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Wiener Tageszeitungen

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Als Mitte Jänner der Wiener Lan-desparteivorstand der Sozialistischen Partei beschloß, die Landtags-, Ge-meinderats- und Bezirkswahlen der Bundeshauptstadt nicht erst für Herbst 1969, sondern schon für das Frühjahr (wahrscheinlich wird es der 27. April sein) auszuschreiben, vermutete die Österreichische Volkspartei sofort, daß einer der Gründe dafür in der arg defizitären Gebarung des Wieher sozialistischen Kleinformats „Die Neue Zeitung“ zu suchen sei.

Die Wiener Sozialisten hatten nämlich auf Landesebene versucht, ein Experiment nachzuahmen, das auf Bundesebene zumindest dem äußeren Anschein erfolgreich praktiziert wird: Politik im Boulevardsti] zu verkaufen, das heißt im konkreten Fall, den „Expreß“ als Parteiblatt zu führen. Sie wollten es ähnlich machen und — so glaubt man zumindest in Fachkreisen — scheiterten daran. Die mit großem Propagandaaufwand und viel Geld geborene „Neue“ bot zwar dem äußeren Erscheinungsbild nach der eher SP-feindlichen „Kronen-Zeitung“ pairoli, das Gespenst der finanziellen Pleite begleitete die neue Zeitung jedoch vom Augenblick ihrer Geburt an. Aufkommen mußten (und müssen noch immer) dafür die Rathaussozialisten, personifiziert durch den nimmermüden Vizebürgermeister Felix Slavik.

Das Experiment ließ sich nicht wiederholen und die Millionen zerrannen. Da sich Millionenpleiten aber nicht ins Unendliche fortsetzen lassen, anderseits die Einstellung-;dar sNeuen“svop1%ierriWiea ner Wahlen politisch nicht tragbar und verständlich wäre, müssen die Landtagswahlen stattfinden, ehe die Schulden der „Neuen“ den Rathaus-gewaltigen über den Kopf wachsen,meinten zumindest Wiener ÖVP-Politiker.

In der Tat ist es heute kein Geschäft, Zeitungen herauszugeben. Und werm'eÄteptet wird, daß es heute in Österreich nur ein halbes Dutzend' Zeitungen “gäbe,“ die“ sich selbst erhalten, alle anderen aber von der Tasche ihres Eigentümers leben, so ist diese Behauptung wirklich keineswegs übertrieben. Man kann es auch lapidarer ausdrücken: Die Gesinnungspresse ist in Österreich kein Geschäft. Der Vorwärts-Verlag mit seiner „Arbeiter-Zeitung“ und der österreichische Verlag mit dem „Volksblatt“ wissen ein Lied davon zu singen. Wobei diese Feststellung eine Einschränkung enthält. Denn so manches Kind der Gesinnungspresse in den Bundesländern wirft auch Profit 'ab. Etwa die „Neue Zeit“ von Graz und die „Südost-Tagespost“ derselben ostewieichi-schen Landeshauptstadt. Die Zentralorgane der beiden Großparteien wären finanziell nicht denkbar, gäbe es nicht die vielgelästerte, doch' ebensosehr geachtete Parteipresse in den Bundesländern.

Freilich gilt auch diese Feststellung nicht uneingeschränkt. Die nieder-österreichischen Sozialisten mußten ihre Landes-Viertelzeitungen ebenso einstellen wie die Landesparteileitung der ÖVP Salzburg dazu übergehen mußte, ihre Tageszeitung aufzugeben und — gemeinsam mit dem Bauernbundblatt — eine Wochenzeitung an ihre Stelle zu setzen.

Einiges Aufsehen hat das Interview erregt, das der Geschäftsführer des österreichischen Verlags, Dr. Hermann Withialm, dem „Volksblatt“ für seiine Jubiläumsnummer — das „Volksblatt“ ist nach wechselvollem Schicksal 40 Jahve alt — gewährte. Withalm sagte unverblümt: „Der Zug der Zeit läuft zweifellos nicht zugunsten der Gesinnungspresse. Das weiß ich ganz genau und damit habe ich, glaube ich, schon eine sehr bestimmte Meinung ausgedrückt. Ich bin mir der Tatsachen, so hart sie auch sein mögen, durchaus bewußt.“ Der „eiserne“ Mann der ÖVP sagt damit nicht weniger, als daß seiner' Meinung nach die Pairteipresse keine finanzielle Zukunft hat. wenngleich er (wie aus anderen Stellen des Interviews hervorgeht) dafür eintritt, daß sich politische Parteien aus anderen Gründen den Luxus einer eigenen Partei-presse leisten. Für das „Volksblatt“ der ÖVP kann dies nur bedeuten:

• Wenn die Zeitung isohon kein Geschäft ist, so wird sie aus anderen Gründen gehalten, doch sie wird gehalten;

• diese anderen Gründe können nur im Politischen liegen;

• die Mitarbeiter des „Volksblattes“ haben nur dann eine Chance, ihre

wenn sie den politischen Sinn ihrer Existenz nicht verkennen;

• das „Volksblatt“ muß umgestaltet werden. Da es mit den kommerziell geführten Konkurrenzunter-; nehmen nicht Schritt halten kann, muß es den Vorteil nützen, Sprachrohr der Regierungspartei zu sein. Das kann es nur, wenn eis in politischen Dingen authentischer und rascher informiert als die Konkurrenz.

Ähnliches erlebte die Sozialistische Partei bereits mit ihrer „Arbeiter-Zeitung“, an der Partei und Zeitung scheiterten, wie man heute weiß: Die Sozialistische Partei deshalb, weil ihre Führung mit dem Chef-, redakteur Franz Kreuzer nicht konvenierte, Franz Kreuzer, weil er — journalistisch durchaus verständlich — nicht nur politische Information produzieren wollte. Um so größer wäre die Chance des „Volksbiattes“: Falls es seine Redaktion und vor allem die Geschäftsführung verstehen, die Chance zu nützen, dann könnte in kurzer Zeit das ÖVP-Organ die innenpolitische Dokumentation schlechthin bieten. Freilich müßte dann mit dem Usus radikal Schluß gemacht werden, zum Beispiel parteioffizielle Kommuniques journalistisch frei wiederzugeben: In der Parteizeitung hat man den authentischen Text zu finden! Allerdings müßte auch damit aufgeräumt werden, Artikel von Regie-rungsmitgliiediern einen Tag später zu bringen als unabhängige Blätter Auszüge davon veröffentlichen. Und auch Schluß mit dem Usus, eine von der Partei unabhängige Außenpolitik zu verfolgen! Vielleicht liegt das Übel im „Volksblatt“ auch darin, daß die Redaktion des Blattes kaum in der Partei integriert ist, vielleicht aber ist sie nur deshalb nicht integriert, weil sie in erster Linie eine Zeitung und nicht Politik machen will. Es mag für Journalisten eine bittere Erkenntnis sein, aber die Redalation des „Volksbiattes“ sollte an ihr nicht vorbeigehen. Eine Parteizeitung zu machen ist nicht nur eine journalistische, sondern in erster Linie eine politische Aufgabe.

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