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Bauer im Nebenerwerb

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Die nüchterne These von Sicco Mansholt in Brüssel, wonach nur noch Agrarbetriebe mit 100 ha Zukunftschancen besitzen, hat in ganz Europa Protest verursacht. Aber auch Angst. Angst, weil sich mancher Bauer sagt, es könne vielleicht doch wahr sein; Angst aber auch deshalb, weil die meisten Agrarpolitiker nach wie vor Aussiedlung und Betriebsaufstockung als die Wunderlösungen der jetzigen schwierigen Lage betrachten und damit — wenigstens der Tendenz nach — die These von Mansholt bestätigen.

Der Leiter des Bayrischen Land

Drei Kategorien

Wie Mansholt, so ist auch Geiersberger nicht eben kleinlich in seinen Prognosen, aber er weiß sie einleuchtend zu differenzieren. Erst einmal unterteilt er mit deutscher Gründlichkeit die Bauern in drei Kategorien: Vollerwerbs-, Zuerwerbs- und Nebenerwerbsbauern. Der Vollerwerbsbauer, der sein Einkommen ausschließlich aus Ackerbau und Viehwirtschaft und meist aus einer Kombination beider bezieht, wird seiner Meinung nach immer mehr verschwinden und als selbständige Einheit ohne Partnerschaft beinahe aussterben. Dem Zuerwerbsbauern hingegen räumte der Leiter des Bayrischen Landfunks erhebliche Chancen ein. Jener bezieht sein Einkommen vorrangig, zumindest zu mehr als 50 Prozent, aus bäuerlicher Tätigkeit. Der Zuerwerb kann aus Einnahmen sowohl aus außerland- wirtschatflicher Tätigkeit als auch aus der überbetrieblichen Partnerschaft der landwirtschaftlichen Betriebe untereinander stammen. Noch mehr für die Zukunft verspricht sich Geie-rsberger von einem dritten Zweig, der bisher nur vereinzelt und dazu meist in-Fehlformen in Erscheinung tritt: vom Nebenerwerbsbauer,

außerlandwirtschaftlichen Tätigkeit , bealehfc'.Als- Fehlformenrdieser Gat-

tung betrachtet Geiersberger den Feierabendbauer und den Hobbybauer. Der Feierabendbauer — heute 95 Prozent der nebenberuflichen Bauern — verbrauche sein Einkom

men aus einem außerlandwirtschaftlichen Haupterwerb für die Landwirtschaft. Sein Betrieb sei meist eine Miniaturausgabe eines altmodischen, vielfältig organisierten und mechanisierten Vollerwerbsbetriebs. Der Hobbybauer — kaum ein Prozent der nebenberuflichen Bauern — repräsentiert nach Gediersberger „sämtliche Sinnlosigkeiten des Feier- abendbauiem“, unterscheide sich jedoch von diesem dadurch, daß jener sie bewußt und gern begehe. Er könnte genausogut Orchideen oder Chinchilla züchten.

Und die Zukunft?

Der eigentliche Nebenerwerbsbauer jedoch — heute kaum fünf Prozent der nebenberuflichen Bauern —, der Bindeglied zwischen Industrie und Landwirtschaft werden könne und solle, habe mit diesen beiden nichts gemein, außer, daß er neben seinem Haupterwerb Landwirtschaft betreibe. „Er erwirtschaftet nämlich aus der Nebenerwerbslandwirtschaft als einziger Gewinn und erreicht so in Einkommenskombination Spitzenlohn oder überdurchschnittliches Einkommen. Er liegt also immer über dem Einkommen eines Arbeitnehmers gleicher Tätigkeit ohne Landwirtschaft. Doch das ist nur möglich, wenn er auf Eigenmechanisierung verzichtet und sich der Illusion begibt, daß man heute die Lebenshaltungskosten für die Ernährung durch Selbstversorgungslandwirtschaft senken kann.“

Unwidersprochen behauptete Geiersberger im Anschluß an diese Schilderung, daß Feierabendbauern, Hobbybauern und mehr und mehr echte Nebenerwerbsbauern, die wirkliche Einkommenskombination betreiben, schon morgen, wenn auch nicht nach der Zahl der Hektare, so doch nach der Zahl der Betriebe und somit der dahinter stehenden Familien die Landwirtschaft repräsentieren werden. Im Saarland, wo bereits

funks, Dr. Erich Geiersberger, hat sich seit Jahren um einen gangbaren anderen Weg bemüht. Eine Tagung der neugegründeten CSU-Akademie „Hanns-Seidl-Stiftung“ in München bot ihm letzthin Gelegenheit, seinen „Vorschlag einer neuen agrarpolitischen Zielsetzung“ im Beisein des Präsidenten des Deutschen Bauernverbandes, Rehwinkel, und zahlreicher Politiker und Bauern zu erläutern. Das Echo auf seine Ausführungen war derart, daß sie auch über Bayern hinaus Bedeutung haben dürften.

der erste Landesverband dieser nebenberuflichen Bauern gegründet worden sei, habe sich die Mitgliederzahl von 14 im Jahre 1964 auf 1700 im Jahre 1968 vergrößert. Der Saarländische Bauernverband zählt im Vergleich dazu 7000 Mitglieder.

Diese mögliche Entwicklung ist aber unumgänglich an drei Bedingungen geknüpft: Schaffung außerlandwirtschaftlicher Arbeitsplätze auf dem Land, Ausbau von Maschinenringen und eine intensive Beratung.

Basis für die Nebenerwerbslandwirtschaft, letzte Bastion und vorrangige Aufgabe einer nationalstaatlichen Agrarpolitik ist nach Meinung Geiersbergers die Industrieansiedlung auf dem Land. „Erzwingt es durch steuer-, tarif- und finanzpolitische Vergünstigungen, bevor die Fremdarbeiterzahl auf zwei Millionen gestiegen ist und unsere potentiellen Nebenerwerbsbauern immer noch auf Verdienstmöglichkeiten warten, um ihr Vermögen erhalten zu können.“

Zum anderen könne nur durch einen hauptamtlich geführten und im Anlauf staatlich geförderten Maschinenring die derzeit mögliche EndxatiomljsieruQg;,f,gShj4ßftE:r?yer- den. Dabei komme denj Zuerwerbs-

bauer als Bindeglied zwischen Voll- und Nebenerwerbsbetrieb — wenn er zum Beispiel mit Maschinen des Vollerwerbsbetriebs Flächen des Nebenerwerbsbetriebs bearbeitet — eine wichtige Rolle zu. Für die Beratung müsse im Winter an jeder Landwirtschaftsschule mindestens ein entsprechender Kurs laufen. Der Nebenerwerbsbauer brauche auch Spezialberater, die ihn betreuen, „sowohl ackerbautechnisch (zum Beispiel durch Zusammenstellung entsprechender Fruchtfolgen im viehlosen Kleinbetrieb) als auch durch Bewahrung vor sinnlosen Investitionen für unrentable Tierbestände. Auch muß der Nebenerwerbsbetrieb in die Betreuung zur Erzeugung von Qualitätsprodukten im Rahmen eines Erzeugerrings selbstverständlich einbezogen werden.“

Viele betrachten mit dem Leiter des bayrischen Landfunks diesen Weg als den einzig möglichen — besonders für Deutschland und die Beneluxstaaten. Andere wiederum sehen in diesen Anregungen zumindest eine plausible Antithese zu den Brüsseler Plänen und erhoffen sich davon einen Ausgleich. Geiersberger hat jedenfalls einen Beitrag geleistet, um eine nützliche Diskussion in Schwung zu bringen: „Wer die Mansholtschen Visionen außer Kraft setzen will, muß etwas anderes, Dynamisches entwickeln und dagegensetzen. Was noch nicht einmal theoretisch mit Erfolg zu Ende gedacht werden kann, sollte man praktisch gar nicht erst versuchen. Die Gesundschrumpfung (sprich Betriebsaufstockung) ist schon rein theoretisch Selbstmord. Die Partnerschaft der Voll-, Zu- und Nebenerwerbsbetriebe aber könnte in Theorie und Praxis zu Ende gedacht und geführt werden. Sie verträgt und verdaut sämtliche Imponderabilien und Aspekte, von gelegentlichen Wirtschaftskrisen und ihren Auswirkungen bis hin zur eventuell lęirupaįrPįiįgįichen. .Stillung Hungers jn der Welt.“

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