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Fehleingeschätzte Bauern
Man spricht über die Bauern in Osterreich; über ihre Sorgen und Aktivitäten und vor allem über ihre gegenwärtige Auseinandersetzung mit der Bundesregierung. Das keineswegs allgemein von vornherein vorhandene Verständnis für die Bauernanliegen ist in der breiten Öffentlichkeit in dem Moment schlagartig geweckt und vertieft worden, als Hunderttausende Fernsehteilnehmer die Drohungen hörten, mit denen der Bundeskanzler die besorgten Fragen der Bauern beantwortete.
Man spricht über die Bauern in Osterreich; über ihre Sorgen und Aktivitäten und vor allem über ihre gegenwärtige Auseinandersetzung mit der Bundesregierung. Das keineswegs allgemein von vornherein vorhandene Verständnis für die Bauernanliegen ist in der breiten Öffentlichkeit in dem Moment schlagartig geweckt und vertieft worden, als Hunderttausende Fernsehteilnehmer die Drohungen hörten, mit denen der Bundeskanzler die besorgten Fragen der Bauern beantwortete.
Der Klage der Bauern über wachsende Belastungen und Einkommensverminderungen — zuletzt durch einen 10-Groschen-Abzug pro Liter Milch — begegnete Doktor Kreisky mit der Ankündigung, er werde das „Bauernbundmonopol“ beseitigen und dafür sorgen, daß die „gigantischen Beträge“, die an Agrar-subventionen vom Staat an die Bauern bezahlt werden, in Zukunft nach neuen Richtlinien und nicht mehr über die Landwirtschaftskam-mern, sondern zumindest teilweise über die Gemeinden vergeben würden.
In ihrer ganzen Konsequenz ist diese Androhung so unsachlich, daß sie vom Bundeskanzler einfach nicht so gemeint gewesen sein kann, wie es „in der Hitze des Gefechtes“ zum Ausdruck kam. Denn über die „Monopolstellung“ des Bauernbundes entscheidet nicht der Bundeskanzler, sondern der bäuerliche Wähler! Rund 85 Prozent aller österreichischen Landwirtschaftskammerwähler schenkten eben dem Bauernbund ihr Vertrauen. Und diese Landwirtschaftskammern haben keineswegs staatliche „Agrarsubventionen“ zu verschenken. Bei ihrer vom Bundeskanzler und -der SPÖ-Regierung so sehr kritisierten Tätigkeit geht es vorwiegend um die Überprüfung von Kreditansuchen nach dem vom Bundesminisrterium für Land- und Forstwirtschaft herausgegebenen Richtlinien für die Gewährung von Zinsverbilligungen; wobei die Entscheidung über die Kreditgewährung sodann wieder ausschließlich beim Ministerium liegt.
Es ist jedoch bedauerlicherweise symptomatisch für die Agrarpolitik der Regierung Kreisky, daß sie als „oberste Kommandosache“ dem Regierungschef vorbehalten zu sein scheint, und von diesem von Anfang an unter völliger Fehleinschätzung der tatsächlichen Gegebenheiten betrieben wird. Da gab es bekanntlich in der Zeit der Minderheitsregierung die offenherzige Einladung an die Bauernbundabgeordneten im Parlament, gegen entsprechende Honorierung der Volkspartei in den Rücken zu fallen und mit der sozialistischen Regierungspartei zu stimmen. Als diese Spaltung der österreichischen Volkspartei nicht gelang, drohte man damit, den Bauern den Brotkorb höher zu hängen und das Marktordnungsgesetz fristlos auslaufen zu lassen.
Im agrarpolitischen Zick-Zack-Kurs, die Agrarpolitik der Vorgänger ablehnend und zu keiner eigenen findend, hat nun die Regierung Kreisky das dritte Jahr ihrer Verantwortung vollendet. Das Jahr 1973 aber stand für Österreichs Bauern vom Anfang an unter einem Unstern. Kein Wunder, daß sie unruhig wurden. Der Bauernbund versuchte zunächst durch eine breite Informationswelle die Öffentlichkeit auf die Sorgen der Bauern aufmerksam zu machen. Die österreichische Volkspartei rollte sodann in einigen österreichischen Landtagen und schließlich im Parlament die gesamte Agrarprablematik auf. Antwort der sozialistischen Regierungspartei: den Bauern geht es ohnehin beser als je zuvor.
Unter dem Eindruck, daß die Regierungsmitglieder in Wahrheit keine Ahnung von der wirklichen Lage der Landwirtschaft haben, aus der allein in den Jahren 1971 und 1972 rund 60.000 bäuerliche Menschen abgewandert sind, entschloß man sich nun zu direkten Gesprächen zwischen Bauern und Regie-rungsmdtgliedern, wo immer letztere sich im Lande sehen ließen. Diese Aktivität der Bauern brachte einen echten Ansatz zur Beseitigung der „Grün-Blindheit“ bei den sozialistischen Regierungsmitgliedern.
Mittlerweile aber wurde bei den Landwirtschaftskammerwahlen in Tirol neuerlich bestätigt, daß die Stellung des Bauernbundes von der bäuerlichen Wählerschaft noch stärker untermauert wird als bisher — wenn das überhaupt noch möglich ist. Sämtliche zu vergebende Mandate der Tiroler Landwirtschaftskammer fielen auf den Bauernbund, der sozialistische Arbeitsbauem-bund hatte von vornherein auf jegliche Kandidatur verzichtet.
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