig steigenden Kosten, einen höheren Milchpreis zu fordern.

Selbstverständlich fühlen sich die Bauern vor den Kopf gestoßen, und die ersten Reaktionen auf den Schritt des Landwirtschaftsministers fielen dementsprechend temperamentvoll aus.

Bauernbundpräsident Minkowitsch hat in einer „Protestvorsprache“, wie es in einer Aussendung hieß, Landwirtschaftsminister Weihs aufgefordert, die Milchpreiskürzung rückgängig zu machen, Bauernbunddirektor Dr. Lanner wiederum berief das Bauernbund-Aktionskomitee ein, das unter anderem für die Durchführung von Protestaktionen zuständig ist.

Was die Bauern besonders empört: die Mittel, die für die Absatzförderung vorgesehen waren (und von den Bauern durch den Krisengroschen in der bisherigen Höhe auch brav bezahlt wurden), wurden von der Regierung kurzerhand für andere Zwecke verwendet. Weil nun die Kassen leer sind, da man sie dringend voll brauchen würde, soll nun abermals der Bauer zu ihrer Füllung herangezogen werden. Außerdem wirft man von Bauernbundseite der Regierung vor, daß diese wichtige Auslandsmärkte im Zuge der EWG-Verhandlungen leichtfertig verspielt habe, und nun mit Förderungsmitteln wieder Terrain gewinnen müsse.

Wie ist das Problem zu lösen? Entweder die Bauern machen ihre Drohungen wahr und gehen wieder auf die Straße — solche Vorgangsweisen aber verhärten meist nur die Standpunkte — oder die Regierung behält zwar den Krisengroschen in der nunmehrigen Höhe bei, hebt aber gleichzeitig den Milchpreis in der von den Bauern verlangten Höhe an.

Und das wäre vermutlich das einzig mögliche, um eine Krise wegen des Krisengroschens zu vermeiden.

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