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Der durch die Großstadt hastende Wiener, der die lärmende Bundeshauptstadt besuchende Fremde würde kaum auf den Gedanken kommen, daß es in Wien auch — Bauern gibt. Und ihre Bedeutung ist gar nicht so gering; die Landwirte beispielsweise bauen in Wien mehr Getreide als ihre Kollegen in Vorarlberg. Die Wiener Gärtner wiederum beliefern 70 Prozent des Wiener Frischgemüsemarktes, und die Wiener Weinhauer sind ja ohnedies weltberühmt. Und die Bedeutung der Wiener Landwirtschaft wird dadurch unterstrichen, daß es in Wien sogar eine eigene Landwirtschaftflkammer gibt.

Braucht die Großstadt Wien eigene Bauern? Zur Sicherung des Bedarfs an Milch, Fleisch und Brot vermutlich nicht; zur Sicherung des Frischgemüses auf alle Fälle. Denn Gemüse, das von weither transportiert werden müßte, ist eben nicht mehr so frisch. Und zur Aufrechterhaltung der geliebten Heurigenatmosphäre und des historischen Bildes von Sie-vering, Grinzing usw. sind die Weinhauer unentbehrlich. Schließlich braucht Wien mehr denn je — wenn diese Phrase jemals stimmte, dann hier — die Grünflächen der Bauern als ,ygrüne Lunge", als Naherholungsraum der geplagten Großstädter.

Die Flächen der Wiener Gärtner, Weinhauer und Landwirte sind aber in steter Gefahr. Obwohl sich die Verwaltung der Großstadt an sich zur Beibehaltung der grünen Flächen bekennt, streckt sie doch immer wieder die Hand nach ihnen aus, wenn sie Baugrund braucht. Das hat dazu geführt, daß in den letzten Jahren hunderte von Gartenbaubetrieben, vor allem im Raum Simmering, aufgelassen werden mußten. Daß die Landwirte in Oberlaa, Inzersdorf, Breitenlee usw. immer wieder Gründe hergeben müssen. Daß auch Weinbaugebiete nicht immun sind — denn auch in sie frißt sich die Großstadt hinein.

Die Wiener Bauern wollen diese Entwicklung teils aufhalten, teils in erträgliche Bahnen lenken.

Die letzte Kammerwahl (1968) brachte dem Wiener Bauernbund (ÖVP) 17 Mandate, dem Wiener Arbeitsbauernbund (SPÖ) drei Mandate. Auch in früheren Kammerwahlen gab es ähnlich eindeutige Ergebnisse. Am 18. März 1973 gibt es nun bei den Wiener Bauern erneut einen Urnengang, und erneut erwartet sich der Wiener Bauernbund eine Bestätigung seiner Politik.

Spitzenkandidat des Bauernbundes ist der 46jährige Simmeringer Gärtner Josef Jedletzberger, der seit 1966 der Wiener Landwirtschaftskammer als Präsident vorsteht und der auch im Wiener Gemeinderat vertreten ist. Jedletzberger hat es zusammen mit seinen beiden Vizepräsidenten (dem prominenten Heurigenwirt Franz Mayer, bekannt als „Pfarrplatzmayer", und dem Breitenleer Landwirt Karl Reiter — so daß also im Kammerpräsidium je ein Gärtner, ein Weinhauer und ein Landwirt vertreten sind) verstanden, eine recht erfolgreiche Politik zu betreiben. ' Weichenden Gärtnern wurde die Gärtnersiedlung Eßling zur Verfügung gestellt, wo auf einer geschlossenen Fläche von 121 ha für ■62^ Gärtnerfamilien Siedlungsstellen geschaffen wurden. Die Gartenbauzentren Simmering, Kagran und Er-laa sollen weitgehend erhalten bleiben.

Für den Weinbau hat man u. a. erreicht, daß die Stadt Schutzgebiete festlegen will, die nicht verbaut werden dürfen. Allerdings sind die entsprechenden Flächenwidmungen noch immer nicht durchgeführt. Die Wiener Landwirte fordern, daß sie bei unvermeidlichen Gebietsabtretungen Ersatzgrundstücke erhalten.

Ganz allgemein wird man in Zukunft verstärkt der Öffentlichkeit klarmachen, daß die Zerschlagung der Wiener Landwirtschaft für die Großstadt von großem Nachteil wäre; die Erhaltung hingegen einen fast kostenlosen Umweltschutz bedeutet.

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