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Randhemerkungen zur woche

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DER BUNDESPRÄSIDENT HAT GESPROCHEN; er hat, wie es in der hohen Politik bisweilen geschieht, eine etwas abseilige Gelegenheit — in diesem Fall die Eröiinung der UNESCO-Ausstellung in Wien — dazu benützt, um seine Meinung zur aktuellen politischen Situation zum Ausdruck zu bringen. Die Bereitschait zur endgültigen Beendigung der noch bestehenden Ausnahmsgesetze sowie eine nochmalige Betonung wie Erklärung seiner reservierten Einstellung gegen-

über der einige Zeit lang erörterten Beteiligung der „Wahl partei der Unabhängigen“ in der neuen Bundesregierung waren die vielbemerkten Akzente dieser Rede des Staatsoberhauptes. Man sagt General Dr. Körner ein gutes Gedächtnis nach. Und so dari man auch annehmen, daß die Erinnerung an die leider gar nicht so seltenen Extempores einer Reihe von VdU-Rednern in der vergangenen Wahlbewegung ein gewichtiges Argument lür die Zurückhaltung des Bundespräsidenten gegenüber einer Regierungsbeteiligung dieser Partei ist. Wohlgemerkt Regierungsbeteiligung, nicht gegenüber der Existenz dieser politischen Gruppe überhaupt, geschweige denn gegen alle ihre Glieder —-bekanntlich rindet man hier auch Leute, die man nur ungern in schlechter politischer Ge-sellschait sieht. Aber wie soll man, wie muß man aul Stimmen wie jene reagieren, die auch dem Bundespräsidenten nicht unbekannt geblieben sein können: „Dieser Staat ist ja auch eingesetzt worden unter dem Schutz der iremden Bajonette, und diese Bajonette sind es auch, denen die Regierung ihr Leben verdankt. Die Zeit ist noch nicht gekommen, um die Geschichte der Zweiten Republik von unserem Standpunkt zu beschreiben“ (NR Slüber, 7. Februar, Simmeringer Hol). „...„Die Gescliichts-lälschung, daß Hitler Oesterreich eingesteckt hat, ist längst widerlegt. Die damalige Wirtschaftspolitik löste die Situation in Oesterreich selbst aus und der Anschluß war nur die Folge. Auch heute ist die Lage ähnlich“ (e. d., 21. Jänner, Ehrbar-Saal). „... Wenn man uns vorwirft, daß wir nach Westdeutschland schielen, so geben wir die klare Antwort: Wir schielen nicht nach Westdeutschland, wir schauen nach Westdeutschland“ (e. d., 7. Jänner, Münchner-hoij. „ ... Vor allem müßten verschiedene Personen, die mit dem Unrecht von 1945 belastet sind, aus der Regierung verschwinden. Wir dürfen nicht vergessen, daß ein Bundeskanzler Figl, ein Vizekanzler Schärf, ein Minister Gero und ein Ing. Raab bereits der provisorischen Regierung angehört haben“ (NR Pfeiler, 6. Februar). „ ... So schulen sie eine KZ-Aristokratie (Zwischenrufe: Brut, Verbrecher), ja diese Brut muß verschwinden“ (GR Wicha, 23. Jänner, 18. Bezirk). Genug mit dieser wenig erbaulichen Liste, die übrigens noch lange nicht zu Ende ist. In diesem Blatt wurde die Diffamierung des sich reaktivierenden dritten „historischen“ Lagers unserer Innenpolitik als „neo“ nie mitgemacht, allein ebenso auch nicht die Illusion genährt, daß einsichtige und maßvolle Persönlichkeiten wie Dr. Kraus und Doktor Gredler — auch der Bundesobmann Stende-bach hat diese Linie bezogen — die „Wahlpartei der Unabhängigen“ sind. Wer das übersieht, kann noch verschiedene Ueberraschungen erleben.

SEIT DEN ERSTEN REGIERUNGSERKLÄRUNGEN MALENKOWS und seines Moskauer Triumvirates haben westliche Stimmen und Kommentare die Friedensreden des Ostens vorsichtig, aber nicht unfreundlich registriert. Churchill versicherte im Unterhaus, daß Großbritannien jedes Anzeichen einer Bereitwilligkeit der sowjetischen Regierung „zur Senkung der politischen Temperatur“ begrüße, ähnlich spricht sich Paris aus. In Washington weist man darauf hin, daß es keinen besseren Beweis gäbe für ein russisches Einlenken und für die soeben wieder von Gromyko im Politischen Ausschuß der UNO abgegebene Versicherung, alle Staaten könnten sich auf die „solide Friedenspolitik“ der Sowjetunion verlassen, als die Wiederaufnahme der Verhandlungen über den österreichischen Staatsvertrag. Oesterreich soll also der Prülstein lür den russischen Friedenswillen sein! — Malenkow sprach in seiner ersten Rede vor dem obersten Sowjet davon, daß die UdSSR bestrebt sein werde, peinlich genau alle Verträge einzuhalten, die sie abgeschlossen hat mit ausländischen Staaten. Der Oesterreicher würde sich freuen, wenn in diesen programmatischen Satz auch die leierlichen Erklärungen Moskaus von 1943 über die Wiederherstellung der Unabhängigkeil Oesterreichs inbegriffen zu denken wären. Die nächsten Wochen und Monate werden zeigen, was von all dem zu halten ist Eines will /reihen bedacht sein: der Gedanke, einen positiven Abschluß über Oesterreich als Prüfstein für den guten Willen der Sowjets zu lordern. leidet an einem inneren Konstruktionsfehler.

Der Raum und der Problemkomplex „Oesterreich“ ist von einer so großen und so vielfältigen Bedeutung, daß seine Lösung ernstlich nur in Betracht kommt innerhalb einer umfassenderen Generalabsprache zwischen Ost und West. Das weiß man hüben und drüben, aber hierzulande tut man bisweilen so, als ob dem nicht so wäre; und erweckt immer wieder „Holinungen“ im Volke, die sich nie realisieren können. Der Oeslerreicher täte besser, statt sich mit immer neuen Zeitungsenten zu vertrösten, echten Trost in unverdrossener Arbeit an der inneren Konsolidierung und Stärkung unseres Landes zu suchen, im übrigen aber nüchtern und oflen die Zeichen der Zeit und die Weltlage zu besehen. Oeslerreichische Aktivität und Leistung wird aui die Dauer nicht veriehlen, jenen Eindruck zu machen, den wir uns allzuoft durch Illusionen erkauien zu können meinen. Hili dir selbst, österreichisches Volk, danrif werden dir die Weltmächte ihre Unterstützung nicht versagen können.

HEUTE, DA ANTONIN ZÄPOTOCKY DIE STELLE' GOTTWALDS EINNIMMT, erinnert man sich wieder daran, daß der um zehn Jahre Aeltere ja schon 1922 den Posten eines Generalsekretärs der KPC bekleidete, den Gottwald sieben Jahre später übernahm, daß er schon seit 1925, also tüni Jahre vor Gottwald, die KPC im Prager Parlament vertrat, ihrem Zentralkomitee schon seit der Gründung der Partei angehört, also vier Jahre länger als Gottwald. Freilich war Zäpotocky vom Schicksal weniger verwöhnt: Während Gottwald 1938 unbehelligt nach Moskau gehen konnte, fiel Zäpotocky, der erst im März 1939 gemeinsam mit Dolansk'y, Kliment und Kopriva diesen Entschluß faßte, bei Teschen samt der Parteikasse und dem Parteiarchiv der Gestapo in die Hände. Während Gottwald aus dem sicheren Moskauer Exil Rundiunkansprachen in die Heimat richtete, verbrachte Zäpotocky sechs Jahre in Oranienburg und Sachsenhausen. Während ■Gottwald aui dem Hradschin ausländische Gäste empfing, Paraden abnahm und sich mit seinen Enkeln dem Volke zeigte, oblag es Zäpotocky, iür die immer unpopulären Maßnahmen des Regimes im Volk Stimmung zu machen, die immer knapperen Lebensmitlel-rationen, die Drosselung des Stromverbrauches, den Kohlenmangel, die Wohnungsnot, das Fehlen von Texlilien und Schuhwerk, von Eßbesteck und Brieiumschlägen zu erklären und zu immer größeren Leistungen, zur Erreichung immer höherer Produktionsziffern aufzurufen. Hatte Gottwalds behäbiges, etwas schwerfälliges Wesen, seine kleinbürgerliche Erscheinung aui das Volk beruhigend, vertrauenerweckend gewirkt, so gelang Zäpotocky höchstens, seine radikalen Forderungen seine unangenehmen Wahrheiten durch seinen Humor erträglich zu gestalten. Nie aber iehlle es ihm an Begeisterung und persönlichem Mut: als Rekrut, wenn er aus der Wrschowitzer Kaserne entlief, um an einer Parteiversammlung teilzunehmen, als Soldat, wenn er von der Front — er kämpfte vier Jahre im österreichischen Heer gegen Serbien, Italien und Rußland — durch Hunderte von Brieten den Kontakt mit seinen Anhängern aufrecht hielt, oder wenn er schließlich aus dem Gefängnis in Bory, wo ihn die Erste Republik für fast zwei Jahre festhielt, in die Diskussion um die Einheit der Gewerkschalt eingriff. Auf einem Gebiet ist Zäpotocky seinem Vorgänger fc/qr überlegen: Aus seiner Feder stammen zwei Romane, die als wertvollste Bereicherung der tschechischen Prosaliteratur nach 1945 von der Prager amtlichen Kunstkritik gefeiert werden: „Das Sturmjahr 1905“ und „Neue Kämpler werden aulslehen“, beides Musterbeispiele einer „kampierischen Kunst“, eines „sozialistischen Realismus“. Das „Versagen“ der Künstler — trotz aller erdenklichen Förderung durch den Staat — hat ihn bewogen, Vorbilder lür jene Werke zu schallen, wie sie die Partei für ihre Zwecke benötigt und erwartet. An Nachahmern, die sich an die Darstellung — Gestaltung wäre zuviel gesagt — der jüngsten Ereignisse wagten, hat es in der Tat nicht gefehlt, und Zäpotocky hat allen Grund, mit seinen Schülern zufrieden zu sein. Hatten seine Werke^ die Geschichte der Arbeiterbewegung verherrlicht, wie sie sein Vater miterlebt und mitgestaltet hat, wobei er, der kleine Tonik, als Nebenfigur nicht fehlen durlte, so ist in den jüngsten Werken der ,,realistischen“ tschechischen Literatur Zäpotocky der Held der Handlung.

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