6847848-1976_31_04.jpg
Digital In Arbeit

Der Bauernkrieg

Werbung
Werbung
Werbung

„Demonstrationen mit Barrikadenbau — und was anders ist eine Verkehrsblockade mit Traktoren? — und Hungerstreiks“, so die „Arbeiter-Zeitung“ in einem Kommentar, „sind Ausdrucksmittel von Verzweifelten, die glauben, sich auf keine andere Weise mehr Gehör verschaffen zu können“. Doch aus der Sicht der Bundesregierung besteht gar kein Grund zur Verzweiflung. Den Bauern, sagen Bundeskanzler Kreisky und Lanatoirtsehaftsministter Weihs, gehe es besser als je zuvor. Möglieherweise treibt es sie deshalb noch rascher von der Scholle weg, als das in den letzten Jahrzehnten der Fall war.

Immerhin wußte sich das Land Kärnten und die Bundesregierung gegen derlei Demonstrationen zu helfen. Die Kärntner Landesregierung verhängte ein Traktorfahrverbot, Bundeskanzler Kreisky sagte, daß die Regierung vor solchen Maßnahmen nicht zurückweichen werde, und die „Arbeiter-Zeitung“ verkün-

dete in ihrer letzten Wochenendausgabe stolz und befriedigt: „Urlauberverkehr nach Süden nicht behindert.“

Worum geht es? Anfang Juli fielen in Gesprächen zwischen den Vertretern von Landwirtschaft und Bundesregierung die Würfel über das sogenannte „Agrarpaket“. Den Bauern wurden für die wichtigsten Getreidesorten bis zu fünf Prozent höhere Produzentenpreise zugestanden, für Milch wurde ein um 20 Groschen höherer Produzentenpreis per 1. Jänner 1977 beschlossen. Zu diesem Zeitpunkt soll auch mit einem Abbau der staatlichen Stützungen für die Milchwirtschaft begonnen werden. Gleichzeitig mit diesen Preiserhöhungen erreichte die Landwirtschaft damals auch die seit langem geforderte Anhebung des Vorsteuerabzuges von der Mehrwertsteuer von sechs auf acht Prozent.

In den darauffolgenden Tagen und Wochen blieb der Regen aus, leerte

sich Hitze über die Felder, b^ach eine Dürrekatastrophe mit verheerenden Folgen herein. Grünfutter wurde immer knapper, Stroh mußte über weite Strecken von Ost- nach Westösterreioh transportiert weiden, Notschlachtungen bei stark sinkenden Vieh- und Fleischpreisen mußten durchgeführt werden. Erst sank die Stimmung der so schwer betroffenen Bauern auf den Nullpunkt, der sehr verzögerte Entschluß der Bundesregierung, mit Hilfsmaßnahmen einzuspringen, trieb sie freilich sehr rasch auf den Siedepunkt. Am Donnerstag vor dem letzten in fast ganz Österreich verregneten Wochenende fand sich Landwirtschaftsminister Weihs zu einem „Krisengipfel“ mit den Vertretern der Landwirtschaft bereit. Ein Notstandsprogramm wurde beschlossen, das von Entlastungsaktionen bei Rindern bis zu geförderten Futterakticnen reicht. Zur Sicherung der Futtermittelversorgung in den Dürregebieten soll eine Futterstrohaktion durchge-

führt werden, bei welcher der Staat Frachtkostenverbilligungen gewährt.

Doch wesentliche, teilweise kurz-und teilweise langfristige Maßnahmen wurden auf die lange Bank geschoben. Der Vorschlag von ÖVP-Obmann Josef Taus, ein Sondergesetz für Dürreschäden zu formu] leren und zu beschließen, wurde kaum beachtet; das Verlangen der Präsidentenkonferenz, auf eine bestimmte Zeit als außerordentliche Katastrophenhilfe auf die Einhebung eines Teiles des Absatzförderungsbeitrages bei Milch zu verzichten, soll, wie es Weihs formuliert hat, „geprüft“ werden.

Zwei Dinge sind freilich zu beachten: Natürlich trifft die Bundesregierung keine Schuld an der Hitzekatastrophe und tatsächlich hat sie mit der Landwirtschaft Vereinbarungen über Preiserhöhungen getroffen, die von der Landwirt Schaft voll und ganz akzeptiert wurden. Auf diese beiden Tatsachen baut sie ihre Argumentation auf, und mit diesen beiden Fakten verteidigt sie ihre äußerst inflexible Haltung den Bauern gegenüber.

Denn der Hungerstreik in der Kärntner Landwirtsohaftskammer, die zahlreichen Demonstrationen der Bauern sind nicht ausschließlich auf die Dürrekatastrophe zurückzufüh-

ren. Sie waren nur der letzte Anlaß zum verzweifelten Aufbäumen der Bauern. Sie waren und sind in den Jahren äußerst hoher Inflationsra-ten die Stiefkinder der wirtschaftlichen Entwicklung in Österreich: Düngemittel, Geräte wurden rapid teurer, die Steuerbelastung stieg für die Bauern noch stärker als für die Arbeitnehmer, weil beispielsweise Anfang 1974 die Einheitswerte auf Grundbesitz bedeutend hinaufgesetzt wurden und nun eine Anhebung der Vermögenssteuer um fast 30 Prozent droht, die vor allem das landwirtschaftliche Vermögen treffen wind. Dagegen wurden die Preise immer nur dann von der Bundesregierung hinaufgesetzt, wenn es nun gar nicht mehr anders ging, und diese Preiserhöhungen waren meist so gering, daß damit nicht einmal die Inflationsrate abgedeckt wurde.

Demonstrierten die Bauern gegen diese Politik der Diskriminierung eines ganzen Standes, so griffen Regierungspolitiker oft in die allerletzte Schublade der Demagogie. Es war — und daran muß in diesem Zusammenhang erinnert werden — Bundeskanzler Kreisky, der Bauerndemonstrationen mit kommunistischen Putschversuchen verglich.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung