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„Vieles ändern“

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Österreichs Bauern lesen nicht gerne. Das ist jedenfalls das Ergebnis aller wissenschaftlichen Untersuchungen und Media-Analysen. Während etwa in Wien fast 80 Prozent aller erwachsenen Einwohner täglich eine Tageszeitung zur Hand nehmen, sind es in den Gemeinden bis 2000 Einwohner lediglich 44,2 Prozent. So ist es nicht erstaunlich, daß am Boulevard der Kampf um dieses riesige Leser-Reservoir am heftigsten geführt wird. Der Aufstieg der „Kronen-Zeitung“ ist deshalb zuallererst auf die Tatsache zurückzuführen, daß diese Zeitung bisher am erfolgreichsten die Bauern ansprechen konnte. Noch aber existiert eine agrarische Presse, die sich sehen lassen kann. Und der die Ereignisse auf dem bäuerlichen Zeitungsmarkt nicht gleichgültig sein können.

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Österreichs Bauern lesen nicht gerne. Das ist jedenfalls das Ergebnis aller wissenschaftlichen Untersuchungen und Media-Analysen. Während etwa in Wien fast 80 Prozent aller erwachsenen Einwohner täglich eine Tageszeitung zur Hand nehmen, sind es in den Gemeinden bis 2000 Einwohner lediglich 44,2 Prozent. So ist es nicht erstaunlich, daß am Boulevard der Kampf um dieses riesige Leser-Reservoir am heftigsten geführt wird. Der Aufstieg der „Kronen-Zeitung“ ist deshalb zuallererst auf die Tatsache zurückzuführen, daß diese Zeitung bisher am erfolgreichsten die Bauern ansprechen konnte. Noch aber existiert eine agrarische Presse, die sich sehen lassen kann. Und der die Ereignisse auf dem bäuerlichen Zeitungsmarkt nicht gleichgültig sein können.

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Will man also im agrarischen Pressewesen mit Traditionen brechen und neue Wege gehen? Manche Anzeichen sprechen dafür. Vor zwei Jahren gab es z. B. in Österreich noch drei Zeitschriften, die den historisch gewachsenen Namen „Bauera-bündler“ führten. Als Herausgeber zeichneten der Niederösterreichische, der Steirische und der Burgenlän-dische Bauernbund. Doch 1970 änderten die Burgenländer den Namen ihrer Zeitschrift, und seither lesen Burgenlands Bauernbündler den „Agrarkurier“. Seit 14. Mai 1972 gibt es in der Steiermark eine Bauern-bundzeitung mit dem Titel „Neues Land“ — eine, Woche zuvor hatte es noch den „Steirischen Bauernbündler“ gegeben. Geblieben ist als letzte Bastion die Wochenzeitschrift des Niederösterreichischen Bauernbun-des, deren Titel „österreichischer Bauernbündler“ davon Zeugnis ablegt, daß man sich seit jeher — er wurde 1906 gegründet — in der Hoffnung gewiegt hatte, eine gesamt-

österreichische Publikation für die Bauernschaft herauszubringen.

Dieser „österreichische Bauernbündler“, der mit einer Auflage von knapp 90.000 Spitzenreiter unter den heimischen Agrarzeitungen ist, und in dem auch der Wiener Bauernbund seine Mitteilungen publiziert, will allerdings den Titel beibehalten. Er ist in ganz Niederösterreich und darüber hinaus ein Begriff.

Welche Zeitungen stehen Österreichs Bauern überhaupt zur Verfügung?

• Da sind einmal die Zeitschriften der politischen Interessenvertretungen zu nennen, wovon die des Bauernbundes, gemäß der politischen Stärke (rund 85 Prozent der Bauern wählen bei Kammerwahlen den Bauernbund), die stärksten sind. Mit Ausnahme von Salzburg und Vorarlberg druckt jede Bauernbundzentrale in den Bundesländern eine eigene Zeitung. Agrarpolitiker und Zeitungsfachleute überlegen seit langem, ob es nicht doch möglich sei, eine gesamtösterreichische Bauernzeitung herauszubringen, die eine Auflage von runid 350.000 haben könnte. Zu einer gesamtösterreichischen Zeitung hat es hingegen der SPÖ-Arbeitsbauernbund gebracht. Sie heißt „Agrarzeitung“. Ähnliches gilt für die Zeitung des Allgemeinen Bauernverbandes, die „Österreichische Bauernzeitung“. Interessant an ihr ist allerdings die Aufmachung, die stark der „Kronen-Zeitung“ nachempfunden wurde, und die Tatsache, daß sogenannte 1000-Dollar-Journa-listen der unabhängigen „Kronen-Zeitung“ in der „Bauernzeitung“ Anti-ÖVP-Gefühle verbreiten — sicherlich nicht um Gottes Lohn. • Eine wichtige Gruppe der bäuerlichen Zeitungen sind jene der fachlichen und wirtschaftlichen Interessenvertretungen, also der Landwirt. Schaftskammern und des Raiffeisen-verbandes. Da jedes Bundesland, auch Wien, eine eigene Landwirtschaftskammer hat, gibt es auch überall eine eigene Kammerzeitung. Lediglich die Tiroler legen die Mitteilungen der Kammer der „Bauern-bundzeitung“ bei. Der Raiffeisenver-band wiederum gibt für ganz Österreich die „Raiffeisen-Zeitung“ her. aus. Darüberhinaus gibt es auch lokale Genossenschaftszeitungen.

• In der dritten Gruppe scheinen die reinen Fachzeitungen auf, die dem Obstbauern, dem Weinbauern, dem Gärtner usw. zur speziellen Beratung dienen. Der Großteil dieser Fachblätter erscheint im bauem-bundnahen österreichischen Agrar-verlag.

• Die Zeitungen der vierten Gruppe wenden sich ganz allgemein an bäuerliche Leser und bringen Fachliches, Unterhaltung usw. Hier wären „Der fortschrittliche Landwirt“ des Stocker-Verlages, die Jugendillustrierte „Landjugend“, die vom Landwirtschaftsministerium herausgegeben wird, die „Agrarische Rundschau“ und schließlich die „Agrar-Post“ (des allerdings bereits in den Ausgleich gegangenen Moldavia-Verlages) zu nennen. Dazu kommen verschiedene Blätter von Großfirmen, Banken usw., die gratis verteilt werden.

Jeder Landwirt in Österreich kann also unter einem sehr großen Angebot wählen, und tatsächlich finden sich in so manchen Bauernhäusern fünf und mehr Agrarzeitungen, in anderen überhaupt keine. Dennoch kann angenommen werden, daß sich in den nächsten Jahren vieles ändern wird.

Die Zahl der bäuerlichen Betriebe sinkt nämlich ständig, wie die letzte Volkszählung neuerlich beweist. Demnach gab es 1970 um 34.334 Betriebe weniger als 1960.

Das heißt, daß sich die publizistische Zielsetzung der Bauemzeitun-gen wandeln muß, da eine große Anzahl von Bauerntoundmitgliedern, die sogenannten SS-Bauem (Samstag-Sonntag-Bauern), eine Zeitung haben wollen wird, die nicht nur bäuerliche, sondern auch allgemein interessante Fragen behandelt. Die Redaktionen wissen das, sind aber, da nur mit einem Redakteur oder höchstens zwei Journalisten besetzt, überfordert. Eine Aufstockung an Redakteuren ist aus finanziellen Gründen kaum möglich. Natürlich liegt der Gedanke nahe, zu Konzentrationen der verschiedenen Zeitungen zu kommen, sei es auf Landesebene oder auf Bundesebene. Diesbezügliche Gespräche werden jedenfalls geführt.

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