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Sinnloses Pokern

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Erst meint Bundeskanzler Kreisky, daß die Idee, eine vom Gewerkschaftsbund und der Bundesregierung gewünschte Verschärfung der Preisregelung („Preisstopp“) mit den Ende 1974 auslaufenden Wirtschaftsgesetzen zu junktimieren, nicht schlecht sei; wenig später erklärt der ressortzuständige Handelsminister Staribacher, daß er davon nichts halte, und schließlich spricht sich ÖGB-Referent Lachs für ein ersatzloses Auslaufen der Wirtschaftsgesetze aus. Bruno Kreisky schweigt sich in seinem Urlaubsort aus; Staribacher ändert seinen Standpunkt.

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Erst meint Bundeskanzler Kreisky, daß die Idee, eine vom Gewerkschaftsbund und der Bundesregierung gewünschte Verschärfung der Preisregelung („Preisstopp“) mit den Ende 1974 auslaufenden Wirtschaftsgesetzen zu junktimieren, nicht schlecht sei; wenig später erklärt der ressortzuständige Handelsminister Staribacher, daß er davon nichts halte, und schließlich spricht sich ÖGB-Referent Lachs für ein ersatzloses Auslaufen der Wirtschaftsgesetze aus. Bruno Kreisky schweigt sich in seinem Urlaubsort aus; Staribacher ändert seinen Standpunkt.

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Die sicherste Methode, wirtschaftliche Probleme zu erzeugen, besteht darin, die Wirtschaft und die Konsumenten zu verunsichern; konzeptlps ZU agieren, Grundsätze über Bord zu werfen, Schreckschüsse abzugeben, alles in Frage zu stellen, Aktionen zu simulieren, kurz: alles der Devise „wright or wrong — my party“ unterzuordnen. Genau diese Vorwürfe muß sich nun die Bundesregierung gefallen lassen. Ohne Unterlaß behauptet sie, ein verbessertes preispolitisches Instrumentarium zu benötigen, um Preisstabilität wiederherstellen zu können. Sie bringt schließlich eine Novelle zum Preisregelungsgesetz im Parlament ein, scheitert dort an der verfassungsmäßig erforderlichen Zweidrittelmehrheit und erklärt dann, von aller Schuld an hohen Inflationsraten exkulpiert zu sein. Plötzlich aber findet sie nichts daran, die amtliche Preisregelung (auch jene für agrarische Produkte) aufzuheben.

Dahinter steckt die Hoffnung, die ÖVP — vor allem an der Marktordnung interessiert — werde zwar im Junktimverfahren keinem Preisstopp zustimmen, wohl aber (im Austausohweg für eine Verlängerung der Marktordnung) den Wunsch des Gewerkschaftsbundes akzeptieren, in den Milchwirtschafts-, Viehverkehrs- und Getreidefonds Vertreter delegieren zu können. Auf diese Weise wäre die qualifzierte Mehrheit der Landwirtschaftsvertreter in eine einfache Mehrheit umgewandelt worden.

Ungeachtet des grundsätzlichen ökonomischen Interesses der ÖVP an einer Verlängerung der Wirtschaftsgesetze dürften sich der Gewerkschaftsbund und die Regierungspartei mit dieser Taktik verrechnet haben. Wer einen Blick auf die Entwicklung der Weltmarktpreise für landwirtschaftliche Roh-stofffe wirft, muß erkennen, daß diese weit über den Inlandspreisen liegen. So kostet ein Kilo Kristallzucker im heimischen Detailhandel derzeit rund 9 Schilling, auf den internationalen Rohwarenmärkten dagegen rund 12 Schilling. Der Zuk-kerpreis ist seit Anfang August 1973 um fast das Dreifache gestiegen, der Preis für Weizen um 30 Prozent und der Maispreis um immerhin 40 Prozent. Angesichts dieser explosiven Preisentwicklung an den internationalen Rohwarenmärkten ist das Interesse der österreichischen Landwirtschaft an einer amtlichen Preisregelung für agrarische Produkte begreiflicherweise ein wenig gesunken, ganz abgesehen davon, daß die amtliche Preisregelung für agrarische Produkte den Produzenten mehr schadet als nützt. Denn die Preise für Maschinen, Geräte, Benzin und Diesel steigen unablässig und stark, während die Preise für landwirtschaftliche Erzeugnisse auf politischer Ebene zumeist erst dann angehoben werden, wenn sie bereits weit hinter den Produktionskosten zurüokbleiben.

Das ist aber nur die eine Seite der Medaille: ohne amtliche Preisregelung würden regional Preisdifferenzen für landwirtschaftliche Produkte auftreten. Milch, Butter, Käse und Mehl würden“ in Österreich zu stark unterschiedlichen Preisen angeboten werden. Milch in Salzburg und Tirol am billigsten, in Wien dagegen am teuersten. Darüber hinaus aber würde wohl der Anbau jener landwirtschaftlichen Produkte aufgegeben werden, deren Preise die Kosten nicht decken. Man kann sich davon Struktureffekte in Richtung auf größere Betriebe mit geringeren Fixkosten versprechen, man muß freilich auch damit rechnen, daß die Bewirtschaftung breiter und für den Fremdenverkehr wichtiger Talschaften aufgeben wird und der noch immer relativ hohe Selbstversorgungsgrad Österreichs mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen (rund 80 Prozent) fallen wird, weshalb auch die Auslandsabhängigkeit des neutralen Österreich größer werden würde.

Vor diesem Hintergrund ist die Frage einer Verlängerung der Marktordnung zu beurteilen. Der hohe Einsatz in diesem Spiel ist den möglichen politischen Gewinn nicht wert. Handelsminister Staribacher dürfte das früher als seine Freunde im Gewerkschaftsbund, in der SPÖ und in der Bundesregierung erkannt haben. Sein Kurs ist Ausdruck der gegenläufigen Meinungen im sozialistischen Machtkartell. Die SPÖ wäre nämlich im Interesse ihrer Stammwähler gut beraten, angesichts der Inflationsrate von 10 Prozent nicht noch Preissteigerungen in großen Bundesländern und bei wichtigen Waren zu provozieren Die internationale und nationale Preisentwicklung ist so verworren, daß sie aus politstrategischen Gründen noch größere Verwirrung zu stiften vermag.

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