6809920-1972_28_04.jpg
Digital In Arbeit

Keine Bauernresignation

19451960198020002020

Mit ihrer kürzlich abgegebenen Demonstrationsdrohung erzielten die Bauern einen Teilerfolg. Der Weizenpreis wurde um 15 Groschen pro Kilogramm mit Wirkung vom 1. Juli 1972 erhöht, obwohl der Bundeskanzler noch kurz zuvor nichts von diesem Datum wissen wollte. Die Bauernvertreter erblicken darin die ersten Anzeichen einer beginnenden Einsicht und haben in der Hoffnung auf weiteres Einlenken die bestens vorbereitete Mähdrescher-Warndemonstration vorläufig zurückgestellt.

19451960198020002020

Mit ihrer kürzlich abgegebenen Demonstrationsdrohung erzielten die Bauern einen Teilerfolg. Der Weizenpreis wurde um 15 Groschen pro Kilogramm mit Wirkung vom 1. Juli 1972 erhöht, obwohl der Bundeskanzler noch kurz zuvor nichts von diesem Datum wissen wollte. Die Bauernvertreter erblicken darin die ersten Anzeichen einer beginnenden Einsicht und haben in der Hoffnung auf weiteres Einlenken die bestens vorbereitete Mähdrescher-Warndemonstration vorläufig zurückgestellt.

Werbung
Werbung
Werbung

Draußen, in den Landbezirken Niaderösterreiehs, liefen die Vorbereitungen der Bauern an diesem 30. Juni 1972 bereits auf Hochtouren. Aber auch die Redaktionen der großen Zeitungen, des Hörfunks und des Fernsehens hatten sich darauf vorbereitet, zu den für Samstag, dem 1. Juli 1972, in den Bezirksorten der Hauptgatreideanbaugebiete Niederösterreichs angesagten Mähdirescher-demonstration des Niederösterreichischen Bauernbundes Berichterstatter und Photoreporter zu entsenden.

Die Verbitterung der Bauern stieß weithin auf Verständnis. War doch mittlerweile ziemlich allgemein bekannt, daß die von der Teuerung und der allgemeinen Kostensteige-rung schwer betroffenen Landwirte für den vor einem Jahr bei der amtlichen Preiskammission eingebrachten Antrag auf Weizenpreiserhöhung rom Landwirtschaftsminister die Zusage einer Erledigung mit 1. Juli 972 erhalten hatten; daß aber der Bundeskanzler nun kurz vor der Drnte erklärte, der Minister sei zu iieser Zusage nicht ermächtigt gewesen und über die Getreidepreise ende es ebenso wie über Milch- und Suckerpreiß noch ein „zähes Hingen“ ;eben.

Teilerfolg

Kein Wunder, daß sich die Bauern, lie seit vielen Monaten ein schweres iorgenpaket mit sich herum- und Mieriedligt von Minister zu Minister schleppen, gefrotzelt und verhöhnt “ühlten. Alis ihre Verbitterung bereits ien Höhepunkt erreicht hatte, gab ler Landwirtschaftsmindster am Freitag, dem 30. Juni 1972 — 'also am rag vor der geplanten Mähdrescher-Demonstration —, eine Erhöhung des iVeizenpreisas um 15 Groschen pro Kilogramm mit Wirkung vom 1. Juli .972 bekannt. Der kalkulatorisch errechnete Preisantrag der Präsiden-enkonferenz der Landwirtschaftscammern Österreichs hatte allerlings auf 28,8 Groschen gelautet. — rrotzdem hat der Niederösterreichi-;che Bauernbund seine bis ins deinste Detail mit seinen Bezirks-iktionskomitees vorbereitete Warn-iamonstration sozusagen in letzter stunde zurückgestellt. Er erblickte in :iner — wenn auch nicht ganz befriedigenden — Weizenpreisnach-dehung einen Teilerfolg seiner Bestrebungen und hofft nun auf wei-;ere Einsicht der Bundesregierung.

Die vorläufige Zurückstellung der Mähdrescher-Demonstration rief verschiedene, wenn auch mehrheitlich positive Reaktionen hervor. Die Bauern selbst warten zunächst ab. Ihre Organisation hat sich jedenfalls wieder einmal als elastisch und durchschiagskräftig bewährt. Auch die nichtbauerliche Öffentlichkeit erblickte in der vorläufigen Zurückstellung der Demonstration mehrheitlich durchaus keine Resignation der Bauernschaft.

Tatsächlich denken die Bauern und ihre Vertreter nicht daran, zu resignieren. Es wurde ihnen immerhin auch eine rasche Zuckerpreisregelung und die weitere Behandlung des Milchpreisantrages für den Herbst zugesagt. Auch die anderen schweren Brocken aus dem Sorgen-binkl der Bauern wurden dem Bundeskanzler und den Regierungsmitgliedern bei einer großen Vorsprache des österreichischen Bauernibuindes mit großem Nachdruck neuerlich auf den Tisch gelegt.

Die Bauernvertreter wollen nicht die Not der bäuerlichen Zuschußrentner, die mit 350 Schilling Monatsrente ihr Auslangen finden müssen, über den Sommer in Vergessenheit geraten lassen. Sie wollen deshalb die Unsicherheit über die Verlängerung des Agrarmarktordnung ebenso pausenlos anprangern wie das Verhalten der Regierung gegenüber den Forderungen der Landwirtschaft zur Erhaltung ihrer Wettbewerbsposition bei den Verhandlungen mit der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft. Sie wollen für eine positive und konstruktive Lösung der bäuerlichen Existenzfragen ihr politisches Gewicht offenbar stärker als bisher in die Waagschale werfen. Daß dieses Gewicht nicht gering ist, mußte auch die sozialistische Regierung bereits zur Kenntnis nehmen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung