6805023-1972_02_04.jpg
Digital In Arbeit

Schwarze Mutation

19451960198020002020

Als kürzlich ÖVP-Bundesparteiobmann Karl Schleinzer in den Abendstunden der Redaktion der Kärntner „Volkszeitung“ einen Besuch abstattete, meinte einer der „schwarzen“ Journalisten: „Jetzt interessieren sich auch die da oben für unser System.“

19451960198020002020

Als kürzlich ÖVP-Bundesparteiobmann Karl Schleinzer in den Abendstunden der Redaktion der Kärntner „Volkszeitung“ einen Besuch abstattete, meinte einer der „schwarzen“ Journalisten: „Jetzt interessieren sich auch die da oben für unser System.“

Werbung
Werbung
Werbung

Mit „die da oben“ meinte man die Parteizentrale in Wien. Mit „System“ die zwei bestehenden ÖVP-Zeitungs-ringe. Das sind:

• Der Zeitungsring Ost, der seinen Sitz in Linz hat, als Hauptblatt das „Linzer Volksblatt“ und als Mutationsausgabe das „Niederösterreichische Volksblatt“ herausgibt.

• Der Zeitungsring Süd-West mit Sitz in Klagenfurt. Von der Kärntner „Volkszeitung“ werden gleich zwei Mutationsausgaben hergestellt, nämlich die „Tiroler Nachrichten“ und die „Salzburger Volkszeitung“.

Was in Klagenfurt und Linz die beiden Chefredakteure Peter Klar und Walter Raming mit ihren insgesamt fünf Tageszeitungen durchexerzieren, ist allerdings eine an sich nicht neue Erfindung. In der Bundesrepublik Deutschland wird dieses System mit jeweils einem Hauptblatt, das gleich mehrere Regionalzeitungen mutiert, seit Kriegsende mit Erfolg praktiziert. Auch Holland und die Schweiz kennen seit langem dieses System.

Als vor einigen Jahren die Lage des „Volksblattes“ prekär zu werden begann, wurde vom Wiener Herold-Verlag auch vorgeschlagen, das „Volksblatt“ als Wiener Hauptblatt mit Mutationen für Niederösterreich, Oberösterreich und Salzburg herzustellen. Die Westbahnlinie hätte die Verteilung eines solchen Blattes noch leichter durchführen lassen als es jetzt von Linz und Klagenfurt aus geschehen muß. Die jetzige Regelung ist somit eine späte Rechtfertigung des seinerzeitigen Herold-Planes, der nur technisch und wirtschaftlich noch praktikabler gewesen wäre.

Tatsache ist, daß beide Zeitungsringe den Start geschafft haben und relativ gut im Rennen liegen. Die

Gesamtauflage des „Volksblattes“ (Oberösterreich und Niederösterreich) beträgt täglich angeblich 40.000 Exemplare. Diese Auflagenziffer will man auch in Klagenfurt mit drei Zeitungen schaffen.

Als die oberösterreichische ÖVP zu Jahresbeginn das damals noch in katholischem Besitz befindliche ,Lm-zer Volksblatt“ übernahm, wurde dieser Schritt von vielen nicht verstanden: „Die Zeit der Parteipresse ist doch längst vorüber.“ Inzwischen aber hat man Auflage und Leser gewonnen und noch dazu einen Ableger geschaffen, der eine echte Marktlücke schloß: Bislang gab es nämlich keine eigene niederösterreichische Tageszeitung.

Eine erfreuliche Entwicklung registriert man auch in Klagenfurt. Als Walter Raming im Sommer 1970 nach fünfjähriger Tätigkeit als Chefredakteur der „Wiener Kirchenzeitung“ zur „Volkszeitung“ nach Klagenfurt übersiedelte, übernahm er zwar eine Tageszeitung, die kein Defizit hatte, die aber dafür auch ein stockkonservatives Lokalblättchen war. Seit damals hat sich nicht nur die redaktionelle Linie verbessert, sondern auch das graphische Bild zu einem modern-ansprechenden Stil gefunden. Im Oktober übernahm man die Tiroler ÖVP-Tageszeitung „Nachrichten“, im November wurde die Salzburger Wochenzeitung „Volkszeitung“ in dieses Konzept miteinbezogen und wieder auf eine Tageszeitung, was sie bis vor dreieinhalb Jahren schon einmal war, umgestellt. Heute ist die Auflage der Wochenendausgabe bereits höher als früher die Auflage der Wochenzeitung.

Darüber hinaus ist zwischen Linz ren. Sie wollen in erster Linie Zeitungen mit Lokalcharakter machen, die auf die regionalen Interessen der Leser abgestimmt sind und damit genau in jene Lücke vorstoßen, die das Fernsehen offenläßt. Erst in zweiter Linie erfüllen sie auch den Auftrag einer politischen Berichterstattung: „Wir sind keine Zeitung der Partei, sondern eine Zeitung für die Partei“ (in den Lokalredaktionen sollen sogar Journalisten anderer Couleurs arbeiten). Gelegentlich, wenn nötig — und das ist in der ÖVP in letzter Zeit öfters der Fall gewesen —, wagen es beide Zeitungen, sogar an der eigenen Partei Kritik zu üben, wie insbesondere das ,Lin-zer Volksblatt“ an den „unabhängigen“ Kandidaten der ÖVP.

Etwas abseits steht derzeit noch die „Süd-Ost-Tagespost“. In Graz befindet sich zwar die Zentrale des österreichischen Verlages, in Graz glaubt man aber auch (vor allem nach dem Tod des heimlichen Zentral-organes „Volksblatt“) — das führende ÖVP-Blatt zu sein, und wartet daher die derzeitig Entwicklung ab.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung