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Harte Bandagen

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Mit harten Bandagen im kommenden Herbst rechnen die ÖVP und der Generalsekretär der Bundeswirtschaftskammer, Mussil. Warum? Die Bundesregierung will im Herbst erneut die Diskussion um eine Abänderung des Preisregelungsgesetzes in Richtung „Preisstopp“ anheizen. Im Herbst, so glaubt man in der Regierungspartei, hätte man ein Faustpfand in der Hand: die Verlängerung der sogenannten Wirtschaftsgesetze (wie etwa des Marktordnungsgesetzes), an der insbesondere dem Bauernbund in der ÖVP gelegen ist. Sowohl für eine Änderung des Preisregelungsgesetzes als auch zu einer Verlängerung der Ende 1974 auslaufenden Wirtschaftsgesetze braucht es eine verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit.

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Mit harten Bandagen im kommenden Herbst rechnen die ÖVP und der Generalsekretär der Bundeswirtschaftskammer, Mussil. Warum? Die Bundesregierung will im Herbst erneut die Diskussion um eine Abänderung des Preisregelungsgesetzes in Richtung „Preisstopp“ anheizen. Im Herbst, so glaubt man in der Regierungspartei, hätte man ein Faustpfand in der Hand: die Verlängerung der sogenannten Wirtschaftsgesetze (wie etwa des Marktordnungsgesetzes), an der insbesondere dem Bauernbund in der ÖVP gelegen ist. Sowohl für eine Änderung des Preisregelungsgesetzes als auch zu einer Verlängerung der Ende 1974 auslaufenden Wirtschaftsgesetze braucht es eine verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit.

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Handelsminister Staribacher als Vertreter der obersten Preisbehörde und Bundeskanzler Kredsky („das ist gar keine schlechte Idee“) haben bei Pressekonferenzen deutlich zu erkennen gegeben, daß sie mit einem solchen Gegengeschäftsoffert die Opposition in die Knie zwingen wollen. Aber auch die ÖVP hat in dieser Frage ihre Haltung gefestigt. Nun erklärt sie, daß ihr letztes Angebot für eine Zustimmung zur Abänderung der Preisregelunig, nämlich das Vorziehen der Steuerreform auf den 1. September 1974, längst gegenstandslos sei. Im übrigen vertritt die ÖVP die Auffassung, daß es erstens keine Alternative zu den Wdrtschaftsgesetzen gebe und daß zweitens vor allem die Bundesregierung an einer Verlängerung der Wirtschaftsgesetze interessiert sein müsse. Auf einen „Kuhhandel“, wie etwa im sogenannten „Krampusab-kommen“ aus dem Jahre 1969, will sich die ÖVP wenige Monate vor den nächsten Nationalratswahlen offensichtlich nicht einlassen.

Das Marktordnungsgesetz (als der politisch umstrittenste Ted! der Wirtschaftsgesetze) überträgt die Marktregelung für Milch, Vieh und Getreide an Fonds mit eigener Rechtspersönlichkeit: dem Mdlch-wirtschaftsfonds, dem Vdehver-kehrsfonds und dem Getreideausgleichfonds, die als Träger der mittelbaren Wirtschaftsverwaltung fungieren. Mit Hilfe dieser Fonds 6ollen einheitliche und stabile Preise, gleichmäßige Belieferung der Märkte und Schutz der inländischen Produktion erreicht werden.

Die Marktordnungsgesetze sollen demnach Besonderheiten der Marktposition der Landwirtschaft dort mildern, wo sie zu Nachtedlen für die Konsumenten und die agrarischen Produzenten führen. Zu diesen Besonderheiten zählen vor allem: der Produktionsrhythmus (stoßweise Nachfrage und Angebot), die inverse Angebotsanpassung (ein Sinken der Agrarpreise führt zu einem Mehr-angebot und damit erst recht zu einem Preissturz; der Preis übt demnach auf agrarischen Märkten keine Regulderuinigsfunktion aus), die Naturabhängdgkedt und die Länge der Produktionsperiode, das Nachhinken des landwirtschaftlichen Durchschnittseinkommens hinter den Einkommen der Industrie, die sehr starken Preisschwankungen („Schweinezyklus“) und schließlich die sogenannte Preisschere als Folge der schleichenden Inflation (das heißt: die Preise für jene Industrieprodukte, die die Landwirtschaft bezahlen muß, steigen heute stärker als die Erlöspreise für die Agrarpro-dukte, da für Industrieprodukte keine Preisbindung, für Agrarpro-dukte aber eine Preisbindung besteht).

In den großen Koalitionen ebenso wie in der ÖVP-Alleinregierung ließ sich die Sozialistische Partei ihre Zustimmung zum Marktordnungsgesetz immer „bezahlen“. Sie und der Gewerkschaftsbund stehen auf dem Standpunkt, daß es sich dabei um Maßnahmen handelt, die allein der Landwdrtschaft, keineswegs aber den Konsumenten nützen. Der Bauernbund ebenso wie die Land-wirtschaftskammern vertreten dagegen die Auffassung, daß es sich bei den Marktordnungsgesetzen sehr wohl um konsumentenpolitische Maßnahmen handelt. Die Wahrheit dürfte in der Mitte liegen, die Öffentlichkeit neigt allerdings eher zur Auffassung der Sozialistischen Partei, was in erster Linde mit der undifferenzierten Abneigung gegen Subventionen („Produzentenstützungen“) und der psychologischen Gefährlichkeit der Preisbildung für Grundnahrungsmdttel zusammenhängen dürfte.

Soll mit einer Diskussion um die Junktimderung der Wirtschaftsgesetze mit der offensichtlich noch immer nicht ad acta gelegten Änderung “ des Preisregelungsgesetzes allerdings von den wirklichen Problemen der heimischen Wirtschaft (ein für 1975 zu erwartendes Budgetdefizit in Höhe von 17 Milliarden Schilling, Krisen der Fremdenverkehrs- und Bauwirtschaft, die Liqudditätsenge der heimischen Wirtschaft und die sinkende Sparneigung usw.) abgelenkt werden? Eine verantwortungsbewußte Bundesregierung sollte sich gegen eine solche Verdächtigung mit einer vernünftigen Wirtschaftspolitik wehren und ökonomisch inakzeptable Junk-timierungsideen besser vergessen.

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